14406005397257.jpg

Hansruedi Streiff und Thomas Lädrach (v. li.) © Günther Jauk

Starker Franken  als Standortfaktor

Ein Artikel von Günther Jauk | 26.08.2015 - 16:36
14406005397257.jpg

Hansruedi Streiff und Thomas Lädrach (v. li.) © Günther Jauk

Wie beurteilen Sie die Lage der Schweizer Holz- und Sägeindustrie ein halbes Jahr nach Aufhebung der Franken-Euro-Bindung?
Lädrach: Wir waren total überrascht, dass die 1,2 CHF/€-Grenze aufgehoben und keine neue Untergrenze definiert wurde. Unter dem starken Franken leidet nicht nur der Export-, sondern auch der Binnenmarkt. Als erste Maßnahme haben wir Preiskorrekturen am Rundholzmarkt vorgenommen. Die nationale Holzmarktkommission empfahl einen um 10 % geringeren Rundholzpreis. Da große Mengen bereits disponiert und Preis- und Mengenvereinbarungen getroffen wurden, griff diese Maßnahme aber erst ab dem II. Quartal.

Wie reagierte die Forstwirtschaft auf diese Maßnahme?
Lädrach: Das Verhältnis zur Forstwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gebessert. Man war erstaunt über die Preiskorrektur, zeigte jedoch Verständnis. Wir sind Leidensgenossen im selben Boot.
Streiff: Die Forstwirtschaft weiß, dass die Holzindustrie das nicht alleine stemmen kann. Ich gehe davon aus, dass die Holzernte in schwierigen Lagen zurückgehen wird, da es sich schlicht nicht mehr rechnet.

Gibt es bereits Probleme mit der Rundholzversorgung?
Streiff: Da der Rundholzexport seit Januar um ein Viertel zurückgegangen ist, gab es bisher keine Versorgungslücken. Die Einfuhren sind um 25 % gestiegen, diese machten im 1. Halbjahr aber nur 20.600 fm aus.

Wie reagieren die Betriebe auf die verschärften Bedingungen am Markt?
Lädrach: Viele bereits geplante Investitionsprojekte wurden zurückgestellt. Es geht in Richtung Spezialisierung, man konzentriert sich noch mehr auf seine Stärken. Das Pro blem dabei ist, dass dafür oft mehr Arbeitsstunden in ein Produkt gesteckt werden und wir uns noch weiter von EU-Preisen entfernen.
Streiff: Aufgrund von Auslastungsschwierigkeiten wurden Arbeitskräfte leicht reduziert. Die Gewerkschaft ist in diesem Fall relativ ruhig, weil sie um die prekäre Situation weiß.

Wie reagiert die Politik auf die schwierige wirtschftliche Lage?
Lädrach: Derzeit wartet die Politik einfach nur ab. Kurzfristig zeigen sich durch die Frankenaufwertung ja positive Effekte, wie etwa die steigende Kaufkraft. Nach der Wahl im Herbst werden jedoch grobe Fehlentwicklungen, wie steigende Arbeitslosigkeit und Nullwachstum bis Rezession, sichtbar werden. Dann wird die Handlungsbe- reitschaft der Politik wohl etwas größer sein.
Streiff: Die Holzindustrie Schweiz hat auf politischer Ebene im vergangenen Halbjahr vieles versucht, aber nichts erreicht. Wichtige Punkte wären ein Seilkranbeitrag zur wirtschaftlichen Bringung von Rundholz aus schwierigen Lagen, die Erschließung von Nichtschutzwäldern mit Forststraßen sowie ein höheres zulässiges Gesamtgewicht bei Rundholztransporten.

Wie geht es der Bauwirtschaft?
Lädrach: Das I. Quartal war saisonüblich schwach. Für das restliche Jahr melden die Holzbauer jedoch eine gute Auslastung. Der Trend geht weiter in Richtung Holzbau. Für den gesamten Bausektor spricht das derzeit sehr attraktive Zinsumfeld. Dagegen sprechen die verschärften Auflagen bei der Kreditvergabe, die Zweitwohnsitz-Initiative sowie das Raumplanungsgesetz. Bürger und Politiker haben Angst, dass das Land zugebaut wird. Bei der Verdichtung nach innen im urbanen Bereich hat der Holzbau durchaus einen Markt. Unterm Strich wird es in der Bauwirtschaft aber einen Abschwung geben.

Spielt die Herkunft des Rohstoffes bei Holzbauten eine Rolle?
Streiff: Bei öffentlichen Gebäuden war die Herkunft von Holz lange Zeit kein Thema. Es war nur wichtig, dass der Zimmermann aus der Region stammte. Es wurde nur die Holzverwertung, aber nicht dessen Herkunft beworben. Mit dem Herkunftszeichen Schweizer Holz möchten wir dies nun ändern. Wir können zwar nicht alle Kunden mit Schweizer Holz bedienen, schaffen aber Bewusstsein beim Kunden.

In den vergangenen 30 Jahren hat der Nadelholzvorrat im Mittelland um 10 Mio. fm ab-, der Laubholzvorrat hingegen um 8 Mio. fm zugenommen. Wie wird damit umgegangen?
Lädrach: Die Task-Force Wald+Holz+Energie bemüht sich unter anderem um eine Nadelholz-Trendwende im Mittelland. Es geht um die Sensibilisierung der Waldbesitzer. Die Fichte wird im Mittelland weiter unter Druck geraten, aber nicht nur durch Laubholz, sondern auch durch Weißtanne und Douglasie ersetzt. Für die Laubholz-Weiterverarbeitung gibt es derzeit ein großes Projekt in der Schweiz.
Streiff (seufzt): Der Forstdienst sieht nur den Wald, aber nicht, dass Häuser aus Fichte gebaut werden. Die Weiterverarbeitung ist nicht Thema, sondern nur die Biodiversität. Es wird zu wenig Fichte produziert und zu viel Buche landet im Ofen. Da die guten Lagen immer weniger Fichte bringen, muss in Zukunft mehr Holz aus den Bergregionen kommen.

Wohin wird sich die Schweizer Holzindustrie entwickeln?
Lädrach: 2015 haben die meisten Betriebe bereits abgeschrieben. Da die Zukunft stark von der Entwicklung des Wechselkurses abhängt, wird auf Zeit gespielt. Investiert wird, wenn überhaupt, in Flexibilität und nicht in Kapazität. Ich hoffe in Zukunft auf bessere internationale Zusammenarbeit und Marktentwicklung. Die Schweizer Normungsarbeit kommt auch vielen anderen Ländern zugute. Problematisch sehe ich, dass einige Unternehmen aus der EU ihre Produkte in der Schweiz günstiger anbieten als in der EU. Gegen diese Dumpingmethoden müssen wir etwas unternehmen.
Streiff: Bis 2007 war die Währung für uns kein Standortfaktor. Mittlerweile ist der Euro eine schwache Währung geworden. Die Holzindustrie Schweiz wird ihre Werbetätigkeit weiter intensivieren und auf politischer Ebene kämpfen. Wir müssen unsere Reihen besser schließen, die Branche muss enger zusammenrücken.

Schweiz im Umbruch

Der Starke Franken
Mit 1,15 Mio. m3 produzierten die Schweizer Sägewerke 2014 um ein Viertel weniger Schnittholz als im Vorkrisenjahr 2007 (1,54 Mio. m3). Von 1996 bis 2013 sank die Anzahl der Schweizer Säger um 44 %. 2014 war seit 2006 das erste Jahr mit einem leichten Einschnittsplus (+2 %). 2015 war wieder ein Plus geplant – dann kam das Ende der Franken-Euro-Bindung. Die künstliche Untergrenze von 1,2 CHF/€ wurde am 15. Januar aufgehoben. Seitdem bewegt sich der Wechselkurs zwischen 1 und 1,1 CHF/€. Zwar liegen die Zahlen für das 1. Halbjahr noch nicht vor, doch geht die Holzindustrie Schweiz von einem deutlichen Einschnittsrückgang 2015 aus. Die Rundholzexporte (Fi/Ta) sind in der ersten Jahreshälfte um 23 % auf 194.000 fm zurückgegangen. Die Einfuhren stiegen um 26 % auf 21.000 fm.

Umzug und Konkurs
Die Unternehmen reagieren auf den starken Franken mit Verlagerung der Produktionsstätten oder müssen Konkurse anmelden.
Die Schweizer Arbonia-Forster-Holding etwa übernimmt den ostdeutschen Fensterhersteller Wertbau und verlagert 160 Arbeitsplätze dorthin. Im 1. Halbjahr musste ein organischer Umsatzrückgang von 4,6 % auf 425 Mio. CHF (390 Mio. €) hingenommen werden.
Die Karl Schuler Möbelfabrik hat am 30. Juli Insolvenz beantragt. Der Rothen-thurmer Möbelhersteller blickt auf eine über 100-jährige Firmengeschichte zurück und beschäftigt 48 Mitarbeiter. „Nachdem sich der Eurokurs deutlich unter den Erwartungen hält, mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass wir als Schweizer Unternehmen gegenüber ausländischen Herstellern und Händlern nun definitiv nicht mehr konkurrenzfähig sind.“
OLWO hat bereits zu Jahresbeginn seine Schnittholzlieferungen nach Italien und Frankreich gestoppt oder auf Kontaktmengen reduziert. Dabei geht es um rund ein Drittel des Absatzvolumens.

Waldumbau
Der Nadelholzvorrat ist im Schweizer Mittelland in den vergangenen 30 Jahren um 10 Mio. fm zurückgegangen. Im selben Zeitraum ist der Laubholzvorrat um 8 Mio. fm gestiegen.