14846610436695.jpg

Dr. Duetsch, UPM, zog die Aufmerksamkeit auf sich - Dr. Cremer, Pannicke, Dr. Kasal, Dr. Ohnesorge lauschten (v. li.) © Gerd Ebner

Genug Holz für künftige Aufgaben

Ein Artikel von Gerd Ebner | 17.01.2017 - 15:03
14846610436695.jpg

Dr. Duetsch, UPM, zog die Aufmerksamkeit auf sich - Dr. Cremer, Pannicke, Dr. Kasal, Dr. Ohnesorge lauschten (v. li.) © Gerd Ebner

Deutschland steht vor einem sehr starken Baujahr – mit vielen Möglichkeiten für den Holzbau. Außerdem hat die EU die Bioökonomie (zumindest ein bisschen) für sich entdeckt. Also, alles eitel Wonne? Ja – muss man antworten, wenn man am 12. und 13. Januar den AGR-Rohholzgipfel und anschließend den Internationalen Sägewerkskongress in Berlin besuchte.

Nächste Jahrzehnte geht‘s noch ...

14846610460246.jpg

Zertifizierung - Selbstzweck oder Chance? Es diskutierten Denny Ohnesorge, Andreas Bitter, Werner Zwingmann, Martin Redmann, Aljoscha Requardt (v. li.) © Gerd Ebner

Die Stimmung war ausgezeichnet. So gut, dass man sich zuerst die Frage stellte: Gibt es überhaupt genug Holz? Gemäß dem Resümee der Vorträge von Dr. Andreas Bolte und Dr. Karsten Dunger, beide vom Thünen- Institut, Hamburg, muss man sich um das Nadelholzaufkommen in den kommenden drei, vier Jahrzehnten trotz Waldumbau keine allzu großen Sorgen machen. Von drei möglichen Szenarien werden die Holzvorräte in zwei davon steigen: Ausgehend von 336 m3/ha (2012), könnten es bis 2052 364 m3/ha oder 374 m3/ha sein. Nur in einem Entwurf sind es mit 289 m3/ha doch deutlich weniger (s. Grafiken S. 4). Beim Thema Naturschutz und Unterschutzstellungen verwies Bolte darauf, dass es für 24 % der deutschen Waldfläche Natura 2000-Auflagen gebe. Bereits jetzt sei außerdem auf 450.000 ha (4,1 %) keine Holznutzung erlaubt.

Bisher falsche Diskussionen?

14846610487815.jpg

Holzvorratsentwicklung in Deutschland, unterteilt nach Holzartengruppen (HAG) und in drei Szenarien © Thünen-Institut

„Bis jetzt fokussierte sich der Widerstand der Holzbranche auf die weitere Ausweisung von Wäldern, die außer Nutzung gestellt werden sollen“, resümierte Bolte, der aber gleichzeitig darauf verwies: „Unsere Modellierungen zeigen, dass Nutzungsbeschränkungen im Wirtschaftswald eine größere Auswirkung auf die Holzbereitstellung haben können.“ Im bewirtschafteten Wald kommen schleichend Erschwernisse hinzu, die sich im Lauf der Jahre massiv auswirken. In FFH-Gebieten sind es schon 2 fm/ha Mindereinschlag. Hinzu kommt das, was Bolte „die Schere im Kopf der Förster“ nannte: ein freiwilliger Ernteverzicht auf Flächen, die im Fokus des Naturschutzes stehen. Seine Forderung daher: „Nutzungseinschränkungen im Wirtschaftswald müssen mehr Beachtung finden, um das Niveau der Holzversorgung zu erhalten.“

Import wird steigern

Da die Nachfrage nach Holzprodukten steigen wird, schließt DeSH-Präsident Carsten Döhring einen höheren Import nicht aus: „Das können Rundholz oder Fertigprodukte sein.“

Sehr schwer zu beziffern ist die Menge an zertifiziertem Holz in Deutschland. Hierfür gibt es keine Erhebungen. Martin Redmann, Unique Forestry, nannte eine Schätzung von 74 % des deutschen Rundholz-Binnenaufkommens. Das entspricht der vermuteten Erntemenge der FSC- und PEFC-zertifizierten Forstbetriebe. Die Importe aus den Hauptversorgerländern sollten zu 70 % zertifiziert sein. Noch schwieriger war für Redmann die Erhebung der zertifizierten Nadelschnittholz-Menge: Diese schätzt er gemäß den CoC-zertifizierten Sägewerken auf 71 %.

Redmann schloss seine Sicht mit der Conclusio, dass der Zertifizierungsstand wohl nicht reichen werde, um den gesellschaftlichen Anforderungen an den Nachhaltigkeitsnachweis Genüge zu tun. „Der Zertifizierungsgrad muss bald massiv steigen – auch wenn es vom Markt noch nicht monetär honoriert wird. Die Branche gefährdet sonst die Chancen, die sich aus den Megatrends ergeben. Damit muss man sich stärker auseinandersetzen.“

Bei Schnittholz selten Zertifizierung nötig

Umfassend erläuterte Werner Zwingmann die (teilweise freiwilligen) Anstrengungen von Egger, St. Johann, im Bereich der Zertifizierung, etwa Doppelzertifizierung FSC und PEFC. 100 % des Holzeinsatzes ist EUTR-kontrolliert. Die Zertifizierung wird allerdings nur dort ausgewiesen, wo sie explizit verlangt wird. Das ist etwa bei Schnittholz nur bei jedem 10. Kubikmeter der Fall.

Reißt CoC-Kette?

Zwingmann sieht die CoC-Kette vor dem Reißen, weil es bei den Sägenebenprodukten zu wenige Zertifizierungen gibt – zu viele Zertifizierungen wurden zurückgegeben. „Der Druck wird hier noch massiv steigen“, sagt er voraus. „Die Branche hat in der Öffentlichkeit leider nicht die Legitimation, ohne Zertifizierung wirtschaften zu dürfen.“ Laut Zwingmann kostet zertifiziertes Holz mehr, weil es im Einkauf teilweise teurer ist und intern Kosten verursacht. Entsprechend hat man bei Egger die Vorgabe, zertifizierte Produkte auch teurer zu verkaufen.

Milliarden in Bioökonomie

„Alter Wein in neuen Schläuchen“, übertitelte der AGR scharfzüngig den Bioökonomieschwerpunkt am 12. Januar. „Bioökonomie ist nicht die Zukunft – sie passiert schon“, erläuterte AGR-Präsident Leonhard Nossol. Mit Dr. Michael Duetsch hatte er auch gleich einen Referenten, dessen 10 Mrd. €-Umsatz-Unternehmen bereits stark in Bioökonomieprojekte involviert ist. „Wir schauen auf die molekulare Ebene von Holz“, so Duetsch. Ein Ergebnis ist etwa die Biocomposite-Produktion im baden-württembergischen Bruchsal. Dort entstehen Terrassendielen und Fassadenelemente. Mit der Universität Helsinki fertigte man ein Auto aus Holzfasern – das Biofore-Auto. „Wir wollten aufzeigen, was möglich ist.“ GrewDex nennt UPM wiederum Membrane für die Wundheilung. Noch aufwendiger sind die Forschungen für eine 3D-Zellkulturma- trix für die Krebsforschung. Die größte Einzelinvestition ist aber die Produktion von Biodiesel im finnischen Lappeenranta. 179 Mio. € nimmt UPM für 100.000 t/J in die Hand.

Für Jagdflieger, nicht Forschung

Prof. Dr. Bohumil Kasal bedauerte unter anderem die geringe Forschungsdotierung der Bioökonomie in Deutschland: „70 Mio. € sind es für die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe. Ein Jagdflugzeug erfordert das Fünffache.“ Auf die Frage, was eine Forschungsverdoppelung kosten würde, lautete die Schätzung Kasals: „Dann sprechen wir vom Faktor 10 bei den Kosten. “ Wie sich Produkte aus der Bioökonomie rechnen, hängt im Wesentlichen von den petrochemischen Preisen ab. Ein Phenolpreis von fast 1000 US-$ erlaube es, Holzprodukte sinnvoll einzusetzen, erfuhr man in Berlin. Vor Kurzem lag er noch bei 500 US-$. „Es sind aber nicht immer die Kosten, auch die Trägheit der Kunden bei der Setzung auf innovative Produkte, hemmt den Absatz“, wurde in der Diskussion ergänzt. Und das beginne schon beim Holzbau: „In Norddeutschland fehlen die Architekten und die Erfahrungswerte“, bedauerte etwa Nadine Pannicke vom Helmholtz-Zentrum. Ein Wunsch der Branche an die Politik formulierte Duetsch: „Wir brauchen insbesondere planbare Rahmenbedingungen.“

1000 Milliarden Bäume Pflanzen

Für den informellen Höhepunkt des AGR-Rohholztages am 12. Januar in Berlin sorgten zwei Jugendliche. Sie kamen vom Verein „Plant-for-the-Planet“.

„Um dem Klimawandel zu begegnen, braucht es Wälder. Aus dem geernteten Holz sollen Häuser gebaut werden“, argumentierten die Schüler. „Mit diesem Verständnis sind die Jugendlichen weiter als die meisten Politiker“, war man sich im Saal einig.

14 Milliarden Bäume wurden laut Homepage schon gepflanzt. Das Ziel sind allerdings 1000 Milliarden Bäume. Das Geld für die Pflanzungen stammt aus Spenden sowie unter anderem aus dem Verkauf von „Guter Schokolade“.