14041146735640.jpg

Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher und Geschäftsführer von Zellstoff Rosenthal © Nossol

Verteufelt die Fichte nicht!

Ein Artikel von Hannes Plackner | 17.02.2015 - 13:12
14041146735640.jpg

Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher und Geschäftsführer von Zellstoff Rosenthal © Nossol

Die Holzverbraucher in Deutschland müssen sich auf geänderte Rahmenbedingungen einstellen. Die dritte Bundeswaldinventur (BWI 3) belegt den angehenden Wald-umbau und zwar ausschließlich auf Kosten der Fichte. Wie damit umzugehen ist und welche Gefahren drohen, erklärt Leonhard Nossol im Holzkurier-Gespräch. Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR) ist Geschäftsführer der der Mercer-Gruppe zugehörigen Zellstoff Rosenthal.

Vorratszuwachs ist positiv

Drei maßgebliche Ergebnisse zieht Nossol aus der im Oktober präsentierten BWI 3.
Holzmassenzuwachs um 7 % auf 3,7 Mrd. fm trotz Stürmen á la Kyrill
Zuwachs von Laubbäumen (7 % mehr Fläche) beim gleichzeitigen Rückgang von Nadelholz (–4 %)
mehr altes Holz mit geringerem Marktwert gegenüber schlankeren Bäumen
„Der Waldumbau geht weiter. Es gibt weniger Fichten, aber mehr Totholz“, lautet Nossols Fazit. Dass 9 % der Wälder nicht mehr genutzt werden, besorgt ihn. „Offenbar haben Natur- und Artenschutz Priorität gegenüber wirtschaftlicher und sozialer Nachhaltigkeit. Doch Nutzungsverzicht heißt aus unserer Sicht auch Wertschöpfungs- und Wohlstandsverzicht“, spricht Nossol für die Rohholzverbraucher.
Für Alarmismus seitens „selbst ernannter Umweltschützer“ hat er kein Verständnis. „Die Lage ist keineswegs katastrophal. Der Wald wird nicht übernutzt. Der Einschlag liegt nachhaltig unter dem Zuwachs.“ Was es aber gibt, sei Korrekturbedarf hinsichtlich der Baumartenwahl und übertriebener Flächenstilllegung. „Die BWI 3 bestätigt, dass Deutschlands Wälder in Richtung Laubholz umgebaut und gleichzeitig aus der Nutzung genommen werden.“
Positiv sei hingegen der Vorratsaufbau. Mit 3% hätte der AGR-Präsident gerechnet. Dass die deutschen Wälder trotz Kyrill und weiterer Stürme binnen zehn Jahren um 7 % mehr Holz beherbergen, kam überraschend.

Dritte Bundeswaldinventur

14241754008164.jpg

Infografik Baumartenentwicklung BWI3 © Hannes Plackner

Deutschlands Holzvorrat betrug im Erhebungsjahr der BWI 3 (2012) 3,7 Mrd. fm. Das sind um 7 % oder 240 Mio. fm mehr als bei der vorangegangenen Inventur 2002. Deutschland ist im Mittel mit 336 fm/ha bestockt. Mehr haben in Europa nur Österreich und die Schweiz. Mit Ausnahme der Fichte wuchs der Vorrat aller Holzarten. Gegenüber 2002 gibt es in Deutschland um 49 Mio. fm weniger Fichte (–4 %). Buche (+58 Mio. fm, +10 %), Kiefer (+55 Mio. fm, +8 %) und Eiche (+50 Mio. fm, +16 %) haben zugelegt. Den relativ stärksten Zuwachs gab es bei der Douglasie: +24 Mio. fm. Damit gibt es um 47 % mehr Douglasien als noch vor zehn Jahren.

Fichte: Mehr genutzt,  als nachgewachsen
Der Zuwachs wird nicht vollständig genutzt. Seit 2002 kamen 121 Mio. fm/J dazu. Die mittlere Erntemenge lag aber nur bei 76 Mio. fm. Durchschnittlich wuchs Deutschlands Holzvorrat in den vergangenen zehn Jahren um 15,3 Mio. fm. Dabei gibt es starke Unterschiede je nach Baumart. Bei den meisten Gehölzen liegt der mittlere Nutzungsgrad (Ernte zu Zuwachs) bei 55 % bis 80 %. Fichte wird hingegen mit 115 % übernutzt.

Deutschlands Wald wird älter
Der Starkholzanteil stieg deutlich. Fast der komplette Vorratszuwachs geht auf die BHD-Klasse 50 + zurück. In der stärk- sten ausgewiesenen Klasse (über 90 cm) ist um 52 % mehr Holz vorrätig. Bei Stämmen unter einem BHD von 30 cm hat der Vorrat abgenommen. Das Volumen von Jungbäumen (7 bis 10 cm) schrumpfte um 18 %. Stämme mit einem BHD von 20 bis 29,9 cm reduzierten sich um 8,2 %.

Waldumbau? Ja, aber …

In Deutschland sind Waldumbau und Außernutzungstellung politische Ziele. Zumindest die Umwandlung von Monokulturen in Richtung stabile Mischwälder hält Nossol für sinnvoll. Doch das müsse mit Maß und Ziel geschehen. Dass Fichte verteufelt wird, sei ein Fehler. Trotzdem werde heute zu 70 % mit Laubholz aufgeforstet. Vor allem die – zugegebenermaßen wärme- und trockenheitstolerantere – Buche wird bevorzugt. Aber: „Nur Bäume anzupflanzen, die irgendwann als Brennholz enden, ist Verschwendung unserer nachhaltigen Ressourcen“, bringt es Nossol auf den Punkt.

Kritikpunkt 1: falsche Baumarten

Die Holzverarbeiter können nicht auf ihren „Brotbaum“ verzichten. Nossol zitiert dazu das Bundesforstministerium. In der BWI 3-Ergebnisbroschüre heißt es: „Geht die Fichte weiter zurück, droht damit eine wichtige Säule in der Wertschöpfung der Forst- und Holzwirtschaft und den nachgelagerten Bereichen wegzubrechen. Denn unsere Laubbaumarten sind in ihren technologischen Eigenschaften nicht mit der Fichte vergleichbar …“ Doch in der Praxis wird diese Erkenntnis nicht berücksichtigt. Die Fichte wird „übertrieben untergewichtet“, drückt es der AGR-Präsident aus. Laubholz, vor allem Buche, werde zu 75% verbrannt. Nadelholz, vor allem Fichte, werde zunächst stofflich genutzt und könne am Ende des Lebenszyklus immer noch energetisch genutzt werden. Nur so bleibe das Kohlendioxid gebunden, zählt Nossol bekannte Argumente auf. „Die Fichte ist für alle Nutzer der bevorzugte Baum. Das gilt für Platte, Säge, Zellstoff und sogar Pellets. Es ergibt keinen Sinn, die Fichte systematisch zu entwerten und zu benachteiligen.“ Einen deutschen Wald voll mit Buchen sieht Nossol als „stehendes Brennstofflager“. Dazu sagt er nachdrücklich: „Nein, danke!“

Kritikpunkt 2: falsche Flächenstilllegungen

Das politische Ziel, Wälder aus der Nutzung zu nehmen, wird mit dem Erhalt der Artenvielfalt begründet. Dafür werden volkswirtschaftliche Effekte und Arbeitsplatzabbau in Kauf genommen. Doch Nossol hinterfragt, ob das nötig sei. 4 bis 5 % des deutschen Waldes sind schon in der einen oder anderen Art unter Schutz gestellt. Auf insgesamt 9% der Fläche gibt es keine oder eine eingeschränkte Bewirtschaftung. Der Totholzanteil ist überproportional gestiegen. „Es ist nicht bewiesen, dass Flächenstilllegungen ökologisch sinnvoll sind. Völlig klar aber ist der volkswirtschaftliche Nachteil. Wir haben von unseren Eltern einen Naturschatz bekommen. Es ist unsere Pflicht, diesen zu nutzen und zu schützen“, sagt der AGR-Vorsitzende. Er hofft auf Gehör in Berlin. Immerhin bietet der Cluster Forst und Holz in Deutschland über 1,1 Millionen Arbeitsplätze. Kommt im Inland weniger Rundholz auf dem Markt, wird es importiert. Deutschland wandelte sich in dieser Dekade vom Rohholzexporteur zum Nettoimporteur im „Millionen-Festmeter-Maßstab“. Die Außenhandelsbilanz würde durch Nutzungsverzichte weiter abschmieren. Der Waldumbau sei in mehreren Aspekten berechtigt. Aber: „Eine Kurskorrektur ist nötig. Die Staatsforsten müssen von ihrer Fichtendiskriminierung abrücken“, verlangt Nossol. Eine Mischung von 70 % Nadel- und 30 % Laubholz in der Nachzucht halte die AGR für ausgewogen.

Noch mindestens zwei harte Jahre

Die Nadelholzknappheit bringt die Holzverarbeiter unter Druck. Holzwerkstoff-, Zellstoff- und Papierindustrie haben ihre Kapazitäten in den vergangenen Jahren schon gesenkt. „Der Holzverbrauch der Plattenindustrie ist von einst 16 Mio. fm/J auf 12,8 Mio. fm/J gesunken. Zellstoff und Papier haben 2014 zum ersten Mal seit über zehn Jahren weniger als 10 Mio. fm verarbeitet“, macht Nossol deutlich. Im Sägewerksbereich braucht es noch einen Kapazitätsabbau. Der AGR-Vorsitzende ist aber skeptisch, was das Ausmaß der Überkapazität angeht. „Vielleicht reichen schon 5–10% Korrektur, damit die Betriebe wieder Erträge erwirtschaften.“ Doch das dauere „mindestens noch zwei weitere harte Jahren“, so Nossol. Kritisch sieht der Zellstoffmanager die Pelletsbranche. Dort habe es „sinnlose Investitionen aufgrund eines übertriebenen Optimismus zugunsten erneuerbarer Energien“ gegeben. Während direkt am Sägewerk angesiedelte Pelletswerke sinnvoll sein könnten, hätten Stand-alone-Standorte oftmals keine wirtschaftliche Basis. Die Pelletsindustrie kämpfe mit der Auslastung. Viele schreiben Verluste. Billiges Öl mache das Heizen mit Holz unwirtschaftlich. Gleichzeitig haben sich die Rohholzpreise praktisch nicht geändert. Dass 2014 die deutsche Pelletsproduktion erstmals gesunken ist, passe in dieses Bild.

Bessere Versorgung der Zellstoffwerke

Von allen Primärholzverarbeitern hat laut Nossols Einschätzung 2014 nur die Zellstoffindustrie zufriedenstellende Erträge erwirtschaftet (s. Link 1). Die Versorgung wurde dank günstiger Umstände einfacher: Die Sägeindustrie hat bereits ab dem I. Quartal lebhaft eingeschnitten. Die Mindernachfrage von Zellstoff Pöls sowie Sloweniens und Österreichs Eisbruchmengen des vergangenen Winters machten sich auch in Deutschland bemerkbar. Wegen des milden Winters 2013/14 und des späten Wintereinbruchs nach Weihnachten 2014 wurde weniger Holz verheizt. Die Pelletslager sind voll. Hackgutimporte waren verfügbar. Kapazitätsreduzierungen im Holzwerkstoff- und Papierbereich erleichterten den Einkauf. Zudem hätten einige Betriebe der Holzwerkstoff-Industrien Nadel- durch Laubholz sowie Frisch- durch Altholz substituiert.

Rohstoffgipfel in Darmstadt

14241753969517.jpg

AGR-Rohstoffgipfel © AGR

Wie schon im Vorjahr findet der „AGR-Rohstoffgipfel“ in Kombination mit dem DeSH-Sägewerkskongress statt. Am 17. März wird in Darmstadt zunächst die dritte Bundeswaldinventur analysiert. Unter anderem steht Inventurleiter Dr. Heino Polley Rede und Antwort. Nachmittags wird die digitale Vernetzung der Branche unter dem Schlagwort „Holzindustrie 4.0“ untersucht. Zudem steht die Holzlogistik – inklusive des Dauerthemas Transportgewicht – auf der Tagesordnung. Nachmittags geht die Veranstaltung in den 10. Internationalen Kongress der Säge- und Holzindustrie über. Der abendliche Branchenabend ist Treffpunkt und Netzwerkmöglichkeit.