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"Ein Stück weit kann der Holzbau die Welt besser machen. Mit ihm setzen wir klug auf nachwachsende Rohstoffe."Christian Schmidt, dt. Landwirtschaftsminister, am DeSH-Sägewerkskongress © Gerd Ebner

Viele positive Vorzeichen

Ein Artikel von Gerd Ebner | 25.01.2017 - 07:49
In Deutschland gibt es einen enormen Wohnungsbedarf von rund 1 Million Einheiten. Die Baugenehmigungszahlen sind auf einem Stand, wie sie in diesem Jahrtausend noch nie waren. Drei Millionen Dächer könnten aufgestockt werden – was üblicherweise mit Holz passiert. Hinzu kommt, dass die Verpackungsindustrie nach drei sehr guten Jahren auch für 2017 einiges erwartet (s. Link). Diese am 12. und 13. Januar in Berlin am DeSH-Sägewerkskongress präsentierten Aussichten ließen zwischen den tollen Vorträgen die Frage aufkeimen: Können wir das überhaupt bewältigen (s. Link)? Das blieb der Konkurrenzbaustoffen nicht verborgen (s.Link).

Rückenwind – was macht man daraus?

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"Ein Stück weit kann der Holzbau die Welt besser machen. Mit ihm setzen wir klug auf nachwachsende Rohstoffe."Christian Schmidt, dt. Landwirtschaftsminister, am DeSH-Sägewerkskongress © Gerd Ebner

„Wir müssen den derzeitigen Rückenwind nutzen“, forderte DeSH-Präsident Carsten Doehring. Rückenwind symbolisierte auch die Anwesenheit von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt am Sägewerkskongress. Schmidt bekräftigte, dass „der Wald nicht nur Biotop ist, sondern im Carlowitz´schen Sinn genutzt werden soll“. Schmidt wolle „gutes Bauen mit Holz unterstützen und in der Charta Holz darauf achten, dass Holz im Bausektor verwendet wird“. Bei derzeit 16 % Marktanteil im Einfamilienhausbau und 2 % im mehrgeschossigen Bau sieht Schmidt „deutlich Luft nach oben“.
Eine Million Wohnungen fehlen in deutschen Ballungsräumen. Dies ist dadurch verursacht, dass alle dorthin wollen, wo der größte Zuzug ist, denn in Deutschland steht auch eine Million Wohnungen leer. Peter Haslinger, Architekturbüro Zone 29, erkennt enormes Potenzial. Innerstädtisch wird es teilweise notwendig, eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten (eigentlich Nichtwohnflächen) zu schaffen. Dort wird man künftig höher und dichter bauen dürfen als bisher. Außerdem wären auf diesen Flächen höhere Lärmemissionen zulässig als auf reinen Wohnflächen.

Aufstockungen sind Turbos

Doch die größten Turbos könnten durch die Aufstockungen entstehen. „Haben die Immobilienbesitzer den ,Bauplatz am Dach‘ schon am Radar?“, fragte DeSH-Geschäftsführer Lars Schmidt zu Recht. Das wäre ein Bauplatz, der sämtliche Erschließungen schon hat und keine Flächenversiegelung mehr verursacht. „Für die Regionen mit starkem Zuzug lautet Antwort, ja“, erläuterte Ulrich Tichelmann von der TU Darmstadt. „Bis zu 1,5 Millionen neue Wohnung könnten alleine über Aufstockung und Nachverdichtung entstehen. Kommt es zu einer Mischnutzung und zu einer Verwendung älterer Gebäude, sind sogar drei Millionen neue Wohnungen möglich.“ Hierfür sei Holz prädestiniert: Es ist leicht, eignet sich für Vorfertigung und verursacht keinen Schmutz.

Vorbild Baden-Württemberg

In der Diskussionsrunde wurde einmal mehr die Erschwernis von 16 Landes-Bauordnungen angesprochen. Dank rot-grüner Landesregierung sticht die neue Bauordnung in Baden-Württemberg hervor. Dort darf man „bis an die Hochhausgrenze in Holz bauen“. Generell wären – bis auf NRW – in Deutschland Fünfgeschosser zulässig. Doch auch NRW wird bald eine moderne Bauordnung haben.

Holzbau ist noch immer Sonderlösung

„Der Holzbau erlebte jüngst eine neue Wahrnehmung. Die Leidensfähigkeit der mit Holz bauenden Architekten muss aber immer noch sehr hoch sein, denn die gesetzlichen Regelungen – mit Ausnahme von BWB – sind verheerend“, beklagte Tom Kaden, Vorzeigearchitekt aus Berlin. „Wir bauen immer Sonderlösungen, nichts ist standardisiert.“ Um das massiv zu ändern, bedürfe es einer starken Lobby, die die Branche einfach nicht hätte.
Auf einen weiteren wunden Punkt verwies Prof. Helmut Zeitter, Wagner Zeitter Bauingenieure: „Viele leistungsfähige Bauprodukte sind Erfindungen von Familienunternehmen. Von diesem Einzelfall über die Zulassung bis zur einer genormten Bauweise vergehen oft Jahrzehnte. Eine genormte Bauweise ist aber nötig, dass Bauträger diese intensiv anwenden.“
Außerdem wäre eine Standardisierung eine Voraussetzung für eine produktneutrale Ausschreibung.
Die Diskussionsrunde in Berlin war zumindest überzeugt, dass es genug große Unternehmen gebe, die hervorragende Holzbauleistungen erbringen können. Ob sich allerdings bei allen Ausschreibungen eine große Anzahl an Anbietern engagiere, sei nicht immer garantiert. Mit der nötigen Standardisierung wäre auch für die Hersteller der Markt viel berechenbarer.

WWF als Mitstreiter

In Berlin kam es zu einer Art Schulterschluss mit dem WWF. „Die Ressourcenkrise der Erde erfordert, dass wir gemeinsam um Lösungen ringen. Der Energiebedarf am Bau ist mit Holz am geringsten. Daher soll tunlichst mit Holz gebaut werden“, forderte Jörg-Andreas Krüger, WWF Deutschland. Er erwartet, dass ein verstärkter Holzbau nicht zu einem höheren Nutzungsdruck führen werde. „Die Nutzungsströme werden sich bald ändern: weniger thermische, mehr stoffliche Nutzung. Es wird wohl auch Laubholz im konstruktiven Bereich geben. Derzeit wird noch viel Laubholz verbrannt.“
„Erstmals haben wir wirklich einen politischen Rückenwind“, betonte Henning Ruser. „Das Potenzial müssen wir erschließen. Wir brauchen aber noch als Branche Geschlossenheit, eine gemeinsame Holzwerbung zu finanzieren.“ „Geld ist jetzt schon da – zumindest auf Landesebene“, ergänzte hier aus dem Publikum Steffen Rathke.