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Moderator Hannes Plackner im Interview mit Martin Neumeyer, CEO der BaySF © Lorenz Pfungen

„Maß-Arbeit“

Ein Artikel von Lorenz Pfungen, Hannes Plackner | 30.09.2015 - 11:10
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Peter Fickler begrüßte alle Anwesenden zur Diskussion "Unser Holz - Wertstoff, Werkstoff, Energie?" © Lorenz Pfungen

Neugierig war man schon, wer da seit 1. April die Geschicke von Mitteleuropas größtem Holzlieferanten, den Bayerischen Staatsforsten, leitet. Martin Neumeyer stellte sich am traditionellen Nockherberg-Treffen eine halbe Stunde lang den Fragen des aufmerksamen Publikums und des Moderators (stellvertretender Holzkurier-Chefredakteur Hannes Plackner). Dem einst hochrangigen Beamten und Stoiber-Vertrauten fehlte zwar die Tiefe in fachlichen Fragen, sein Bekenntnis zur Partnerschaft mit den Sägern wurde aber gerne gehört.

1 Mio. fm Nasslagerkapazität aufgebaut

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Moderator Hannes Plackner im Interview mit Martin Neumeyer, CEO der BaySF © Lorenz Pfungen

Unmittelbar vor Neumeyers Amtsantritt fegte Orkan Niklas durch die bayerischen Wälder. Ein ruppiger Start. „Wir hatten 300.000 fm in Nasslagern und hätten im Extremfall bis zu 1 Mio. fm aufnehmen können. Der Abbau erfolgt schrittweise und je nach Nachfrage am Markt“, erläuterte der studierte Jurist. Er bezeichnete diese Lager als „Segen“. Sie haben eine werterhaltende Lagerung ermöglicht, die Borkenkäfergefahr reduziert und können auch künftig genutzt werden. Da die Rundholznachfrage ausreichend bedient werden konnte, habe diese Maßnahme zudem den Markt entlastet. Wie hoch die Nasslagerkosten pro Festmeter sind, wollte Neumeyer nicht beantworten. „Erst wenn man die genauen Transportkosten kennt, kann man diesen Wert berechnen.“
Immer wieder geistern in Bayern Forderungen nach großflächigen Flächenstilllegungen zugunsten der Biodiversität durch die Medien. Das kommentierte Neumeyer kritisch. Da in Deutschland mehr und mehr Holz nachgefragt werde, müsse die Frage nach der Herkunft gestellt werden. Werde es aus anderen Ländern importiert, erkaufe man sich damit ein gutes Gewissen – zum Naturschutz trage das aber nicht bei. Wenig überraschend traf dieses Bekenntnis zur heimischen Holzverarbeitung auf große Zustimmung im Publikum.
Trotz wachsender Holznachfrage: beenden jedes Jahr rund 3 % der bayerischen Sägewerke ihren Betrieb. Hochgerechnet hieße das, dass binnen 25 Jahren die halbe Branche verschwindet. Darauf angesprochen, bekannte sich Neumeyer dazu, dass weiterhin zumindest 25 % des Rundholzes über die Eigenvermarktung der Forstbetriebe an KMU-Sägewerke gehen sollen. Ein Strukturwandel in der Branche sei aber nicht komplett aufzuhalten – auch nicht von den BaySF.
Fazit: Es gibt keine erkennbare Strategieänderung im Vergleich zum nach Österreich zurückgekehrten Vorgänger Dr. Rudolf Freidhager.

Was der Wald braucht

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Josef Spann, Moderator Hannes Plackner, Martin Bentele, Lars Schmidt, Carsten Doehring, Johann Koch, Dietmar Reith, Martin Neumeyer und Peter Fickler (v. li.) © Lorenz Pfungen

Der jüngste (am Nockherberg aber kaum thematisierte) Preisrückgang bei Nadelrundholz war nicht der einzige Aspekt, der Sepp Spann Sorgen machte. Der Präsident des bayerischen Waldbesitzerverbandes ärgerte sich über die Kritik an der Waldbewirtschaftung. In der öffentlichen Wahrnehmung und der urbanen Bevölkerung werde zwar der Wald als positiv angesehen, nicht aber die Waldbewirtschaftung. Spann wehrte sich gegen eine Bevormundung der Waldbesitzer. Als Privatwaldsprecher vertritt er eine heterogene Klientel. „50% der Privatwaldbesitzer freuen sich über ein Zusatzeinkommen, die anderen müssen davon leben“, erläuterte Spann. Was den Waldumbau zugunsten des Laubholzes angeht, blickte er zuversichtlich in die Zukunft. Es gehe nicht allein darum, was die Säger brauchen, sondern auch, was der Wald benötigt. Künftig könnte sich das Verhältnis von Laubholz zu Nadelholz bei 50 zu 50 einpendeln. „Ich bin mir sicher, dass sich die Industrie etwas einfallen lassen wird“, setzt Spann auf die Innovationskraft der Verarbeiter.

Haus der Holzwirtschaft wird Realität

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Xaver Haas tritt dafür ein, dass der Holzbau nicht für "Barackenbau" herangezogen wird © Lorenz Pfungen

In Berlin könnte bald eine gemeinsame Adresse aller Spitzenverbände der Branche Realität werden. „In näherer Zukunft ist ein Haus der Holzwirtschaft geplant. Die Grundsatzentscheidung ist schon gefallen. Der genaue Ort steht noch nicht fest“, erzählte Lars Schmidt, Geschäftsführer der Deutschen Säge- und Holzindustrie. Geplant ist eine Aufstockung.
Dem immer wieder gehörten Vorwurf, der Verband würde kleine Sägewerke nicht ausreichend vertreten, widersprach Schmidt. Für ihn stehen die Interessen kleiner und großer Sägewerke nicht in Konflikt.
Als gelungenes Projekt der Interessenvertretung nannte er die Mitarbeit an der Waldstrategie 2020, welche sägewerksfreundlicher ausgefallen sei als die Biodiversitäts­-strategie. Der klimawandelbedingte Waldumbau steht für ihn – auch mit geeigneten Nadelholzarten – ebenso im Fokus.

Bis zu 40 Jahren Vorlaufzeit

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Das Auditorium hört den Ausführungen der Protagonisten zu © Lorenz Pfungen

Von den Vorschriften, welche die Sägewerker künftig betreffen, kommt eine ganze Reihe aus Brüssel – etwa zu VOC-Grenzwerten, die den Holzeinsatz direkt beeinflussen. EOS-Vorstand Carsten Doehring forderte daher die Säger auf, sich zu engagieren. „Aktivitäten, die in Brüssel gesetzt werden, haben eine Vorlaufzeit von bis zu 40 Jahren“, beschrieb er. Die personelle Ausstattung der EOS bleibt mit zwei Mitarbeitern aber bescheiden. Initiativen gegen die Betonindus-trie, die 240 Personen in Brüssel beschäftigt, sind schwierig umzusetzen.
Mehr Engagement von deutschen Sägern in der EOS sei auch deswegen nötig, um nicht von skandinavischen Interessen überstimmt zu werden.
Doehring ist nicht nur EOS-Vertreter, sondern auch Geschäftsführer von Ilim Timber Europe und damit Kenner der globalen Sägewerksdynamik. Trotz jüngster Rückgänge seien bayerische Rundholzpreise immer noch im weltweiten Spitzenfeld. Dass die Branche trotzdem konkurrenzfähig ist, liegt an der effizienten deutschen Sägeindustrie. Bei Rundholzpreisen von 50 bis 70 €/fm in Skandinavien beziehungsweise 25 €/fm frei Werk in Russland von Sibirischer Kiefer sind für ihn die Innovationsfähigkeit und die Produktion von hochwertigen Produkten entscheidend. „Wenn es vom Runden ins Eckige geht, sind wir um Längen besser als der Rest der Welt“, war Doehring überzeugt.

Investieren oder schließen

Zwei Punkte trübten bei Peter Fickler, Präsident des Bayerischen Holzwirtschaftsrats, die Stimmung der Sägeindustrie Bayern. Käfer- und Sturmholzmengen erschweren die Produktion von Qualitätssortimenten. Vor allem Bauholzsägewerke hätten Probleme. „Da kann man mit KVH nicht mithalten. Laut einer Studie verarbeiten 65% der Zimmereien 75% KVH und nur mehr 25% Bauholz“, erklärte er. Seine zweite Sorge galt der Rundholzversorgung. Viele Unternehmen überlegen sich, ob eine Weiterführung in der nächsten Generation sinnvoll sei. „Investieren oder schließen“ ist das Motto.
Die geringe Marge sei ein anhaltendes Problem. Bezeichnend sei etwa die angekündigte Betriebsschließung des Baden-Württemberger Sägerpräsidenten.
Dass die Branche nicht imstande ist, hohe Löhne zu zahlen, sah er ebenfalls kritisch. Den Zuzug von qualifizierten Asylwerbern wertete er als Chance (wenngleich mit sozialen Risiken). Damit könnten sogar in Bayern wieder Arbeitskräfte erhältlich sein, die auf dem Mindestlohnniveau (8,5 €/h) arbeiten.

Pellets bleiben konkurrenzfähig

Mit dem neuen ENplus-Zertifikat könnte ein Markt für hochwertige Hackschnitzel entstehen. Diesen Schluss lässt der Vortrag von Martin Bentele, Geschäftsführer vom Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband, zu. Damit gebe es ein Werkzeug, um die Qualität bezüglich Feuchtegehalt, Rinden- und Aschenanteil sowie Korngrößen zu verbessern.
Keine große Konkurrenz für Pellets made in Germany erwartete er von den Industriepellet-Produzenten in Übersee. Das häufige Umladen für einen relativ kleinen Markt ist seiner Meinung nach für diese Unternehmen unrentabel. Dieses Szenario ist für ihn noch eher in Nord- als in Süddeutschlands wahrscheinlich.

50 bis 60 Tote pro Jahr

Auf die erschreckende Zahl von 50 bis 60 Toten pro Jahr in der bayerischen Forstwirtschaft ging Dietmar Reith, Geschäftsführer vom gleichnamigen Forstunternehmen, ein. „Trotz hohen Maschineneinsatzes kommen 50 bis 60 Personen pro Jahr bei Forstarbeiten ums Leben. Dabei entfallen rund 50% auf private und 50% auf gewerbliche Unfälle“. Der Einsatz von Großmaschinen verhindere Unfälle weitestgehend. Das könne auch ein Argument gegenüber Medien sein, die Harvestereinsätze kritisch betrachten.
Johann Koch von proHolz Bayern berichtete unter anderem über die gut gelaufene Veranstaltung „schauholz“, die 50% der anwesenden Personen schon gesehen haben.

Neun Maß Bier pro Festmeter Fichte

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Quelle: Destatis, Rundholzpreisentwicklung laut Erhebung der Erzeugerpreisindizes aus dem deutschen Staatswald, basierend auf einem mittleren Fichtenstammholzpreis von 98??/fm im Vorjahr; Bierpreis bis 2011 lt. oktoberfest.de, ab 2012 Eigenerhebung © Lorenz Pfungen

Beim diesjährigen Nockherberg-Sägertreffen wurde kaum über Preise für Stammholz diskutiert. Dies nahm der Holzkurier zum Anlass, um eine eigene Berechnung durchzuführen. 2014 konnte man um den Erlös aus einem Festmeter Fichte neun Maß Bier am Münchner Oktoberfest kaufen. Der Spitzenwert wurde 1981 mit 32 Maß erreicht. Den absoluten Tiefstwert erreichte man 2004 mit sieben Maß Bier pro Festmeter Fichte.