Unruhiger, naher Hauptmarkt

Ein Artikel von Gerd Ebner | 18.05.2016 - 07:39
Wir leben in einer unruhigen Zeit. Das gilt in der vom Baugeschehen abhängigen Branche wie der unseren umso mehr. Als Spezifikum kommt für die europäische Sägeindustrie hinzu, dass deren wichtigste außer-europäische Märkte Nordafrika und der Nahe Osten – kurz: die Levante – sind. In den jüngsten beiden Holzkurier-Ausgaben analysierten wir das Vorjahr einmal hinsichtlich der großen Importstaaten, das andere Mal der bedeutendsten Exportstaaten. Die „Levante-Triologie“ beenden wir mit dieser kurzfristigen Prognose für 2016 und 2017.
Levante Nadelschnittholz-import | 2012 bis 2017* (in 1000 m3)
2012201320142015Diff.2016**Diff.2016**Diff.
Ägypten4.8004.0505.0205.08015.20025.3002
Algerien1.9602.0402.1702.16001.960–91.950–1
Saudi-Arabien1.9601.9001.8802.01071.950–32.0003
Marokko1.2401.3301.3401.310–21.33021.3502
VAE710770920840–990079506
Iran7107708108100890101.00012
Israel9307506607801882058200
Tunesien47040046048044800460–4
Jordanien360430240130–463001313207
Libyen340340340250–26160–3620025
Gesamt13.48012.78013.84013.850–113.990114.3503

Vorhersage schwierig

Selbst Quartalsvorhersagen sind für so relativ verlässliche Märkte, wie Italien, äußerst schwierig zu treffen. Wie soll man dann Prognosen für Länder treffen, die von Unruhen sowie den Berg- und Talfahrten des Ölpreises gebeutelt werden? Die Levante hat in den vergangenen zehn Jahren immer viel Nadelschnittholz benötigt und die Demografie (sehr junge Bevölkerung) lässt weiterhin einen hohen Bedarf erwarten. Wohnraum muss geschaffen werden – alleine schon der politischen Stabilität willen. Anders ausgedrückt: Man kann diese Region nicht alleine wirtschaftlich beurteilen, sondern muss die Gesellschaftspolitik im Auge haben.

Streng regierter Großkunde

Fast ein Drittel des gesamten Bedarfs der Levante geht nach Ägypten. Mit strenger Hand regiert Präsident as-Sisi das Land. Die Holzkurier-Redaktion sieht ein moderates weiteres Wachstum um jeweils 2 % 2016 und 2017 voraus. Damit würde die Importmenge an Nadelschnittholz auf 5,3 Mio. m3 klettern – insbesondere zur Freude der russischen und skandinavischen Rotholz-Exporteure.

Wirtschaftlicher Abstieg Algeriens

Deutlich wichtiger für deutsche und österreichische Lieferanten ist Algerien. Das 40 Millionen-Einwohnerland importierte in den Vorjahren immer mehr. 2015 gipfelte der Import in fast 2,2 Mio. m3. Heuer muss man von einem deutlichen Rückgang ausgehen. Schon 2015 begann eine drastische Währungsabwertung des Algerischen Dinar gegenüber dem Euro. Seit damals gab der Wert nochmals kräftig nach. Die Inflation galoppiert, die Finanzreserven schwinden … Die Regierung versucht daher, die Devisenausgaben immer weiter zu drosseln. „Algerienschock für einen Tag“, titelte der Holzkurier, als Ende Februar Zollvorteile wegfielen.
Derzeit stockt der Abfluss nach Algerien, weil einerseits die Lager gut gefüllt sind und andererseits dem Baugewerbe langsam die Liquidität ausgeht. Unter anderem wird der algerische Staat damit in Verbindung gebracht, weil dieser für seine Bauprojekte nicht pünktlich bezahle.

Algerien wird weniger

Wir gehen daher heuer von einem 6 %igen Minderbedarf in Algerien aus. Selbst für diese Prognose müsste nach dem Ramadan wieder mehr abgenommen werden. Auf diesem Niveau von rund 1,9 Mio. m3 wird sich der Bedarf dann wohl 2017 einpendeln.

Petrodollars werden weniger

Damit wäre der algerische Bedarf am Niveau des saudischen. Saudi-Arabien muss ebenfalls eine junge Bevölkerung mit Wohnraum versorgen. Trotz geringerer Ölerlöse dürfte das Baugeschehen wohl unvermindert weitergehen. Während Saudi-Arabien 2016 von uns noch turbulenter eingeschätzt wird (–3 %), sollte es sich 2017 wieder erholen. In den ersten Monaten mussten faktisch alle Lieferländer Einbußen hinnehmen.
Auf Platz 4 der Levante-Importstaaten folgt das wirtschaftlich nach oben strebende Marokko. Dessen Bedarf wird weiterhin zunehmen. 2 % pro Jahr erscheinen der Holzkurier-Redaktion realistisch.

Libyen im Prinzip Hoffnung

Ein Land, das zum Leidwesen der österreichischen Sägeindustrie als Abnehmermarkt faktisch wegfiel, ist Libyen. In der unruhigen „Post-Gaddafi-Ära“ erfolgte ein Einbruch auf nur noch 340.000 m3/J (2012 bis 2014). Der faktische Kriegsausbruch ließ den Bedarf auf 250.000 m3 kollabieren. Heuer werden es wohl nur noch 160.000 m3 sein. Die Hoffnung liegt auf der Bildung einer Einheitsregierung, die vorerst für friedliche Verhältnisse sorgen könnte. Dann sollte sich Libyen 2017 langsam wieder bedarfsmäßig erholen.
Seit der Öffnung des Irans erhoffen sich alle Wirtschaftssparten neue Möglichkeiten. Nadelschnittholz wurde immer schon kräftig importiert. Aus politischen Gründen gab es seit Anfang der 1990er-Jahren nur einen Lieferanten: Russland. Die russische Holzindustrie hat daher jetzt die besten Karten.
Nicht ganz unberechtigt sind allerdings auch mitteleuropäische Hoffnungen auf neue Lieferkontrakte. 1990 lieferte Österreich noch 167.000 m3.