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Verblautes Holz – neue Ideen sind gefragt!

Ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Rupert Wimmer | 21.11.2011 - 09:07
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Ja, ja, so blau, blau, blau blüht der Enzian“, sang Heino in den 1970er-Jahren. Die Farbe Blau repräsentiert Ruhe, Weite und Tiefe, schenkt Erholung und Entspannung. Das blau blühende Vergissmeinnicht oder das Veilchen gelten als Zeichen für Treue und Verlässlichkeit, das Blau in der Europafahne wird als Symbol des Friedens betrachtet. Ob blaue Stunde, Blaulicht, Blauhelme, blaues Kreuz, blauer Engel oder blauer Brief, das bedeutungsvolle Blau begegnet uns auf Schritt und Tritt. Die Redensart von der „Fahrt ins Blaue“ stammt übrigens aus einer Zeit, als noch häufig blau blühender Flachs anzutreffen war. Machte man einen Ausflug in die Natur, dann fuhr man eben ins Blaue.
Mit Holz kann man auch sein blaues Wunder, ähh, wunderbares Blau erleben. Blauholz, lateinisch Haematoxylum campechianum, ist seit jeher das wichtigste Farbholz – ein immergrüner Baum oder Strauch, der ursprünglich aus Mexiko stammt. Die Farbe selbst ist das Hämatoxylin: Im reinsten Zustand ist es farblos und kristallin. In Kisten bis zu 100 kg wurde einst Blauholz aus New York nach Europa transportiert und fand Verwendung in Färbereien und Tintenfabriken, zuweilen auch in der Medizin oder als Nutzholz in Tischlereien.
Das Blau kann aber auch noch anders ins Holz gelangen – und zwar durch Pilze. Etwa hundert verschiedene Pilzarten sind bekannt, die vor allem im Nadelholz eine bläuliche bis schwarz-graue Färbung erzeugen können. Diese Bläuepilze ernähren sich lediglich von Zellinhaltsstoffen, wie Zucker, Stärke und Eiweiß, greifen jedoch die eigentliche Holzsubstanz nicht an. Die Tragfähigkeit von Bauholz wird von Bläuepilzen nicht beeinträchtigt. Die Wissenschaft hat die Bläue bei Holz in drei Gruppen eingeteilt: jene, die bereits im stehenden beziehungsweise liegenden Baumstamm entsteht, jene, die bei Schnittholz zu finden ist, und zuletzt die Anstrichbläue, die erst nach Wiederbefeuchtung von getrocknetem und verarbeitetem Holz auftritt. Allen drei Gruppen ist gemeinsam, dass die Pilzfäden über Risse in der Rinde beziehungsweise über freigelegte Holzquerschnitte eindringen und im Holz in den radial angelegten Holzstrahlzellen weiterwandern können. Im Holz zwängen sich die Pilzfäden durch die kleinen Ventile in den Zellwänden und landen schließlich in den Hohlräumen der Holzlängszellen. Die Pilzfäden selbst sind zunächst durchsichtig und entwickeln allmählich dunkle Farbpigmente aus Melanin. Dieses Farbpigment kommt auch beim Menschen vor – es verleiht unseren Augen, Haaren und unserer Haut deren typische Farbe. Wenn nun Licht auf das Holz trifft und in die obersten Holzzellen eindringt, dann kommt es durch die dort vorhandenen Melaninpigmente zu einer Lichtbrechung. Das reflektierte Licht, das wir dann wahrnehmen, hat eine bläuliche Farbe. Die blaue Farbe des Holzes ist deshalb ein optischer Effekt aufgrund von Lichtbrechung.
Wenn es sich bei verblautem Nadelholz auch nicht um eine Holzfäule handelt, spricht man dennoch von einem Holz-„Fehler“. Diese Bezeichnung kann nur schwer nachvollzogen werden. Eine „optische Entwertung“ soll das Blau im Holz darstellen, was letztlich eine Frage des Geschmacks ist. Als erwünschter Vorgang ist der Einsatz von Pilzen zur Erzielung bestimmter Verfärbungen bei Holz schon lange bekannt. So wurden bei Laubholzarten gezielte Verfärbungen mit dem Kleinsporigen Grünspanbecherling-Pilz erreicht. Das grünlich-blaue Holz war sehr gesucht und fand in der Zeit der Renaissance bei Intarsienarbeiten Verwendung. Das Farbpigment ist hier das Xylindein, das im Holz sehr lichtbeständig ist. Eine ähnliche Wertschätzung könnte auch durch Bläuepilze gefärbtes Holz erfahren, indem dieses Holz kunstvoll und kreativ eingesetzt wird.
Die Forschung hat sich bislang nur mit der Vermeidung solcher Verfärbungen beschäftigt. Wie wäre es, wenn durch gezielten Pilzeinsatz eine besonders schöne Blaufärbung – in unterschiedlichen Tönen – erreicht würde?
Wenige Beispiele aus Schweden oder den USA zeigen das sehr erfolgreich. Natürliches Farbdesign von Holz. Es wäre ein kreativer nächster Schritt, veraltete Ansichten über „Holzfehler“ durch neue Ideen und Verwertungsmöglichkeiten zu ersetzen.