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"Holz ist oft die einzige wirtschaftliche Lösung, wenn stabile Fenster mit hohem Gewicht gebaut werden", weiß Hermann-Blösch-Geschäftsführer Harald Bürzle-Hermann © Hermann-Blösch

Rettet das Holzfenster

Ein Artikel von Dinah Urban (für Timber-Online bearbeitet) | 03.09.2015 - 08:02
Holzfenster scheinen einen schweren Stand zu haben. Am hohen Gewicht kann es eigentlich nicht liegen, da damit auch andere Rahmenwerkstoffe, wie Aluminium und Kunststoff, zu kämpfen haben. Wie so oft ist es wohl am Ende der Preis, der das Material vorgibt. Fachgerecht (ein)gebaute Holzfenster bringen lange Freude, kosten aber entsprechend und benötigen Pflege. Sie danken es einem mit edler, natürlicher Optik und verbessertem Raumklima. Der Kunde möchte aber eben keine Abstriche machen. Er verlangt nach kaum tragbar großen Multifunktionsfenstern mit individuellen Maßen, kaum sichtbaren Rahmen von feinster Qualität und das alles zum Spottpreis. Bis auf den letzten Punkt ziehen die Hersteller mit. Doch feinjähriges, astfreies Fensterholz hat nun einmal seinen Preis. Kein Wunder also, dass Deutschland Europameister im Import von Fenstern geworden ist. Dennoch stecken die Produzenten nicht den Kopf ins Silikat, wie der Verband Fenster + Fassade (VFF), Frankfurt a. M., vermittelt. Sie rüsten sich mit neuen Topmaschinen, verfeinern ihre Marketingkünste, bieten ökologische Pflegesets an und erobern neue Vertriebswege (s. Link 1).

Sanierer sind „out“, polnische Fenster „in“

Trotz reger Wohnbautätigkeit stagnierten die Umsätze der deutschen Fensterhersteller 2014 knapp unter der 3,9 Mrd. €-Grenze. Zu Jahresbeginn ließ die hohe Baugenehmigungsanzahl auf gute Geschäfte hoffen. Doch die erwarteten 5 % Umsatzwachstum verwandelten sich in 0,4 % zum Jahresende.
Die Nachfrage wuchs laut Branchenradar von Kreutzer Fischer und Partner lediglich um moderate 1,3 %. Der rege Wohnungsneubau sorgte zwar für 11 % mehr Fensterbedarf. Der mit 70 % wesentlich umsatzstärkere Renovierungsmarkt schmälerte seine Nachfrage jedoch um über 2 %. Mit sogenannten baunahen Ersatzanschaffungen hielten sich die Verbraucher zurück und investierten stattdessen verstärkt in den täglichen Konsum und langlebige Konsumgüter.
Ein dynamisches Wachstum konnten ausschließlich polnische Importeure verzeichnen. Bei Drutex stiegen die in Deutschland getätigten Erlöse um 15 %, bei Oknoplast um 19 %, melden die Marktforscher. Bezogen auf den Absatz, sei Drutex der drittstärkste Anbieter in Deutschland. Mit Internorm liegt außerdem ein österreichischer Anbieter auf Platz acht im Ranking. Im europäischen Vergleich sei eine derartige Präsenz auf Fenstermärkten einzigartig. Dennoch zeichnet Österreich kein besseres Fenstermarkt-Bild.

Unsicherheit und Förderungskürzung

Die Umsätze der österreichischen Fensterhersteller schrumpften 2014 um 5 % auf 769 Mio. €/J. Damit setzte sich die 2013 begonnene Talfahrt fort, wie das Branchenradar anzeigt. Die Österreicher seien ebenfalls Sanierungsmuffel. Der Umsatz mit dem Austausch von Fenstern sank um 9 %. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern gab es sogar einen Rückgang um knapp 12 %. Der Neubau brachte hingegen einen Zuwachs um gut 1 %. Studienautor Andreas Kreutzer führte die zurückhaltende Investitionsbereitschaft auf eine „gefühlte Unsicherheit“ angesichts der Wirtschaftslage zurück.
Hinzu komme eine Kürzung der Sanierungsförderung durch den österreichischen Staat von 100 auf 80 Mio. €/J, heißt es. Das Auftreten von Sättigungseffekten nach der 2009 durch Zuschüsse hervorgerufenen Sanierungswelle sei zudem nicht verwunderlich.

Holzfenster schwinden dahin

Der Gesamtabsatz an Fenstern nahm 2014 in Deutschland um 1,3 % auf 12,8 Millionen Fensterflügel zu, wie das Branchenradar ermittelte. Legt man diese Zahl neben die Umsatzsteigerung, wird klar: Die Preise sinken. Pro Flügel bekamen die Hersteller ab Werk 301 € und damit um 0,8 % weniger als 2013. Da hatte die Änderung noch im leicht positiven Bereich (0,2 %) gelegen.
Holzfenster lagen 2014 in Deutschland mit einem Umsatz in Höhe von 413 Mio. €/J um 6,3 % unter dem Vorjahreswert. Die Nachfrage sinkt seit 2012 kontinuierlich um 4 bis 6 % auf einen Wert von 1,5 Millionen Flügeln im vergangenen Jahr. Der Preisverfall setzte 2014 auch bei Holzfenstern ein: –1,4 % auf 272 € pro Flügel.
Besser trafen es die Holz-Alu-Fensterproduzenten. Mit einem Ab-Werk-Preis von 421 € waren diese Flügel nur um 0,4 % günstiger als 2013. Sie lagen außerdem wesentlich dichter am Alu-Fensterpreis (477 € pro Flügel und –0,8 %) als an dem der Holzfenster. Der Bedarf an den pflegeleichteren Hybridfenstern stieg moderat um 2,2 % auf 910.000 Flügel. Ihr Umsatz kletterte ebenso gemächlich um 1,9 % auf 383 Mio. €/J. Kunststoff- und Alu-Fenster zeigten steile Zuwächse bei Um- und Absatz in Deutschland.

Talfahrt unter die Fensterbank

In Österreich setzte sich 2014 nicht nur die Umsatztalfahrt auf dem Fenstermarkt fort. Die Nachfrage ließ um 6 % nach und kam bei 2,1 Millionen Flügeln zum Stehen. Die Preise konnten immerhin um 1 % angehoben werden, wie das Branchenradar verrät. In allen Rahmenmaterialkategorien, außer bei den Kunststofffenstern, zeigte die Preisentwicklung aufwärts.
Der Holzfenster-Bedarf sank um 13,4 % auf 159.000 Flügel. Der Umsatz zog nicht ganz so stark nach und verzeichnete –9 % (62 Mio. €/J). Vor Holz-Alu-Fenstern machte der Schwund keinen Halt: um 5 % weniger Absatz in Österreich (509.000 Flügel) und 3 % Umsatzrückgang auf 234 Mio. €/J. Der Kunststofffenster-Absatz (1,3 Millionen Flügel) war 2014 um 6 % rückläufig bei einem Umsatzminus von 7 % auf 361 Mio. €/J. Alu-Fenster hielten sich vergleichsweise wacker mit –1,7 (Absatz) und –0,9 % (Umsatz).

Es geht wieder bergauf

In den kommenden zwei Jahren rechnen Kreutzer Fischer und Partner mit einer Absatzbelebung auf dem österreichischen Markt. Für heuer wird der Gesamtmarkt zwar noch stagnieren, aber schon 2016 könnten 5 % mehr Nachfrage folgen. Davon werden Holzfenster aber vermutlich nicht profitieren, wohl aber die Holz-Alu-Variante. Die Umsätze sollen entsprechend mitziehen und die Preise anheben.
In Deutschland scheinen die Trends bis 2016 auf Kurs zu bleiben.

Vollmodernisierungen in Planung

dieser Tage Dämmschaum von gestern sein. Die Marktforscher Bauinfoconsult rechnen nämlich mit einer Vollsanierungsflut in den nächsten fünf Jahren. Sie befragten heuer Planer und Architekten zu deren Einschätzung. 35 % der Befragten halten einen Vollsanierungstrend für wahrscheinlich. 42 % gehen von anhaltenden Teilsanierungen aus.
Betrachtet man die herrschende Struktur im Wohnbau, sei ein drastischer Anstieg der Komplettmodernisierungen nur dann vorstellbar, wenn der Teil im Nichtwohnbau sein vergleichsweise hohes Niveau weiter ausbauen kann.
Im hochwertigen Büro- und Einzelhandelsbereich scheint die energetische Sanierung die kommenden drei Jahre zu bestimmen. Davon sind 32 % der befragten Bauakteure überzeugt. Schönheitsmaßnahmen im Innenbereich halten 26 % für verstärkt nachgefragt. 15 % rechnen mit einem erhöhten Bedarf an Türen und Fenstern.

Zulieferer ziehen mit

Wenn es Holzfenster sein sollen, wollen Bauherren nicht lang auf deren Einbau warten. Passend zur Einrichtung, ordert man je nach Gusto etwa Nussbaum oder Eiche, die allerdings entgegen dem Trend aus Gründen der Dauerhaftigkeit und Formstabilität alles andere als rustikal auftritt. Tropenhölzer und modifizierte Varianten finden ebenfalls ihre Abnehmer.
Bei der Herausforderung, immer individuellere Maße in hoher Qualität und dennoch wirtschaftlich herzustellen, unterstützen Fensterkantelhersteller insbesondere kleinere Betriebe. Diese können ihre Lagerhaltung dank kurzer Lieferzeiten beibehalten und einfach beim Lieferanten aus dem Vollen schöpfen. Der setzt entweder auf Nischenprodukte (s. Link 2 und 3) oder Vielfalt (s. Link 4) und ist mehr und mehr auch als Berater gefragt. Neue Hightech-Fensterkanteln, etwa mit Carbonkern für starken Halt bei großen Glasflächen, entwickelt man als Alleinstellungsmerkmal. Die Zertifizierung gemäß PEFC-, FSC- oder anderen Richtlinien bleibt auch zwei Jahre nach Inkrafttreten der Holzhandelsverordnung unerlässlich.
Fensterproduzenten können auch auf andere Zulieferer zählen. CNC-Anlagen und andere Maschinen fertigen und lackieren in Windeseile diverse Flügelformen und -maße. Beschlägehersteller reagieren etwa auf den Bedarf an dezenten Lösungen, welche die immer schwereren Flügel sicher und bedienerfreundlich fixieren. Lackhersteller mischen im Zuge der Individualisierung jede Wunschfarbe auf Zuruf zusammen (s. Link 5).

Vier Antworten eines Experten

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"Holz ist oft die einzige wirtschaftliche Lösung, wenn stabile Fenster mit hohem Gewicht gebaut werden", weiß Hermann-Blösch-Geschäftsführer Harald Bürzle-Hermann © Hermann-Blösch

Harald Bürzle-Hermann beantwortete der Redaktion brennende Fragen zum Fenstermarkt:

Welche Entwicklung nehmen die Profilstärken?
„Der Trend der vergangenen Jahre hin zu Holzstärken von 90 mm und mehr wird auf kurze Sicht auch weiterhin anhalten. Zum einen erfordern die eingesetzten Gläser entsprechende Einbautiefen. Zum anderen ist der einfachste Weg zu angemessenen Uf-Werten nach wie vor eine erhöhte Holzstärke. Nichtsdestotrotz werden alternative Bauweisen, wie Sandwichbauweisen als Kombination von Holz und Dämmmaterialien, weiter zunehmen – ebenso der Wunsch nach schwächeren und leichteren Gläsern.“

Erlangt Vakuumglas in den nächsten zwei Jahren signifikante Marktanteile?
„Davon kann in meinen Augen derzeit nicht ausgegangen werden. Einerseits stehen hier nach wie vor die optischen Randerscheinungen (Abstandshalter) im Raum und zum anderen wäre es meines Erachtens zu früh, ohne entsprechende Langzeiterfahrungen hier offensiv in den Markt zu gehen. Gestaltet sich eine Langzeitprognose jedoch positiv, hat Vakuumglas sicher das Potenzial für große Zuwächse.“

Was sind die größten Herausforderungen in Sachen Holzqualität?
„Hier spielen zwei Aspekte hinein, zum einen der gestiegene Anspruch vonseiten der Kunden: Ein Fenster als Bauelement soll in seiner Oberflächengüte hochwertigen Möbeloberflächen gleichen. Neben den Fertigkeiten des Fensterbauers bedeutet dies einen noch höheren Anspruch an die Holzqualität. Zum anderen ist der gestiegene „Holzhunger“ in unserer Welt zu nennen. In den vergangenen Jahren ist es spürbar schwieriger geworden, hochwertiges Rundholz auf dem Markt zu beziehen. Allzu oft wandert Holz höchster Qualität in die Hackschnitzel- oder Papierindustrie und steht der Verarbeitung damit nicht mehr zur Verfügung. Diese Punkte in Verbindung mit dem anhaltenden Preisdruck stellen einige der größten Herausforderungen dar.“

Haben Holzfenster mittlerweile ein Gewichtsproblem?
„Richtiger wäre wohl zu sagen, Fenster im Allgemeinen haben mittlerweile ein Gewichtsproblem. Die immer größeren Dimensionen in Kombination mit hoch isolierenden Gläsern bringen die Monteure von Fensterelementen oft nahe an ihre Grenzen. Einen besonderen Nachteil gegenüber stahlverstärkten Kunststoff- oder Aluminiumkonstruktionen kann ich für das Holzfenster nicht sehen. Im Gegenteil: Oft bietet Holz für die geforderten Fensterdimensionen die einzig wirtschaftliche Umsetzungsmöglichkeit, wenn ein vernünftiges Verhältnis von Stabilität zu Gewicht realisiert werden soll.“