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Mit dem Rücken zur Wand

Ein Artikel von DI Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 17.04.2012 - 11:05
Ist sie nun da, die lang erwartete „Konsolidierung“ in der Sägeindustrie? Die Anzeichen dafür verdichten sich. In den vergangenen Monaten fanden sich in der Firmenbuchkategorie „Konkurse“ bekannte Namen der Branche, etwa das Sägewerk Kern in Waldbach, die Holzwerke Gmach in Pösing/DE oder das SH-Sägewerk in Sötenich/DE. Andere Betriebe reduzieren ihren Einschnitt und harren der Dinge. Die dunkle Warnung von Hans-Günter Sturm, der im November zum Aus des Sägewerkes Herbrechtingen „Ich bin nicht der Letzte, der schließt“ gesagt hat (s. Link 1), hat sich leider bewahrheitet.
Nach der eindringlichen Warnung der österreichischen Betriebe (Leitartikel „Kollektiv gegen die Wand“, s. Link 2) fragte der Holzkurier nun in Deutschland und Skandinavien nach.

Das war erst der Anfang

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Den Grund der „katastrophalen Ertragssituation“ erkennt Dr. Klaus Böltz in den „viel zu hohen Rundholzpreisen – vor allem in Relation zu den international geprägten Schnittholzpreisen“, formuliert der Präsident des Bundesverbandes Säge- und Holzindustrie Deutschland (BSHD). Diese Preisschere könnten die Sägewerke in keiner Kalkulation unterbringen. „Der Forst greift mit seinen Rundholzpreisen direkt in das Eigenkapital der Betriebe.“
Als einzig mögliche Reaktion wird die Branche nun ihren Einschnitt im II. Quartal um weitere 20 % reduzieren. Der Großteil des Rundholzes wurde zwar schon bis Jahresmitte abgeschlossen. Freie Mengen könnten durch den Mindereinschnitt preislich nun etwas zurückgehen. Schwierig entwickelt sich der Schnittholzmarkt. Aus dem Norden dränge Schweden mit günstiger Massenware. Im Süden drücke Österreich die BSH- und KVH-Rohwaren-Preise, beklagt man in Deutschland.
Der weitere Ausblick ist wenig hoffnungsfroh. Die jüngsten Insolvenzen könnten laut Böltz erst der Anfang gewesen sein. Er befürchtet, dass es in dieser Tonart weitergeht, wenn die Rund-/Schnittholz-Preisschere nicht zugeht. „Jetzt hängt es davon ab, ob die den Markt prägenden Landesbetriebe an ihrer Hochpreispolitik festhalten oder sich ihrer Verantwortung für Sägestandorte und Arbeitsplätze im ländlichen Raum bewusst werden“, stellt der BSHD-Präsident klar.

10 bis 15 €/fm weniger wären nötig

Die schwierige Lage sieht Reinhard Hagenah von der hohen Rundholznachfrage verursacht. Paradoxerweise sei durch die hohen Preise aber nicht genügend Rundholz mobilisiert worden, erklärt der neue Vorsitzende des Verbandes der deutschen Säge- und Holzindustrie VDS. „Das ist zum Teil auch verständlich: Warum sollten die Waldbauern ihr Kapital im Forst gegen schlecht verzinstes Geld auf der Bank eintauschen?“
Durch die jüngsten Produktionsrücknahmen großer Exportsägewerke sollte Rundholz jetzt aber billiger werden. Notwendig wäre ein Preisrückgang von 10 bis 15 €/fm. Schwierig sei die Lage vor allem für die Produzenten von Massensortimenten. Rundholzpreise von 100 €/fm und mehr ließen sich auf den Exportmärkten einfach nicht unterbringen.
Ein weiteres Problem stellen die gesunkenen Preise für Sägenebenprodukte dar. „Um jeden Euro, den Restholz billiger wird, müsste eigentlich auch Rundholz fallen“, rechnet Hagenah vor.

2 Mio. fm/J Kapazität in Schweden abgebaut

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Flagge Schweden © Archiv

Ein Blick nach Skandinavien: Die starke Krone bereitet Kopfzerbrechen in Schweden. Zu 70 % hängen die dortigen Nadelholzsägewerke am Export. Von den 16,8 Mio. m³ Schnittholz, die 2011 erzeugt wurden, blieben nur 5,5 Mio. m³ im Land, schildert Bertil Stener, Direktor des schwedischen Holzindustrie-Verbandes. Der Absatz in Euroländern leidet unter der Währungskrise. Darüber hinaus nennt er zwei weitere Herausforderungen:
Die Sägeindustrie ist angebotsgetrieben. Im Prinzip wird alles verfügbare Rundholz eingeschnitten. Dabei müsse akribisch darauf geachtet werden, nicht zu viel zu produzieren. Die Lagerstände sind noch beruhigend niedrig.
Rundholz ist weiterhin teuer. Das werde sich auch durch den WTO-Beitritt Russlands nicht wesentlich ändern, glaubt Stener.
Im Vorjahr wurde in Schweden eine Einschnittkapazität von 2 Mio. fm/J abgebaut. Knapp zwei Drittel davon waren geplante Schließungen. Der Holzindustrieverband schätzt aber, dass 40 % der Einschnittkapazität im Zuge von Insolvenzen verloren gingen. Zuletzt traf das auf die Viking Timber-Gruppe zu. Von deren Sägewerken wird zumindest eines von der Ikea-Tochter Swedspan abmontiert und nach Polen verfrachtet. „Sehr schwierig“ sei die Lage auch für südschwedische Familienunternehmen. Stener erwartet weitere Stilllegungen – „gewollt oder auch nicht …“
Gleichzeitig wurden in Schweden im Vorjahr neue Kapazitäten in Betrieb genommen: das Holmen-Sägewerk Braviken und die ehemalige Klausner-Adelebsen-Linie, die jetzt in Värö für Södra läuft – beide mit leistungsfähigen Linck-Linien.
Januar und Februar sind für die schwedische Sägeindustrie „nicht so schlecht, wie befürchtet“ angelaufen. Die Liefermengen bezeichnete Stener als gut, aber die Verträge werden nur mehr über kurze Laufzeiten abgeschlossen. Im Vergleich zum I. Quartal 2011 habe man die Schnittholzpreise um 3 bis 5 €/m³ anheben können.

Die Exportmärkte schätzt Stener folgendermaßen ein: In Großbritannien und den USA wurde die Talsohle überwunden. Die Kiefernliefermengen in die Levante waren im Vorjahr überraschend stabil. Nordafrika nimmt bereits mehr als Großbritannien ab. Dänemark ist gegenwärtig ein schwieriger Markt. Lieferungen nach Norwegen liegen etwas unter dem Vorjahr. China zeigt langsames Wachstum, ist für Schweden aber noch kein bedeutender Markt.

In Schweden rechnet man damit, dass sich 2012 ähnlich wie das Vorjahr entwickeln wird. Aktuell zeigt die Kurve nach oben. „Wie jeden Frühling sieht es derzeit freundlich aus“, beschließt Stener seinen Marktbericht versöhnlich.

Finnlands Sägeindustrie im „Todeskreis“

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Flagge Finnland © Archiv

Dramatisch klingt dagegen Kai Merivuoris Einschätzung zur Lage der finnischen Sägeindustrie. „Die Forstwirtschaft sollte sich gut überlegen, ob sie die Sägeindustrie wirklich umbringen will“, bringt es der Geschäftsführer des finnischen Sägeindustrieverbandes auf den Punkt. Die Situation seiner Mitgliedsbetriebe habe sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals verschlechtert.
Die Rundholzpreise sind nach einem Zuwachs zu Jahresbeginn wieder ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres. Die Schnittholzpreise liegen dagegen um 10 €/fm niedriger als im I. Quartal 2011. Finanziell stehen nun zahlreiche Betriebe mit dem Rücken zur Wand. „Wenn wir die Preise nicht um 15 €/m³ anheben können, wird es auch in Finnland Insolvenzen geben“, warnt Merivuori. Die Betriebe hätten keine Puffer mehr. Finanzielle Ressourcen seien in den vergangenen Jahren weggeschmolzen. Unlängst kündigte sogar UPM Timber an, drei Standorte zu verkaufen oder gegebenenfalls zu schließen. Die finnische Wirtschaftszeitung Maaseudun Tulevaisuus titelte daraufhin mit „Sägebranche steht im Todeskreis“.
Merivuori erkennt die Wirtschaftskrise als Grund für die finnische Bredouille. Rund 60 % der Schnittholzproduktion werden exportiert. „In Spanien, Portugal, Griechenland oder Irland gibt es aber noch keine Erholung“, gibt der Verbands-Geschäftsführer die düsteren Erfahrungen seiner Mitglieder wieder. Nordamerika zeige zwar Zeichen der Erholung, das geschehe aber viel zu langsam. Ähnliches gilt für Japan, das „hoffentlich“ in der zweiten Jahreshälfte zulegen werde.

Meinung auf den Punkt gebracht

„Der Forst greift mit seinen Rundholzpreisen direkt in das Eigenkapital der Betriebe.“
Dr. Klaus Böltz, BSHD-Präsident

„Um jeden Euro, den Restholz billiger wird, müsste eigentlich auch Rundholz fallen.“
Reinhard Hagenah, VDS-Präsident

„Es wird in Schweden weitere Sägewerksschließungen geben – freiwillig oder nicht.“
Bertil Stener, Schwedischer Holzindustrieverband

„Die Forstwirtschaft soll sich gut überlegen, ob sie die Sägeindustrie wirklich umbringen will.“
Kai Merivuori, Finnischer Sägeindustrieverband