14272723338667.jpg

Diskussion mit Berater Dr. Franz-Josef Lückge, Dr. Norbert Heidingsfeld (Landesforsten Rheinland-Pfalz), DeSH-Präsident Steffen Rathke, Moderator Dr. Klaus Böltz, Jerg Hilt (Forstkammer Baden-Württemberg), Unternehmer Lutz Schmelter und Klenk-Finanzvorstand Jörg Artmann (v. li.) © Angelika Aschenbach

Wie viele Sägewerke müssen noch weichen?

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 25.03.2015 - 09:53
Der 2. AGR-Rohstoffgipfel und der 10. DeSH-Sägewerkskongress in Darmstadt zeigten vergangene Woche das leider gewohnte Bild einer ertragsschwachen Branche. Deutsches Nadelrundholz ist rar und teuer. Während immer mehr kleine Sägewerke schließen, stellt sich bei den großen noch kein Kapazitätsabbau ein. Trotzdem rechnet man langfristig mit sinkenden Rundholzpreisen. Der Grund dafür liegt jenseits der Grenzen.

Das Ringen um die deutsche Fichte

14272723338667.jpg

Diskussion mit Berater Dr. Franz-Josef Lückge, Dr. Norbert Heidingsfeld (Landesforsten Rheinland-Pfalz), DeSH-Präsident Steffen Rathke, Moderator Dr. Klaus Böltz, Jerg Hilt (Forstkammer Baden-Württemberg), Unternehmer Lutz Schmelter und Klenk-Finanzvorstand Jörg Artmann (v. li.) © Angelika Aschenbach

Im Mittelpunkt des Rohstoffgipfels der Arbeitsgemeinschaft der Rohholzverbraucher (AGR) standen die Ergebnisse der 3. Bundeswaldinventur (BWI3). Erhebungsleiter Dr. Heino Polley vom Thünen-Institut für Waldökosysteme wies auf Diskrepanzen beim „Brotbaum Fichte“ hin. Diese mache 25 % der Waldfläche, 33 % des Vorrats und 38 % des Zuwachses aus. Deutschlands Einschlag besteht aber zu 51 % aus Picea abies. Fichten aus deutschen Wäldern könnten mittelfristig Mangelware werden, warnte Polley: „Nachhaltigkeit sieht anders aus.“ Gleichzeitig sieht er den Waldumbau zu klimastabilen Mischwäldern als Risikovorsorge. „Es läuft auf die alte Frage hinaus, ob Wälder entsprechend der Nachfrage gestaltet werden sollten oder sich die Holzindustrie entsprechend des Angebotes aufstellen muss.“ Verarbeiter seien dank technischer Innovation und kürzerer Abschreibung flexibler.
Fraglich ist, welches Mobilisierungspotenzial besteht.

Martin Redmann, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Unique Forestry and Land Use, rechnete vor, dass Baden-Württembergs Fichte gleich viel Erlös bringt – egal, ob man sie mit 40 cm oder 65 cm Zopf erntet. Im Gelände über 30% Neigung sinkt der Deckungsbeitrag sogar, wenn man sie wachsen lässt. Die häufige Aussage: „Ich lass das Holz stehen, weil im Wald bekomm ich Zinsen“, sei ökonomisch nicht richtig. „Waldbesitzer müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich Fichten mit der Zeit entwerten können“, empfahl Redmann. Direkte Aussagen aus den BWI3-Landesdaten abzuleiten, sei für die Versorgung eines Sägewerks unseriös. Es müsse regional analysiert werden. Das könne zu harten Entscheidungen führen (Desinvestition, Standortverlagerung), weil regional und überregional zu geringe Holzmengen zur Verfügung stehen.

Konsolidierung: 8 % könnten reichen

Unumstritten ist die Meinung zu Außernutzungstellungen. AGR-Präsident Leonhard Nossol forderte den „sofortigen Stopp weiterer Flächenstilllegungen“. Der hohe Bedarf an Nadelholz gehöre möglichst aus Deutschland gedeckt. Die Konsolidierung werde zwar weitergehen, es sei aber ein Unterschied, ob 90 % oder 80 % der Betriebe überleben. Mengenmäßig ortete Nossol den Konsolidierungsbedarf bei rund 8 %. Das entspricht Deutschlands Nadelsägerundholz-Außenhandelsdefizit von 3 Mio. fm/J. „Der Anpassungsbedarf ist vielleicht gar nicht so groß, wie immer getan wird.“

Gegenwärtig schließen vorrangig kleine Sägewerke. Das sei aber am Markt kaum spürbar. „Die Zieglers und Ilims dieser Welt machen eine Schicht mehr und saugen auf, was die Kleinen übrig lassen“, brachte es Nossol auf den Punkt. Konsolidierung könne nicht über Kleinbetriebe geschehen. Er rechnet mit weiteren Übernahmen bei Großsägern.

Interessant waren in diesem Kontext Einblicke von Jörg Artmann. Der Finanzvorstand von Klenk Holz, Oberrot/DE, bestätigte, dass ursprünglich auch die Übernahme der Rettenmeier-Standorte verfolgt wurde. Wäre dies gelungen, hätte es „sicher eine Bereinigung in der Gruppe gegeben“, schilderte Artmann. Rettenmeier ging aber bekanntermaßen an die Cordes-Gruppe. Daher wird auch bei Klenk vorerst an allen Standorten festgehalten. Die Schließung von Wolfegg sei momentan kein Thema, sagte Artmann. „200.000 fm Jahreseinschnitt wären ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Keine Entspannung beim Rundholzpreis – vorerst

Sollten keine Kalamitäten eintreten, erwartet zumindest der Forstbesitz im laufenden und kommenden Jahr keine signifikanten Preissenkungen bei Nadelrundholz. „Die Kostenschere zwischen hohen Stammholzpreisen und Produkterlösen bleibt offen“, konstatierte Lars Schmidt, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutsche Säge- und Holzindustrie (DeSH). Langfristig müsse es aber eine Trendwende geben. „Es kann nicht sein, dass wir uns im offenen Markt völlig von umgebenden Märkten abkoppeln“, sagte Consultant Dr. Franz-Josef Lückge in Hinblick auf das günstigere Rundholz in Frankreich, Osteuropa oder Skandinavien. Mittel- bis langfristig müsse sich der Rohholzpreis international anpassen. „Geschieht das nicht, wird die Industrie im Inland nicht überstehen“, warnte der Marktexperte.

Ministerium sagt: Stilllegungsziel ist erreicht

Eine etwas absurde Diskussion entbrannte zur Frage der Flächenstilllegungen. Mark Harthun vom Naturschutzbund (Nabu) Hessen vertrat die Meinung, dass erst gut 2 % der Waldfläche außer Nutzung, 5 % aber das Mindestziel seien. Dem widersprach Dr. Axel Heider vom BMEL coram publico. „Laut Lesart des für Waldpolitik innerhalb der Bundesregierung zuständigen BMEL und des Ministers sind 5 % Flächenstilllegung bereits erreicht“, stellte er klar und bezog sich dabei auf die Ergebnisse der BWI3. Tatsächlich finde auf 9 % der deutschen Waldfläche keine oder nur eine sehr eingeschränkte Nutzung statt. Seitens der Bundesregierung gibt es offenbar daher keinen Druck zu ausgeweiteter Außernutzungstellung.

Der realpolitisch mächtige Nabu fordert neben Stilllegungen aber weitere Einschränkungen in der Waldbewirtschaftung. Deutschlands Staatswald sei „zu jung, zu dünn und zu nackig“, sagte Harthun – und widersprach damit diametral der Einschätzung des AGR („zu alt und zu dick“, s. Holzkurier Heft 42/14, S. 5). Harthuns Forderung lautete: Buchen sollten nicht schon nach 140 Jahren geschlagen werden, sondern einzelne auch mal 300 Jahre alt werden. „Die zweite Lebenshälfte der Bäume fehlt in unseren Wäldern fast völlig“. Zudem habe der Nabu ein „Pro­blem mit der Douglasie“. Langfristig sei ihre Resistenz gegenüber Schädlingen unbekannt. In Schutzgebieten soll sie daher nicht angepflanzt werden dürfen, verlangt der Nabu. „Die Tanne ist uns da wesentlich sympathischer“, bot Harthun als Alternative.

Reserven bei Buche

Die Situation der Laubholzverarbeiter ist entspannter als bei Nadelholz. Anhaltende Rundholzexporte sorgen aber für Aufregung. Insbesondere in Hafennähe sei die Versorgung deutscher Sägewerke schwierig, berichtete Michael Nied, Sprecher der Laubholzindustrie. Auf Initiative von Frankreich, das vom Rundholzexport noch stärker betroffen ist, wird eine Initiative für EU-Ausfuhrquoten erwogen. Exporte sollen auf dem Niveau von 2010 eingefroren werden. Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen. Fraglich ist, ob die EOS-Vertretung in Brüssel mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist. „Lobbying für Ausfuhrquoten wäre teuer und würde erst in drei oder vier Jahren wirksam“, warnte DeSH-Präsident und Laubholzsäger Steffen Rathke. Ihn und seine Kollegen erwarten zudem Probleme mit der Esche (Triebsterben im Norden, Zwangsnutzung im Süden). Bei der Buche gibt es laut Aussage von Norbert Remler von den Bayerischen Staatsforsten noch Reserven im Inland. Allein sein Arbeitgeber verfüge in den unbeliebten Stärkeklassen 3a/3b über Potenzial für 50.000 fm/J. Im Spessart warten weitere 16.000 fm/J Buchenrundholz, welches aufgrund der geringen Nachfrage in Deutschland in das Ausland verkauft wird.

Kongresssplitter

„Hoher Rohstoffpreis trübt Prognosen“
Anlässlich des Sägewerkskongresses wies der DeSH erneut auf die angespannte Ertragslage hin. 2014 startete vielversprechend. Die Produktion im I. Quartal lag um 14% über dem Vergleichswert. Am Ende blieben davon gerade mal 2,5 %. Ertragsseitig reichte das nicht für eine Entlastung. Problematisch war der „kräftige Einbruch“ bei Sägenebenprodukten-Preisen. Die Erlöse pendelten sich auf dem unbefriedigenden Niveau der Vorjahre ein. Entsprechend niedrig ist die Investitionsneigung. „Ich sehe nicht, wie sich Unternehmen mit Blick auf die Preisschere Investitionen oder gar Forschung und Entwicklung leisten sollen“, meinte DeSH-Geschäftsführer Lars Schmidt.

„Ressourceneffizienter“ Naturschutz gefordert
Eine „forstpolitische Fehlentwicklung“ zeigen die Ergebnisse der BWI3 auf. Das attestierte die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR) anlässlich des 2. Rohstoffgipfels. Im Jungwald wachsen schlichtweg zu wenige Nadelbäume, lautet die zentrale Botschaft. Pauschale Flächenstilllegungen, wie in den Nationalparken Nordschwarzwald und Hunsrück-Hochwald, schwächen die Wirtschaft. Einmal weggebrochene Arbeitsplätze kehren nicht mehr nach Deutschland zurück, warnt die AGR. Zudem wiederhole man die langjährige Forderung nach höheren Lkw-Transportgewichten. Im Vergleich zu Nachbarländern und Skandinavien sei Deutschlands Forst-Holz-Branche nach wie vor benachteiligt.

350 Teilnehmer aus fünf Ländern in Darmstadt
Darmstadt beherbergte den 2. AGR-Rohstoffgipfel und den 10. Internationalen Kongress der Säge- und Holzindustrie am 17. und 18. März. Es begann mit dem Rohstoffgipfel und ging nahtlos in den Sägekongress über. Kooperationspartner des Rohstoffgipfels war der Deutsche Forstverein. Die Veranstalter registrierten 350 Teilnehmer aus den deutschsprachigen Ländern, sowie aus Frankreich und Belgien. Networking war beim Feierabendbier (welches erneut vom Holzkurier gesponsert wurde – Prost!) und am folgenden Branchenabend angesagt.