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So soll das HoHo Wien nach Fertigstellung aussehen © cy architecture OG

Wien baut 84m-Holzhochhaus

Ein Artikel von Hannes Plackner | 10.03.2015 - 14:10
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Erste Skizze?von ArchitektUniv.-Prof. Rüdiger Lainer © Lainer

Was sind schon zehn Geschosse in Australien oder vierzehn in Norwegen? Der nächste Meilenstein im Rennen des höchsten Holzbaus hat 24 Stockwerke, steht in Wien und ist 84 m hoch (Details s. Infokasten). Läuft alles, wie geplant, beginnt der Bau noch dieses Jahr und soll 2017 abgeschlossen sein.
Hinter dem Projekt steht Immobilieninvestor Günter Kerbler. 60 Mio. € steckt er in das Projekt. Der Holzkurier traf ihn und Caroline Palfy, die Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaft, zu einem ersten Interview über das Megaprojekt, das die Berichterstattung noch eine Weile begleiten wird.

Leuchtturm im neuen Stadtteil

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So soll das HoHo Wien nach Fertigstellung aussehen © cy architecture OG

Der Turm wird in der Wiener Seestadt Aspern errichtet, einem der ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Bis 2020 entstehen dort Wohn- und Arbeitsplätze für 20.000 Menschen. Die Kerbler Gruppe erwarb einen Bauplatz und entschloss sich, in Holz zu planen. Damit überraschte er die Branche. Wie kommt ein Immobilieninvestor auf Holz? „Weil es ein innovativer Baustoff ist. Er verbindet Nachhaltigkeit mit einem guten Raumklima. Ich hab‘s gerne.“

Bislang war Kerbler in Wien vorwiegend bei Altbausanierungen und Dachgeschossausbauten aktiv. Ein Bürohochhaus ist eine Neuigkeit. „Daher haben wir uns überlegt, wie wir attraktiv und neu bauen können“, erklärt Baumeisterin Palfy. Immerhin müssen Mieter an den Stadtrand im Osten gelockt werden. Einem nachhaltigen, massiven Holzbau soll das gelingen.
Ein Kernteam aus Palfy, Tragwerksplaner Dr. Richard Woschitz und Hochhausarchitekten Univ.-Prof. Rüdiger Lainer arbeitete einen Entwurf aus. Das statische System besteht aus vier Grundelementen. Vertikal kommen BSH-Elemente zum Einsatz. Die Decken bestehen aus Brettsperrholz-Beton-Verbundelementen.

Anders als in der Holzwelt häufig angenommen, sei es kein großes Problem gewesen, das Hochhaus in Holz zu planen. „Wir haben von Anfang an mit den Behörden kommuniziert und uns an die strengen Auflagen gehalten“, sagt Palfy. Größtes Thema ist der Brandschutz, der aber durch bauliche Maßnahmen erfüllt wird. Mitte April wird das Ansuchen um Baugenehmigung eingereicht. Mit der Bewilligung rechnet das Projektteam im Sommer. „Dort wird es eine Auflage über die Brandversuche geben. Sobald diese abgesegnet sind, wollen wir zu bauen beginnen“, erklärt die Projektleiterin. „Seiten der Behörde gab es ein konstruktive Miteinander. Selbstverständlich werden wir die diversen Auflagen in den nächsten Monaten durch Tests nachweisen. Für uns als Investor steht der Personenschutz im Vordergrund. Daher ist etwa auch der Einsatz einer Sprinkleranlage sinnvoll“. Wichtig ist den Planern zudem, dass das Holz sichtbar bleibt. Eine Kapselung hinter Gipskartonschichten soll nicht nötig sein.

Brandschutzplaner Alexander Kunz, Hochhausarchitekt Lainer und Tragwerksplaner Woschitz waren von Beginn in die Entwicklung des Projekts involviert und haben „tolle Arbeit abgeliefert“ (Kerbler).

3000 m³ Leimholz

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"Hochhäuser, die zum Großteil aus Holz bestehen, gibt es kaum. Wir sind Pioniere." (Günter Kerbler)?Wir haben uns überlegt,wie wir attraktiv und neu bauen können.?(Baumeisterin Caroline Palfy) © Kerbler Gruppe

Noch keine Entscheidung gibt es zum Lieferanten der Holz- und Holz-Beton-Verbundbauteile. Klar ist für Palfy, dass es mehr als ein Unternehmen braucht. „Es gibt im Holzbau keinen, der groß genug wäre, das alleine zu bauen“. Es soll in erster Linie Fichten-Leimholz zum Einsatz kommen. Die Verwendung von Buchen-Furnierschichtholz (Baubuche) wird aber ebenfalls geprüft. In Summe werden 3000 m³ Holz verbaut. Das entspricht 125 m³ pro Geschoss. Die Dimensionen sind beeindruckend. Laut jetzigem Stand der Planung wären die Grundpfeiler im Erdgeschoss 96 mal 36 cm stark (bei Ausführung mit Fichten-BSH). Starke Holzelemente und insbesondere Brettsperrholz kommen beim Investor gut an: „Ich will massiv in Holz bauen. Von Brettlhütten – also Holzrahmenbau – halte ich weniger“, erklärt Kerbler.

Im Vorjahr hat die Kerbler Gruppe zwei österreichische Fertighausunternehmen mit Renommee im Massivholzbau übernommen: Schachnerhaus im steirischen Niederöblarn und Wigo im Kärntner Feldkirchen. Das stehe aber nicht im Zusammenhang mit dem 24-Geschosser. Dessen Holzbauleistungen werden offen ausgeschrieben. Aus Sicht der Investoren ist die Versorgung mit den BSP oder BSH kein Problem. „Alle Produkte, die wir für das Holzhochhaus brauchen, gibt es am Markt“, sagt Palfy.

Statisches Konzept des Holzhochhauses

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Betonkern wird von Holzkonstruktion umhüllt © Kerbler Gruppe

Das Holzhochhaus (HoHo Wien) besitzt einen zentralen Betonkern, dem eine Holztrag- und -fassadenstruktur vorgesetzt werden. Das Holztragsystem besteht aus drei vorgefertigten Elementen: HBV-Decken, Randträgen und BSH-Stützen.

Für die HBV-Deckenelemente werden BSP-Platten mit lokalen Vergussaussparungen und Klappeisen schubsteif mit Beton verbunden. Randträger werden im kraftschlüssigen Verbund mit Decken und Stücken über Vergussbereiche ausgeführt. Die BSH-Stützen besitzen eine vertikale Zugverankerung durch eingeklebte Eisen und Verguss im Hüllrohr mit dem Randträger.

Der Erschließungskern mit zugehörigen Stiegenhäusern, sechs Aufzugsschächten und Erschließungsgängen wird in aussteifendem Stahlbeton ausgeführt.

Die Holzelemente werden im Werk vorgefertigt und als Ganzes an die Baustelle geliefert. Der Stahlbeton wird vor Ort hergestellt. Außen ist eine Putzfassade vorgesehen. Unverkleidet sichtbar bleiben Holzoberflächen. Drei Brandschutzmaßnahmen sorgen für Sicherheit (F90): Überdimensionierung, kleinere Brandabschnitte und eine Sprinkleranlage.

Die Bauzeit bis zur Fertigstellung ist auf zwei Jahre anberaumt.

Weltweite Berichte über „world‘s tallest wooden skyscraper“

Gegenüber einer klassischen Bauweise rechnet Kerbler mit 10 % Mehrkosten. Trotzdem lasse sich damit eine Rendite erwirtschaften, wenngleich auch „sicher keine 10 %, aber doch eine bürgerliche“, wie er es ausdrückt. „Holz“ und „Nachhaltigkeit“ werden von den Immobilienvermarktern offensiv als Marketingargumente verwendet – und zwar mit Erfolg. Nach einer Pressekonferenz griffen alle bedeutenden österreichischen Medien das Thema auf. Das war erst der Anfang. Holzbau Austria, ein Schwestermagazin des Holzkurier, übersetzte die Meldung ins Englische und teilte sie über soziale Netzwerke. Auf diese Weise wurde der englische Guardian („Vienna plans world‘s tallest wooden skyscraper)“ auf das HoHo Wien aufmerksam. Von dessen Website verbreitete sich die Meldung binnen Tagen global. Die ganze Welt weiß nun nicht nur, dass es möglich ist, ein Hochhaus in Holz zu bauen, sondern auch, dass Wien Zentrum dieser Entwicklung ist. Das hat zwei Auswirkungen: Palfy berichtet von sehr hohem Interesse an den vermietbaren Flächen und Kerbler rechnet mit regelrechtem Baustellentourismus. Dass er mit seinem jüngsten Projekt solche Aufmerksamkeit verursacht, gefällt ihm sichtlich. „Wir sind Pioniere im Holzhochbau. Ich habe immer schon neue, teilweise verrückte Ideen unterstützt“, erklärte er vor der versammelten Presse bei der Präsentation des Projekts.

Bausystem wird nicht patentiert

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Fünf Schritte braucht es, um beim 24-Geschosser "HoHo" einen Knotenpunkt aus den drei Grundelementen Decke, Stütze und Randträger herzustellen © Kerbler Gruppe

Finanziert wird das Vorhaben von der Erste Bank mit einem Fremdkapitalanteil von rund zwei Dritteln. Den Rest stemmt Kerbler. Trotz des finanziellen Risikos ist er optimistisch. „Ich fühle mich mit dieser Sache wohl. Es ist ein Bauwerk, das ich guten Gewissens meinen Nachkommen hinterlassen kann.“ Sollte das Konzept aufgehen, wären Nachbauten keine Überraschung. Es wird nichts patentiert. Für Kerbler ist HoHo ein Leuchtturmprojekt. Weitere Holzhochhäuser sind von der Kerbler Gruppe vorerst nicht geplant.

Seestadt Aspern

Auf dem ehemaligen Wiener Flugfeld Aspern werden bis 2028 10.500 Wohnungen für 20.000 Menschen und Betriebsstätten für 15.000 Büroarbeitsplätze sowie 5000 Arbeitsplätze in Gewerbe, Wissenschaft, Forschung und Bildung errichtet.

Ein erster Holzbau in der Seestadt Aspern ist kurz vor Fertigstellung. Im Juli wird ein sechsgeschossiger Holzbau mit 213 Wohnungen bezogen. Dessen Außenwände sind in Holzriegelbauweise ausgeführt, die Fassade ist mit Lärche verkleidet.