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Gewinnerprodukt: aus natürlichen Reststoffen der Agrarindustrie gefertigter Spritzguss-Sarg von Onora © Dinah Urban

Viele Formen

Ein Artikel von Dinah Urban (für Timber-Online bearbeitet) | 23.12.2015 - 11:48
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Gewinnerprodukt: aus natürlichen Reststoffen der Agrarindustrie gefertigter Spritzguss-Sarg von Onora © Dinah Urban

Die Automobilbranche hat Wood Polymer Composites (WPC) für sich entdeckt. Als Armaturen und Türen vieler bekannter Vehikelhersteller sparen die leichten Werkstoffe Gewicht. Da damit der Treibstoffverbrauch reduziert wird, unterbieten sich die Zulieferer gegenseitig bei der Materialeinsparung. Gleichzeitig tut sich etwas bei der Produktivität. Tayfun Buzkan und Motoki Maekawa von Toyota Boshoku Europe stellten in Köln etwa ein Verfahren zur simultanen Herstellung von Autotürrohlingen samt Befestigungsapplikationen im Formpressverfahren vor. Die wohl größte Spritzgussform für Naturfaser-Verbundwerkstoffe (NFC) steht in den Niederlanden. Onora, ’s-Hertogenbosch, stellt ökologische Särge aus organischen Abfällen zu moderaten Preisen her. Für diese ausgefallene Idee und die professionelle Umsetzung erhielt Unternehmensgründerin Marieke Havermans den ersten Preis des Wood and Natural Fibre Composite Award 2015.
Den zweiten Platz belegte ein Blumentopf aus biologisch abbaubarem Bioverbundwerkstoff mit Agro-Restfasern. Die Erfindung von Millvision, Raamsdonk/NL, dient der schnellen Pflanzung von Agrarpflanzen und sorgt gleichzeitig beim Verrotten für die erste Düngung.
Ebenfalls auf das Treppchen schafften es die finnischen Unternehmen Aqvacomp und Flaxwood. Ihre Blasinstrumente aus zellulosefaserverstärktem Polystyrol kamen bei Musikern und Jury an.

WPC-Boom bei Konsumgütern erwartet

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Die Treppenstürmer des WPC und NFC-Awards mit Sponsorenvertreter Peter von Hoffmann (Coperion) sowie Michael Carus und Asta Eder (2. und 3. v. li., nova-Institut) © Dinah Urban

Dr. Asta Eder vom Konferenzveranstalter nova-Institut, Hürth/DE, informierte die 220 Teilnehmer über die Marktentwicklung in Europa. Lag die Jahresproduktion von extrudierten Produkten aus WPC (hauptsächlich Terrassendielen) 2012 noch bei 190.000 t, rechnet die Expertin bis 2020 mit einem Anstieg auf mindestens 400.000 t. Weit mehr als verdoppeln soll sich die Herstellung von Spritzgussteilen, etwa für Konsumgüter, wie Spielzeuge und Möbel, von 15.000 t auf 100.000 t. Der Einsatz im Automobilbereich wird ihrer Prognose nach ebenfalls anziehen. 2020 rechnet Eder mit 80.000 t Formpressteilen in diesem Sektor.
Der Faseranteil lag 2012 im Mittel bei 52 % für Extrusionsprozesse, 42 % für Spritzgussverfahren und 75 % für Formpressteile. Holzfasern machten davon wiederum 82, 80 und 92 % aus. Hauptproduzent in Europa war Deutschland mit der knappen Hälfte.

Feuerverhalten von WPC

Um WPC für den Bau nutzbar zu machen, ist das Brandverhalten der Werkstoffe ein wichtiger Untersuchungspunkt. Dr. Arne Schirp vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung entwickelt im Rahmen des Projekts Hifivent Methoden zur Herstellung feuerresistenter WPC-Fassaden. Von ähnlichen Vorhaben berichtete Dr. Wayne Song vom Wood-Plastic-Composite-Council of China. In Fassaden finden WPC in seiner Heimat genauso Anwendung wie im Innenausbau.

Richtig bio

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220 WPC- und NFC-Experten und -Interessierte trafen sich in Köln © Dinah Urban

Neben dem Faseranteil kann in WPC und NFC auch der Polymeranteil aus natürlichen Rohstoffen oder recycelten Quellen stammen. Ein Vortragsblock widmete sich der Wiederverwendbarkeit dieser Produkte. Philipp Sommerhuber vom Thünen-Institut für Holzforschung, Hamburg, vermittelte einige Ergebnisse seiner Analysen zur Kaskadennutzung von WPC. Oliver Stübs vom SKZ, Würzburg, stellte eine Möglichkeit zur Deklaration der Umweltverträglichkeit von WPC-Produkten vor.
Mit Grundlagenforschung befasste sich Dr. Nicole Stark vom U. S. Department of Agriculture, Forest Service. Sie untersuchte die Eignung von verestertem Lignin als Bestandteil in WPC. Der Holzstoff bewies nach seiner Modifikation eine Reihe hilfreicher Eigenschaften, wie die geringe Wasseraufnahme. Weitere Forschung zielte auf 3D-Drucktechnologien, Granulatweiterentwicklungen und etwa neue Polymerpartner für die Holzfasern ab. Sylvia Diestel von der Universität Hamburg stellte ein auf thermoplastischem Polyurethan basierendes WPC-Material vor.