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Geschäftsführer Alexander Knebel präsentiert seine Werkzeuginnovationen auf der Ligna © Hannes Plackner

Zerspanung 2.0

Ein Artikel von Hannes Plackner | 22.05.2015 - 15:31
Wer vergangene Woche die Ligna auf der Suche nach echten Innovationen durchstreifte, blieb hoffentlich am Stand von AKE Knebel stehen. Der Baden-Württemberger Werkzeughersteller stellte eine Reihe neuer Produkte vor. Das Motto lautete wenig bescheiden: „Zerspanung 2.0 – vergiss alles, was du bislang über Zerspanung wusstest.“
Tatsächlich stellen AKE Knebels Werkzeuge die Lehrbücher auf den Kopf. Ausgangspunkt war die Einführung der sogenannten Supersilent-Kreissägeblätter (s. Holzkurier Heft 35/13, S. 10–11). Das patentierte und mehrfach ausgezeichnete System hat keinen klassischen Spanraum mehr. Anstatt die Späne vor der Schneide herzuschieben, werden sie seitlich am Sägekörper geführt. Die Auswirkungen davon beeindrucken. Die Schallenergie sinkt um 99 %, das Blatt schneidet flüsterleise. Gleichzeitig verbesserten sich die Schnittqualität und die Flexibilität.
Zwei Jahre später hat die Balinger Werkzeugschmiede nicht nur eine größere Säge mit 35 cm Durchmesser auf den Markt gebracht. Das Prinzip wurde auf Finger- und Falzfräser ausgeweitet. Zudem wurde die Supersilent – liebevoll Susi genannt – weiterentwickelt. Das waren die Highlights in der Ligna-Holzwerkstoffhalle 26. Am zweiten AKE-Stand in der sägewerksdominierten Halle 27 standen die Distanzringe aus einem gänzlich neuen Material im Mittelpunkt.

Weg mit dem Span von der Schneide

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Geschäftsführer Alexander Knebel präsentiert seine Werkzeuginnovationen auf der Ligna © Hannes Plackner

Grundidee der Zerspanung 2.0 ist es, den Span möglichst schnell von der Schneide und dem Werkzeugkörper zu entfernen. „Der Span soll in den Luftraum gelangen und dort das tun, was er möchte: sich umgehend entspannen“, erklärte Geschäftsführer Alexander Knebel am Messestand in Hannover. Für die gängigsten Werkzeugtypen haben die Balinger schon eine Lösung ausgearbeitet. Bei Supersilent-Kreissägen werden die Späne auf den sogenannten Chipbelt geleitet. Die äußere Zone des Blattkörpers ist dünner. Polykristalline Diamant-Schneidezähne in T-Shirt-Form lenken den Span nach innen. Der wird im Chipbelt ohne Mehrfachzerspanung nach außen befördert.
Ein Highlight am Stand war die Konzeptstudie eines spanflussoptimierten Z3-Fingerfräsers. Anders als bisher strömen die Späne nicht an benachbarten Schneiden vorbei. Die Partikel landen gleich nach dem Schnitt in einem spiralförmig verlaufenden Spanraum. Bevor sie mit einer anderen Schneide in Kontakt kommen können, entfernen sie sich aufgrund der Fliehkraft aus dem Werkzeug.
Bei den Fräsern der Harmony-Serie wird mit ziehendem Schnitt gearbeitet. Hier verwendet AKE Knebel einen strömungsoptimierten Spanraum, der die Holzpartikel nicht mehr unkontrolliert freigibt. Vielmehr werden sie um die Folgeschneide herum geführt. Der Anteil der sinnlosen Mehrfachzerspanung sinkt.
Alle erwähnten Werkzeuge besitzen Diamantschneiden, können also mit Erodiermaschinen auch bei beengten Geometrien geschärft werden. Hartmetallklingen brauchen dagegen Platz für eine Schleifscheibe, aber auch für solcherart bestückte Kreissägen hat AKE Knebel eine Version 2.0 präsentiert: die „Solution 2.0“. Dieses Hochleistungs-Fertigschnittsägeblatt verfügt über einen Spanraum und einen Chipbelt. Damit ist es perfekt für die horizontale Plattenbearbeitung im Fertigschnitt geeignet.
Für vertikalen Plattenzuschnitt, wie etwa in Baumärkten, entwickelte AKE Knebel eine abgewandelte Version der Supersilent 3.0. Selbst bei schlecht gewarteten Maschinen bringt sie einen sauberen Schnitt.

Weniger spanen, mehr schneiden

Ob Späne vor oder hinter der Schneide abgeführt werden, mag nach technischem Kleinkram klingen. Angesichts der Menge an gesägtem und gefrästem Holz bringen kleine Verbesserungen enorme Einsparungen. AKE Knebels Innovationen haben das Potenzial, die Holzverarbeitung effizienter und hochwertiger zu machen. Beispiele aus der Praxis:
Supersilent Universal-Sägeblätter schneiden selbst Holz quer zur Faser so exakt, dass der Schleifvorgang entfallen kann.
Dank PKD-Schneiden verarbeiten die Werkzeuge „praktische alle“ Holzwerkstoffe. Rüstzeiten fallen weg.
Die Oberflächenqualität ist besser. Bei der Livevorführung bei einem benachbarten CNC-Maschinenhersteller überzeugten sich die Ligna-Gäste davon. Der 2.0-Fingerfräser hinterließ Flanken und Nutgrund in einer Multiplexplatte spürbar glatter als ein – ebenfalls neues – Werkzeug herkömmlicher Machart.
Wegen geringerer Luftverwirbelungen sind die Werkzeuge deutlich leiser, was den Arbeitskomfort steigert.
Die Standzeit steigt, da die Klingen nicht mehrfach zerspanen. Aus der Praxis werden beim Fingerfräser etwa um 70 % längere Wechselintervalle gemeldet.
Kreissägeblätter sind dünner und verbessern damit die Ausbeute.
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Die vielseitige Solution 2.0 teilt Platten horizontal mit Höchstgeschwindigkeit im Fertigschnitt auf © AKE

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Die Supersilent-Sägeblätter haben keinen Spanraum, dafür außen einen Chipbelt © AKE

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Der optimierte, hakenförmige Spanraum der Harmony-Fräser lenkt die Späne beim Schaftfräser nach außen © AKE

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Konzeptstudie des Fingerfräsers "2.0", den AKE Knebel auf der Ligna vorgestellt hat © AKE

200 kg weniger auf der Sägewelle

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Die ausgestellten Werkzeuglösungen sorgten am AKE Knebel-Lignastand für großes Interesse © Hannes Plackner

Weiterentwicklungen zeigte AKE Knebel auch für die Sägewerke. In Halle 27 stand ein oftmals unterschätztes Element im Mittelpunkt: der Distanzring, häufig auch Schablone genannt. Seine Aufgabe ist es, die Sägeblätter auf Distanz zu halten. Typischerweise kommt Stahl oder Aluminium zum Einsatz. Nun bietet AKE Knebel Distanzringe aus einem Werkstoff, welcher kryptisch mit „Light Technical Material“ (LTM) umschrieben wird. Anwendungstechniker Wolfgang Lenhart verrät bloß, dass es sich um ein Polymer mit Fasermatten handelt. Ansonsten fällt auf: LTM ist schwarz und leicht. Sogar gegenüber Aluminium lassen sich damit 40 % an Gewicht einsparen – bei gleicher Verschleißfestigkeit. Eine voll bestückte Nachschnittwelle, etwa für die Palettenholzproduktion, verschlankt sich gegenüber Stahl um über 200 kg. Entsprechend geringer sind die Massen, die in der unausweichlichen Unwucht auf die Lager drücken. Die Laufruhe und damit die Schnittqualität sind natürlich ebenfalls besser, wenn bei über 3000 Upm weniger Gewicht an der Welle hängt.
Die Sägewerker interessierten sich zudem für die neuen Wellenschutzfräser. Diese Werkzeuge schützen die Sägewellen vor Stammteilen, typischerweise Wurzelanläufen. Eine weitere AKE Knebel-Innovation war ein Spiralfräser mit nur 10 mm Schnittbreite. Der wird der Vorschnittsäge vorgeschaltet und räumt ebenfalls überschüssiges Material weg. Aufgrund der schmalen Schneiden fräst sich das Werkzeug leichtgängiger durchs Holz. Ein Verlangsamen des Vorschubs ist nicht mehr nötig. Auf Trends bei Sägeblättern angesprochen, nannte Lenhart zudem Chrombeschichtungen. Das verhindert verbrannte Blätter. Gleichzeitig wird die Pflege vereinfacht: „Da wischt man nach der Schicht einfach mit einem Lappen drüber“.
Die über 400 Mitarbeiter von AKE Knebel stellen rund 1800 Werkzeuge pro Tag her. Das Baden-Württemberger Unternehmen hat keine eigene Entwicklungsabteilung. Trotzdem entstanden in Balingen zahlreiche Innovationen. „Ich sehe immer wieder, dass der Mitbewerb versucht, uns zu kopieren“, meinte Knebel. Keine Frage – als mittelständiger Werkzeugbauer muss man sich immer weiterentwickeln, um einen Vorsprung zu wahren. Gleichzeitig sind die Kopien auch eine Art Auszeichnung. „Denn gibt es einen besseren Beleg für die technische Überlegenheit?“ //
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Anwendungstechniker Wolfgang Lenhart mit dem Distanzring aus Light Technical Material © Hannes Plackner

Innovationskultur und Erstausstatter

Seit 55 Jahren werden in Balingen Werkzeuge für Holzverarbeiter erzeugt AKE Knebel wurde 1960 gegründet. Über die Jahrzehnte wuchs der Baden-Württemberger Betrieb zu einem führenden Hersteller von Säge- und Fräswerkzeugen heran. Tochterunternehmen gibt es in Tschechien, Polen und Rumänien, aber auch in Malaysia, China und Thailand. Herzstück ist die Produktion in Balingen. Echtes Werkzeugmacherhandwerk verbindet sich dort mit Hightech-Maschinen zu einer gefragten Werkzeugschmiede. Industrieroboter gibt es dort ebenso wie Mitarbeiter, welche die Sägeblättspannung mit Hammerschlag perfektionieren. Die Qualität macht sich bezahlt. Bei den leistungsfähigsten Sägelinien der Welt (etwa Linck oder EWD) werden AKE Knebel-Produkte als Erstausstattungswerkzeuge verwendet. Großes Renommee haben sich die Balinger bei der Problemlösung erarbeitet. Funktionierten das Sägen oder Fräsen nicht zufriedenstellend, fanden die Experten mit ihrer jahrzehntelanger Erfahrung noch oft eine Lösung. Bei der Innovation verlässt AKE Knebel die üblichen Wege. Nach der Vorstellung der Supersilent-Sägen mussten laut einem Hochschulprofessor sogar „die Lehrbücher umgeschrieben werden“. Ein Sägeblatt ohne Spanraum habe es zuvor einfach nicht gegeben.