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Lutz Schmelter neben einem Paket KVH und mit dem Sauerländer Wald im Hintergrund, der immer noch die Schneise des Orkans Kyrill zeigt © Hannes Plackner

Wachsen in der Krise

Ein Artikel von Hannes Plackner | 16.12.2015 - 08:21
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Lutz Schmelter neben einem Paket KVH und mit dem Sauerländer Wald im Hintergrund, der immer noch die Schneise des Orkans Kyrill zeigt © Hannes Plackner

Das Sauerland ist neben dem Alpenvorland die zweite große Agglomeration von Sägewerken in Mitteleuropa. Lange Jahre boomte die Branche. Der Orkan Wiebke und die Wiedervereinigung waren die Zutaten, aus denen die Sägewerke gute Gewinne schöpften. Doch 25 Jahre später sind die Vorzeichen andere. Seit 2008 hangelt sich die Konjunktur von einer Krise zur nächsten (Subprime-, Euro- ect.) und spätestens nach Aufbrauchen der Kyrill-Sturmholzmengen ist eine empfindliche Überkapazität an Sägewerken evident. In so einer Gemengelage gelingt es nur wenigen zu wachsen. Schmelter Holz ist einer davon. Erst vor zehn Jahren wurde das Sägewerk um die erste Keilzinkenanlage ergänzt. Heute erzeugt das 70 Mitarbeiter-Unternehmen Bauholz, KVH, Duo-/Triobalken und BSH. Das fast komplette Massivholzsortiment für den Holzbau ist ziemlich einmalig.
Das hätte anders kommen können. 2003 diskutierte der heutige Geschäftsführer, Lutz Schmelter, mit seinem Vater Hans-Josef über die Zukunft und Übergabe des Betriebes. „Eine Schließung wäre auch eine realistische Option gewesen“, erinnert er sich. Gut, dass er sich anders entschied, denn es folgten intelligente Expansion und engagiertes Unternehmertum.

Bauholzsägewerk auf engem Raum

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Das regionale Rundholz wird bei Schmelter zu Bauholz (Werk Saalhausen) sowie KVH und BSH (Werk Oedingen) verarbeitet © Hannes Plackner

Schmelter lädt zur Führung durch das Sägewerk, das sein Großvater 1955 übernommen hat. Dieses nimmt gerade mal 9000 m² ein. Ein Rundholzlager hat hier keinen Platz. Die Stämme werden just in time vom Waldlager angeliefert. Beim Besuch lädt ein Lkw gerade 20 m lange Fichten ab. Die Qualität ist top. Käferholz kommt zu wesentlich geringeren Mengen an als in Süddeutschland.
„Wir schneiden nur nach Auftrag“, erklärt Schmelter beim Betreten des Bedienstands. Ein Monitor zeigt dem Mitarbeiter das Ergebnis der Vermessung und schlägt Kappstellen vor. Die daraus erzeugten Abschnitte sind bis zu 14 m lang. Verarbeitet werden die 12 bis 65 cm starken Stämme in einer Schwachholz-Spanerlinie oder einem Gatter. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter stapelt Haupt- und Seitenwarenprodukte ab. Bis hier ist es ein eingespieltes, typisches Bauholzsägewerk. Doch Schmelters Betrieb wird nicht als Sägewerk, sondern als Holzindustrie des Jahres ausgezeichnet. Das liegt auch am 15 min entfernten zweiten Standort.

Kommissionen wie kaum ein Zweiter

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Typische Ladung an KVH, BSH und Bauholz, die von Schmelter kundenindividuell gefertigt, etikettiert und ausgeliefert wird © Hannes Plackner

Auf dem Gelände der ehemaligen Bundeswehrkaserne Oedingen hat Schmelter ein Hightech-Weiterverarbeitungswerk aufgebaut. Bevor wir uns aber in technischen Details verlieren, lohnt ein Perspektivenwechsel von den (im Holzkurier so gern gezeigten) Maschinen hin zu den Kunden.
Holzbauunternehmen haben heute den Anspruch, projektbezogen einzukaufen. Sie übermitteln eine Holzliste – etwa für einen Carport oder Dachstuhl. Die Ware soll am besten binnen ein paar Tagen beim Holzbauunternehmer oder im Abbundzentrum sein. Und zwar so, dass sie der Kran gleich in der richtigen Reihe abstapelt.
Schmelter erfüllt diese Ansprüche in einer Perfektion wie nur wenige in der Branche. „Ich glaube, dass wir in Bezug auf Kommissionen relevanter Massivholzprodukte weit vorne sind“, drückt es der 38-Jährige aus. Das lässt sich an konkreter Kundenorientierung festmachen. Schmelter achtet sehr genau auf Abbundoptimierung und Verschnittfreiheit. Die Holzprodukte passen ganz exakt für die gewünschte Anwendung.
Richtige und gute Beschriftung ist für die Verarbeiter ebenfalls wichtig. Schmelter setzt dies vorbildhaft um. Die Paketetiketten führen für jede Stange deren Dimension, Qualität und sogar die Abbundnummer beim Kunden an. Zudem ist jedes Element stirnseitig ein zweites Mal etikettiert.
Weitere Zutat für Schmelters Erfolg ist seine Liefergeschwindigkeit. „Unsere Kunden profitieren davon, dass wir unsere Produkte alle selbst erzeugen. Auf diese Weise vergehen zwischen Bestellung und Lieferung in der Regel nur fünf bis sieben Tage.“
Das Ergebnis präsentiert sich auf knapp zehn Lkw-Ladebrücken, die am Gelände beladen werden oder auf ihre Abholung warten. Dort sieht man, was Schmelter unter „kleinteiligen Listen“ versteht. Es sind wohl an die dreißig Pakete, die auf dem Anhänger verzurrt werden: einzelne BSH-Pfetten hier, Hunderte Dachlatten dort und obenauf zwei Dutzend KVH-Sparren.
Noch etwas zeichnet den Sauerländer in der Branche aus: professionelles Marketing. Die Homepage ist top. Die Verkaufsunterlagen treten im Corporate Design auf. Sogar auf Facebook ist der Betrieb aktiv.

Meilensteine

1955: Übernahme des Sägewerks der Gebrüder Gastreich durch Josef Schmelter und einen Partner 1969: Mittlerweile im alleinigen Besitz der Familie Schmelter, wird das Werk mit einem Gatter und einer Schwachholzsägelinie modernisiert. 1980: Investition in ein Gattersägewerk und einen automatischen Besäumer 1986: deutliche Kapazitätssteigerung mit Spaner-Kreissägenlinie
1998: Erweiterung der Schwachholzlinie für effiziente Bauholzfertigung
2003: Lutz Schmelter steigt in dritter Generation ins Unternehmen ein.
2004/2005: Kauf des ehemaligen Kasernengeländes in Lennestadt-Oedingen und Aufnahme der KVH-Produktion
2006–2009: Investitionen in Trockenkammern, ein Blockheizkraftwerk, Lagerkapazitäten und eine BSH-Fertigung
2012: Erweiterung des Produktportfolios bei Brettschichtholz und erneuter Ausbau der Produktionskapazitäten in Oedingen

Beispielgebende Technik

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Das regionale Rundholz wird bei Schmelter zu Bauholz (Werk Saalhausen) sowie KVH und BSH (Werk Oedingen) verarbeitet © Hannes Plackner

Hinter der kundenorientierten Listenfertigung steht Hightech. Angesichts der Auszeichnung öffnet Schmelter erstmals die Tore für eine Fachzeitschrift. Hier läuft vieles wie ferngesteuert (ist es auch). Der Leitrechner von Timbertec sagt zunächst dem Staplerfahrer, welche Dimension er zur Aufgabe bringen soll. Die Qualitätsbeurteilung übernimmt ein geschulter Mitarbeiter. Eine Anordnung von Weinig Grecon-Maschinen erledigt das Auskappen der Fehlstellen, die Keilzinkung und das Ablängen auf die Ziellänge. Auf der 2012 installierten Kompaktkeilzinke werden ausschließlich KVH-Querschnitte verarbeitet. Weiter hinten in der Halle befindet sich die ältere Taktanlage, die vor allem BSH-Lamellen erzeugt. Diese werden über eine komplizierte Mechanisierung zur BSH-Presse (beides Leiße) befördert. Lamellen- und Binderhobel stammen von Ledinek. Was so einfach klingt, ist eine Symphonie aus Kapazitäten, Produktparametern und Auftragsständen, die vom Leitrechner dirigiert wird. Jede Lamelle wird auf ihrem Weg durchs Werk verfolgt – etwa um sie im Falle einer Decklamelle bei BSH vor der Presse automatisch zu wenden.
Am Ende kommen die Produktionsstränge von BSH und KVH wieder zusammen. Jetzt kommt ein Schlüsselprozess – die Vereinigung zum Paket. Ein mit Saugbalken ausgestatteter Kran hebt Stück um Stück zusammen. Mehrere Pufferplätze nutzt er, um die Elemente zwischenzustapeln. „Das läuft automatisch, aber man kann jederzeit eingreifen“, sagt Schmelter. Gesagt, getan: Per Mausklick zwingt er den Rechner, ein Paket zu priorisieren. Das bringt zwar das austarierte System der Pufferplatzbelegung kurz in Probleme, aber schon nach wenigen Minuten hat das System den lästigen menschlich Eingriff überwunden und arbeitet wieder selbsttätig.
Fertige Pakete aus dem Leimholzwerk oder Bauholzpakete werden abschließend foliert, verladen und es geht ab zum Kunden.

Die ständige Frage: Was kommt nun?

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BSH von Schmelter © Hannes Plackner

Rohholz rein – Leimholz raus. Schmelters Werk ist eingespielt. „Die Produktion ist optimiert, da bin ich zufrieden“, sagt der Unternehmer. Nun arbeitet er an der Frage: „Was kommt als Nächstes?“ Der Sauerländer will wachsen, will weiterinvestieren und blickt über den eigenen Tellerrand hinaus. Nicht zuletzt deshalb engagiert er sich auch im Vorstand des Verbandes der Deutschen Säge- und Holzindustrie und hat damit einen perfekten Überblick über die Herausforderungen der Branche.
Wohin der Weg führt, ist nicht klar. Schmelter denkt etwa darüber nach, Resthölzer zu veredeln oder weitere Hobelwarensortimente herzustellen, und fragt jeden offen, was er davon hält. Er hat sich sogar Know-how über Brettsperrholz angeeignet. Kurz: Man darf gespannt sein.

Schmelter Holz

Standorte: Lennestadt-Saalhausen (Sägewerk) und Lennestadt-Oedingen (Weiterverarbeitung)
Geschäftsführer: Lutz Schmelter
Mitarbeiter: 70
Sortiment: KVH, BSH, Schnittholz