14436240776776.jpg

PUR-Klebstoff ist für die Produktion von Massivholzhäusern unbedenklich © Hannes Plackner

Unbedenklich

Ein Artikel von Hannes Plackner | 02.10.2015 - 10:28
14436240776776.jpg

PUR-Klebstoff ist für die Produktion von Massivholzhäusern unbedenklich © Hannes Plackner

Das Thema „gesundes Bauen“ boomt. Eine Kurzrecherche auf Amazon fördert knapp drei Dutzend deutschsprachige Ratgeber darüber zutage. Bei Google gibt es zu diesen Suchwörtern 325.000 Treffer. In der Tagespresse finden sich regelmäßig Artikel zum sogenannte „Sick Building Syndrome“, zu Formaldehyd oder den VOCs (Volatile Organic Compounds, zu Deutsch: flüchtige organische Verbindungen). Diese Kohlenwasserstoffverbindungen haben ein denkbar schlechtes Image. Das strahlt auch auf die Klebstoffe aus. Wenn es „Dämpfe“ gibt, kommen diese aus der Klebefuge, meinen die meisten Konsumenten, die auf Leimholz angesprochen werden (vorab: sie irren – jedenfalls, wenn mit Polyure­than verklebt wird).

Um den Befürchtungen proaktiv gegenüberzutreten, wird nicht nur an wohngesunden und unbedenklichen Alternativen geforscht. Diese werden auch akribisch getestet. Sogar wenn die Gutachter selbst sagen: „Jeder, der sich auskennt, weiß, dass es bei Polyurethan schon von der Chemie her keine Ausgasung geben kann. Aber die Kunden wollen das halt schwarz auf weiß von einem Prüfinstitut sehen.“ Dieser Satz stammt von einem, der es wissen sollte. Peter Tappler ist beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Raumluftqualität. Außerdem leitet er den Arbeitskreis Innenraumluft, welcher die in Österreich gültigen Richtwerte definiert. Trotzdem beauftragte Henkel Purbond, Sempach-Station/CH, eine Untersuchung von PUR-verklebtem BSP. Der Marktführer wollte ein für alle Mal klarstellen, dass seine Klebstoffe unbedenklich sind. Das führte zunächst mal zum Bau eines einzelnen Zimmers.

Das Normzimmer in der VOC-Prüfhalle
Lokalaugenschein: In einer einseitig offenen Halle steht der Kubus aus Brettsperrholz. Er ist 5,75 m lang, 2,3 m breit und 2,55 m hoch. Hinten ist ein Fenster, vorne eine Holztür. Es sieht aus, als hätte man ein Zimmer aus einem Einfamilienhaus herausgeschnitten. Zwei Laborkoffer mit kompliziert wirkenden Analysegeräten verraten, worum es sich hierbei handelt. Die Raumluft wird auf ihre Gesundheitsverträglichkeit untersucht. Im Fokus stehen Formaldehyd, flüchtige organische Verbindungen, sogenannte VOCs und Isocyanate (zur Methodik, s. Kasten).

Isocyanate? Nicht bestimmbar!
Beim Abbinden von Polyurethan verbinden sich Isocyanate mit im Holz vorkommenden Wassermolekülen. Und zwar vollständig. So vollständig, dass bei der Raumluftmessung keinerlei Emissionen nachweisbar waren. Keine Überraschung für den Chemiker: „Isocyanat ist so reaktiv, dass binnen Minuten alles im Holz gebunden wird.“ Die gemessene Raumluftkonzentration an Formaldehyd lag auf „einem sehr niedrigen Bereich, verglichen mit durchschnittlich in Innenräumen anzutreffenden Werten“, hieß es im Prüfbericht. Das ist bei dem formaldehydfreien Klebstoffsystem 1K-PUR kein Wunder.

Mindestens ebenso interessant ist, wo die Prüfgeräte anschlugen. Das war etwa bei Hexanal der Fall oder bizyklischen Terpenen. Klingt nach Chemie, aber der Bericht stellt fest: „All jene Substanzen, bei denen Richtwerte beziehungsweise Geruchsschwellenwerte überschritten wurden, stammen vom verwendeten Holz.“

Das ist jetzt interessant. Natürliches Holz emittiert mehr flüchtige Kohlenwasserstoffe als Klebstoff. Sogar (recht vorsichtig formulierte) Richtwerte werden überschritten. Müssen wir uns also Sorgen machen? „Grundsätzlich nein“, meint Tappler, „mit einer Ausnahme: Kiefer.“

Diskussion zu Kiefer im Wohnraum nötig
Kiefer ist ein beliebtes Holz. Gut zu bearbeiten, stark, günstiger als Fichte. Doch es ist auch harzreich. Harz ist allerdings eine bedeutende Terpenquelle. Vor allem das Alpha-Pinen macht Tappler Sorgen. „Kiefer emittiert dermaßen viel, dass wir die Diskussion führen müssen, ob Kiefernholz für Innenräume geeignet ist.“ Selbst wenn sie in den Mittellagen von BSP zum Einsatz kommt, gast das flüchtige Alpha-Pinen über längere Dauer aus.

Das gilt selbstverständlich nur für Innenräume. In gut belüfteten Werkshallen oder Industriebauten (man denke nur an die 100 m hohen Timbertower-Windkraftwerke mit Turm aus BSP) ist Kiefernbrettsperrholz gänzlich unbedenklich.

Gesundheit steht an vorderster Stelle
Aus Sicht der Bauherrn ist klar: Von den Chemikalien möchte man möglichst wenige in der Raumluft haben. Das Thema begleitet die Leimholzbranche seit Jahrzehnten. Mit dem Boom der Brettsperrholz-Bauweise ist es wieder aufgeflammt. Die Mineralbaubranche verlor (und verliert) Marktanteile im Wohn- und Kommunalbau. Fast alle Probleme, welche die Raumluftqualität betreffen, sind mit modernen Klebstoffen gelöst. Wo es noch Schwächen gibt, sollte sie die Branche proaktiv ansprechen, appelliert Tappler. Sonst werden das früher oder später die konkurrierenden Baustoffe erledigen.

Informationen:  www.raumluft.org
14436240867924.jpg

Chemiker Peter Tappler stellt modernen Klebstoffen ein gutes Zeugnis aus © IBO

Wie die Raumluft überprüft wird

14436240821881.jpg

Hochpräzise Analytik: Im Innenraum werden die Konzentrationen von VOCs und Formaldehyd gemessen © IBO

Um die Emissionen von polyurethan-verklebtem Brettsperrholz in die Innenraumluft zu überprüfen, wurde ein 5,75 m langer, 2,3 m breiter und 2,55 m hoher Raum daraus gebaut. Er verfügte über ein Fenster und eine Tür, die aber mindestens acht Stunden vor der Probenahme fest verschlossen sein mussten.

Die Untersuchung der Formaldehydemission erfolgte nach der Acetylacetonmethode (gemäß Önorm EN 717-1 und VDI 3484 Bl. 2 1). Die Untersuchung auf die flüchtigen organischen Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) geschah nach Önorm M 5700-2 2 beziehungsweise analog der Richtlinie VDI 3482 Bl. 4. Dabei sammeln sich die VOCs und werden mittels Schwefelkohlenstoff eluiert (herausgespült). Die Bestimmung der Verbindungskonzentration erfolgte mittels Kapillargaschromatografie mit gekoppeltem Massenspektrometer.

Die Messungen wurden von IBO Innenraumanalytik, Wien, und die Anbus Analytik, Fürth/DE, durchgeführt

Die Meilensteine bei der PUR-Entwicklung

14436240800733.jpg

Entwicklungsschritte bei PUR © Purbond

Der Schweizer Hersteller Henkel Purbond ist – mit Abstand – Marktführer bei der Verklebung von Brettsperrholz. Das hat mehrere Gründe. Die absolute Unbedenklichkeit auf die Raumluft wird im nebenstehenden Text erklärt. Wichtig ist, dass die (an sich nicht ungefährlichen) Isocyanate praktisch unmittelbar beim Verpressen gebunden werden. Damit ist das Produkt nicht nur für den Anwender unbedenklich, sondern auch schon in der Produktion, da der Dampfdruck sehr hoch ist.

Die moderne Loctite HB-S Purbond-Serie ist ein faserfreier einkomponentiger Polyurethanklebstoff (1K-PUR). Die Aushärtung beginnt erst, wenn die leicht gelbliche Substanz mit der Feuchtigkeit im Holz in Berührung kommt. Davor ist der Klebstoff in Fässern oder Big-Bag-Gebinden problemlos zu handhaben.

Seine Farbe führt dazu, dass der Klebstoff unsichtbar bleibt – egal, ob er in der Keilzinkung oder Fläche zum Einsatz kommt. Mit seiner präzise eingestellten Viskosität lässt er sich berührungslos oder mit einem Auftragskamm applizieren. Henkel Purbond hat in der Vergangenheit die Entwicklung der Auftragstechnik angetrieben und wird das auch in Zukunft tun.

Klebstoff mit Linienzulassung
Präzise einstellen lässt sich auch die offene Zeit. Der HB-S besitzt eine Linienzulassung – das heißt, je nach technischer Ausstattung wird der Klebstoff exakt auf den Kunden abgemischt. Die möglichen offenen Zeiten reichen von 2 bis 70 min.

Viel Zeit steckten die Schweizer in die Zulassungs- und Normungsarbeit. Das führte dazu, dass die Polyurethanklebstoffe von Purbond praktisch weltweit erlaubt sind. Zuletzt wurden die HB-S-Klebstoffe sogar in Japan für Brettsperrholz (JAS Cross Laminated Timber) genehmigt. Konkret wurden für die Flächenverklebung Purbond HB S109 und Purbond  HB S509 zugelassen, für die Keilzinkenverklebung Purbond HB S159. Als Nächstes wollen die Schweizer die komplette Linienzulassung für Japan erreichen. Zehn Jahre hat Henkel Purbond daran  gearbeitet. Dafür wurden nicht nur unzählige Versuche gefahren. Die Schweizer beschicken auch die relevanten Normungsgremien mit ihren Experten – nicht nur in Japan, sondern weltumspannend.

Davon profitiert nicht nur die japanische BSP-Industrie, die gerade in ihren Startlöchern steckt. Es erleichtert etwa, BSP in Österreich zu erzeugen und in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt zu verbauen. Mit dem vor Ort zugelassenen Klebstoff ist der Genehmigungsprozess wesentlich einfacher. Im Endeffekt können davon sogar mitteleuropäische Holzbauunternehmen profitieren, wenn etwa nicht nur unbearbeitete Platten, sondern vorgefertigte Wand- und Deckenelemente exportiert werden.