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BSP im Schubversuch: Prüfkonfiguration nach Kreuzinger und Sieder (2013; li.); Prüfkörper im Prüfgerüst mit lokaler Schubfeldmessung (mittig); Versagensbilder Brutto- und Nettoschub (re.) © Brandner

Schubkenngrößen von BSP bei Beanspruchung als Scheibe

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 02.10.2015 - 10:48
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BSP im Schubversuch: Prüfkonfiguration nach Kreuzinger und Sieder (2013; li.); Prüfkörper im Prüfgerüst mit lokaler Schubfeldmessung (mittig); Versagensbilder Brutto- und Nettoschub (re.) © Brandner

Großformatigkeit, hohe Tragfähigkeit und Steifigkeit im Einsatz als Wand- (Scheiben-) oder Decken- (Platten-)element zusammen mit seinem massiven Charakter prädestinieren BSP als Substitut für massive, mineralische Baustoffe und wesentliche Ergänzung des ansonsten stabdominierten Holzbaus.

Bei Beanspruchung als Scheibe sind dessen ausgeprägte Schubkenngrößen, Festigkeit wie Steifigkeit hervorzuheben. Von Relevanz sind diese bei Anwendungen etwa als aussteifende Wand- und Deckenscheibe, bei auskragenden Scheibenelementen und in Kombination mit großflächigen Öffnungen. Als stabförmiges Tragelement in Verbindung mit Trägerdurchbrüchen, -ausklinkungen und -anschnitten überzeugt BSP ebenfalls mit seinen herausragenden Schubkenngrößen.

Drei Schubversagenstypen
Aufgrund der orthogonalen Schichtung werden bei scheibenartig auf Schub beanspruchten BSP-Elementen drei Versagensmechanismen unterschieden:
    Bruttoschubversagen: Längsschubversagen aller Lagen Nettoschubversagen: Abscheren der Lagen in der schwächeren Scheibenrichtung Torsionsversagen: Schubversagen in den Klebeflächen zwischen den einzelnen Lagen.
Gegenwärtig werden in Europa die Schubkenngrößen von BSP-Scheibenelementen auf Basis der Produktzulassungen individuell geregelt. Deren Kenngrößen basieren überwiegend auf Schub- und Torsionsversuchen, durchgeführt an herausgelösten Einzelknoten, welche einen separierten Spannungszustand wiedergeben und somit das Tragverhalten eines BSP-Scheibenelementes nur bedingt darstellen können. Eine von Kreuzinger und Sieder 2013 veröffentlichte Prüfkonfiguration zielt auf eine einfache Ermittlung der Schubkenngrößen von BSP-Scheibenelementen ab. Grundlage ist ein stützenförmiger Querschnitt, welcher unter 45° zu den Längs- und Querlagen auf Druck beansprucht wird. Vielversprechende Vorversuche an der Technischen Universität München und der Technischen Universität Graz 2013 begründeten ein Kooperationsprojekt zwischen den beiden Institutionen. Die Ziele sind:
    Die Anwendbarkeit der Prüfkonfiguration für das breite Spektrum an BSP-typischen Produktparametern und ihren Ausprägungen zu überprüfen Potenzielle Einflussfaktoren auf die Schubkenngrößen zu identifizieren. Die Übertragbarkeit von Ergebnissen, ermittelt an BSP-Einzelknoten, zu betrachten.Charakteristische Kenngrößen abzuleiten und, basierend auf den Erkenntnissen, ein Bemessungskonzept zu erarbeiten.
In einer umfangreichen Kampagne wurden an beiden Institutionen zusammen 18 Prüfserien mit BSP-Elementen dreier Hersteller mit unterschiedlichen Parametersettings geprüft. Die Parameter und ihre Ausprägungen wurden entsprechend gegenwärtigen Produktzulassungen definiert. Betrachtet wurden Lagenanzahl, Lagenstärke, Brettbreite, Fugenausführung (mit/ohne Seitenverklebung, mit/ohne Fuge), der Einfluss von Entlastungsnuten und das Verhältnis der Summe der Lagenstärken in schwacher zu starker Scheibenrichtung, genannt Aufbauparameter. Die Abbildung zeigt die Prüfkonfiguration und beobachtete Versagensmechanismen.

Versagen ist berechenbar
Bei allen Prüfungen wurde ein zuverlässiges Versagen auf Schub erzielt. Jene Proben mit Seitenverklebung wiesen ein Bruttoschubversagen, gefolgt von einem Nettoschubversagen, auf. Die erzielten Schubkenngrößen (Festigkeit wie Steifigkeit) sind mit jenen von BSH vergleichbar. Alle Serien ohne Seitenverklebung versagten auf Nettoschub in den Lagen in schwacher Scheibenrichtung. Bezogen auf den versagensrelevanten Querschnittanteil wurden dabei sehr hohe Schubfestigkeiten erzielt. Das zuverlässige Versagen auf Schub zusammen mit den geringen Streuungen in den Kenngrößen deutet auf ein sehr stabiles Prüfverfahren hin. Zudem wurden keine Unterschiede zwischen den Ergebnissen beider Prüfinstitute beziehungsweise Prüfgeräte und der zum Teil abweichenden Durchführung festgestellt. Bezüglich der untersuchten Parameter wurden qualitativ übereinstimmende Ergebnisse mit Prüfungen an BSP-Einzelknoten beobachtet. Die Parameter Fugenausführung und Lagenstärke wurden als wesentliche Einflussfaktoren auf die Schubkenngrößen bestätigt. Auf Grundlage der Erkenntnisse wurden charakteristische Schubkenngrößen in Abhängigkeit des zu erwartenden Versagensmechanismus (Bruttoschubversagen bei Seitenverklebung; Nettoschubversagen ohne Seitenverklebung) vorgeschlagen und ein einfaches Bemessungskonzept erarbeitet.

Eine umfassende Darlegung der Ergebnisse und des Bemessungskonzeptes wurde beim diesjährigen INTER-Meeting in Šibenik/HR zur Diskussion gestellt und in der Bautechnik, Heft 11/2015, unter dem Titel „Scheibenschub von Brettsperrholz: Verifizierung einer Prüfkonfiguration und Parameterstudie“ veröffentlicht. 
Auoren: Reinhard Brandner1, Philipp Dietsch2, Julia Dröscher1, Michael Schulte-Wrede2
(1: Institut für Holzbau und Holztechnologie, TU Graz; 2: Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion, Technische Universität München)