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Daniel Wagner, Vollhaus: "Brettsperrholz ist eines der schnellsten und leistungsfähigsten Bausysteme." © Hannes Plackner

Schnelligkeit sticht

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 02.10.2015 - 14:28
Nicht der Große frisst den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen. Diese Binsenweisheit aus der Wirtschaftswelt gilt zunehmend auch auf den Baustellen – und zwar zugunsten von Brettsperrholz. Klar kostet der Rohbau meist mehr, dafür ist man aber um Wochen oder Monate schneller. Wissenschaftlich nüchtern liest sich das so: „Das Potenzial der holzbaulichen Arbeitsverfahren liegt klar in der kurzen Rohbauzeit gegenüber allen anderen herkömmlichen Arbeitsverfahren im Wohnungsbau.“ Das schreiben Werner Eder und Jörg Koppelhuber bei ihrer Untersuchung von „Kalkulationsansätzen für großvolumige Holzwohnbauten“ mit Fokus auf BSP (s. Buchtipp S. 46). Diese Vorteile führen auch in der Praxis zu steigendem (Massiv-)Holzbauanteil. Die befragten Zimmermeister führen die rasche Bauzeit als Hauptargument an, um den Bauherrn von BSP überzeugen. Weitere Stärken sind die Sicherheit oder der Wohlfühlfaktor Holz. Schwächen sehen die Verarbeiter in mitunter praxisfernen Wärmedämmvorschriften, fehlenden Projektmanagementfähigkeiten und ungenügend ausgebildetem Personal. Die Ausgestaltung der Details und die Arbeit auf der Baustelle müssen mit Sorgfalt durchgeführt werden. BSP sei leistungsfähig, aber auch empfindlich.

Vier Fragen an Experten

1 Mit welchen Argumenten überzeugen Sie Bauherren von der Massivholzbauweise?

2 Wo hat das Produkt Brettsperrholz noch Schwächen? Wohin sollte die Entwicklung gehen?

3 Was könnten zukünftige Anwendungen von BSP sein, die es heute noch nicht/kaum gibt?

4 Wenn Sie an die vergangenen fünf Jahre denken: In welchem Bereich des Massivholzbaus gab es die größten Fortschritte?
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Daniel Wagner, Vollhaus: "Brettsperrholz ist eines der schnellsten und leistungsfähigsten Bausysteme." © Hannes Plackner

1. Meine Argumente sind die Sicherheit, der folienfreie Aufbau oder die statische Überlegenheit über viele andere Bauweisen, insbesondere den Mauerwerks- und Stahlbetonbau. Dazu kommt die hohe Genauigkeit in der Vorfertigung und Ausführung. Brettsperrholz ist eines der schnellsten und leistungsstärksten Bausysteme.
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2. Was noch fehlt, ist die allgemeine Bekanntheit. Oft wird es in der Kommunikation dem Holzrahmenbau gleichgestellt. In der Bauphysik gibt es noch Anpassungsbedarf bei der Heizwärmebedarfsberechnung. Außerdem beschäftigt mich die Frage: Wie dicht muss tatsächlich gebaut werden?
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3. Hoffentlich gibt es künftig mehr Kommunal- und Gewerbebauten. Bei den Aufstockungen gibt es ebenfalls noch einiges an Potenzial.
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4. Die größten Fortschritte gab es bei der Standardisierung. Das betrifft die Angleichung der BSP-Dimensionen der Hersteller und die Veröffentlichung der CLT-Norm.

Zimmermeister Daniel Wagner ist Gründer und Geschäftsführer des auf Massivholz spezialisierten Holzbauunternehmens Vollhaus aus Eberschwang
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Bernd Gusinde, Timber Concept: "Temporärer BSP-Bau ist ein inte­ressantes Feld für die Zukunft." © Gusinde

1. Unsere Kunden überzeugt die massive, solide, wertbeständige und sichere Bauweise.
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2. Es ist höchste Zeit für eine gemeinsame, allgemeine Produkt- und Bemessungsnorm. Eines der größten Hindernisse ist die Vielfalt an herstellerbezogenen Zulassungen, gutachterlichen Stellungnahmen und so weiter. Das schreckt Architekten und Tragwerksplaner, aber auch Verarbeiter, die sich nicht intensiv dem Brettsperrholz verschrieben haben, ab, regelmäßig damit zu arbeiten. Erst wenn die von Herstellern künstlich aufgebauten Hürden wegfallen und echte Vergleichbarkeit gegeben ist, wird sich BSP weiter durchsetzen. Großes Potenzial sehen wir in der Planung und im Projektmanagement. Das herstellergetriebene Produkt hat noch Lücken an den Schnittstellen zu Planern und Verarbeitern. Mit durchgängiger Planung und individuellem Projektmanagement könnten Projekte deutlich wirtschaftlicher und effizienter werden. Dazu gehört neben dem Know-how der Beteiligten auch die Kompatibilität der Software. Das muss nicht auf das inzwischen fast allgegenwärtige BIM hinauslaufen. Unsere Erfahrung zeigt, dass einfache Stellschrauben genügen, um die Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu erhöhen.
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3. Es gibt enormen Druck, in den Ballungszentren hochwertigen Wohnraum zu schaffen. Der mehrgeschossige Bau sowie die urbane Verdichtung mit BSP-Projekten können zwei Antworten auf Problemstellungen, wie enge Baustellenverhältnisse oder die leichte Bauweise bei Aufstockungen, sein. Der hochwertige temporäre Bau ist ebenfalls ein interessantes Feld der Zukunft – besonders angesichts der Flüchtlingsereignisse. Hier intelligente und wirtschaftliche BSP-Lösungen anzubieten, könnte sich in Zukunft lohnen. BSP muss sich auch vermehrt im kleineren Einsatz etablieren, etwa als Deckenelemente im Massiv- oder Stahlbau oder als vorgefertigte Einheiten bei Treppen- oder Liftschächten beziehungsweise als Ergänzung zu Mauerwerk, Stahlbeton, Glas, Stahl und anderen Holzbauweisen.
Noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt ist die Kombination von BSP mit anderen Baustoffen. Im Bereich Rippen- und Boxelemente sowie Holz-Beton-Verbund sehen wir großes Potenzial. Der Einsatz in anderen Branchen könnte ebenfalls möglich sein, etwa beim Möbel-, Fahrzeug- oder Anlagenbau.
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4. Dank Vorreitern in Forschung und Praxis kommt man den Eigenheiten von Brettsperrholz immer mehr auf die Spur. Nur so kann sich ein zuverlässiges Bauprodukt entwickeln. Die Modellierung in den Bemessungsprogrammen war vor fünf Jahren in dieser Form beispielsweise noch nicht möglich. Fortschritte gab es auch im Brand- und Schallschutz beziehungsweise im Verständnis des Schwingungsverhaltens.

Bernd Gusinde ist geschäftsführender Gesellschafter von Timber Concept in Weißensberg/DE. Der Betrieb hat sich auf Planung und Beratung insbesondere bei internationalen Holzbauprojekten spezialisiert. Die Hauptmärkte sind Großbritannien, USA, Asien und der Nahe Osten.
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Michael Sonnleitner, Zimmerei Leichtfried: "Der hohe Vorfertigungsgrad ermöglicht einen raschen Baufortschritt." © Sonnleitner

1. Es sprechen mehrere Vorteile für den massiven Holzbau. Vor allem sind das der schnelle Baufortschritt und die sofortige Tragfähigkeit der Holzbauteile. Es sind schlankere Wandaufbauten mit dem gleichen Wärmedämmwert wie bei Ziegelbauten möglich. Über Neubaufeuchte, welche sich in den ersten Monaten, etwa mit Schimmelbildung, negativ auswirken könnte, braucht man sich keine Gedanken zu machen. Ein wichtiges Argument ist, dass die Oberflächentemperatur des Holzes gegenüber Ziegel und Betonbauten um 2 bis 3° C niedriger sein kann, um sich wohlzufühlen. Das schlägt sich auch in den Heizkosten nieder.
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2. Eine Schwäche gegenüber Ziegel- und Betonbauten ist die Empfindlichkeit in der Verarbeitung. Eine Herausforderung sind die Detaillösungen, wie zum Beispiel bei den Übergängen zum erdberührten Bereich. Da sind Fachkräfte mit einer sehr guten Ausbildung wichtig, um diese Anschlüsse korrekt herzustellen.
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3. Eigentlich wird BSP heute schon fast überall eingesetzt – zum Beispiel im mehrgeschossigen Wohnbau bis hin zu Hochhäusern.
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4. Große Fortschritte gab es bei mehrgeschossigen Wohnbauten. Der hohe Vorfertigungsgrad oder die Modulbauweise ermöglichen einen sehr raschen Baufortschritt. Aber auch bei öffentlichen Bauten wird zunehmend auf Holzbau gesetzt. Fortschritte machte aus meiner Sicht der Brandschutz, wo Holz bislang noch nicht so gerne gesehen wurde.

Michael Sonnleitner ist Holzbaumeister für die Zimmerei, Dachdeckerei und Spenglerei Leichtfried in Weyer.