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Abbildung 1: Im ARA-Raum legte Pelletspreis gewaltig zu © proPellets Austria

Pelletsmarkt paradox

Ein Artikel von Dr. Michael Rakos | 24.04.2015 - 08:00
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Dr. Michael Rakos © proPellets Austria

Vom 14. bis zum 16. April fand in London der wichtigste Treffpunkt der internationalen Pelletsbranche statt: Argus European Biomass Trading Conference. Trotz Teilnahmegebühren von 2390 € für drei Tage kamen über 400 Teilnehmer. Praktisch alle wichtigen Akteure des Markts nutzen die Konferenz um sich einen Überblick über Marktentwicklungen zu verschaffen, Geschäftspartner zu treffen und Verträge zu verhandeln. Eine markante Veränderung gegenüber bisherigen Konferenzen ist die deutlich höhere Aufmerksamkeit, die dem Wärmemarkt gewidmet ist.

Grundlegend neue Marktsituation wegen

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Abbildung 1: Im ARA-Raum legte Pelletspreis gewaltig zu © proPellets Austria

    der Euroschwächedem warmen Winterwetter an zwei aufeinanderfolgenden Jahren in Europa (Abb. 2)sowie den gesunkenen Ölpreisen
Abbildung 1 zeigt die eklatante Preissteigerung für Pellets, die am Spotmarkt im ARA-Raum (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) gehandelt wurden. Während die US-Dollarpreise von 180 auf 170 US-$/t sanken, stiegen die Europreise von 130 €/t an. Damit kosten Industriepellets gleich viel, fallweise sogar mehr als ENplus-Pellets. Aus dieser Situation ist es zu einer Umkehrung der Handelsflüsse gekommen: Versuchten in den vergangenen beiden Jahren noch Industriepelletproduzenten Ware am Wärmemarkt abzusetzen, werden jetzt ENplus-Pellets an Kraftwerke verkauft. Auch in Einzelgesprächen äußerten Kraftwerksunternehmen Interesse am Einkauf von Pellets bei europäischen Produzenten.
Diese Umkehrung der Handelsflüsse könnte zu einer Stabilisierung der Preise für ENplus-Pellets führen, die in ganz Europa als Folge des warmen Winters unter Druck sind. Teilweise gibt es für ENplus-Pellets sogar Preisabschläge, weil diese über keinen Nachhaltigkeitsnachweis verfügen. So werden in England für Industriepellets höhere Preise bezahlt, als für ENplus-Pellets, weil die Gesetzgebung eine Nachhaltigkeitszertifizierung für Industriepellets vorschreibt.

Weltweiter Pelletverbrauch steigt weiter

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Abbildung 2: Verlauf der Heizgradtage in Österreich - zwei warme Winter © proPellets Austria

Ungeachtet der Problematik am Wärmemarkt sind die in Europa eingesetzten Pelletsmengen auch 2014 weiter kräftig gestiegen und haben die 20 Mio. t-Marke erreicht. Nach Schätzungen von Argus wurden davon 10 Mio. t am Kraftwerksmarkt abgesetzt und 10 Mio. t am Wärmemarkt.
Der Pelletsverbrauch in anderen Teilen der Welt stieg auf rund 7 Mio. t. Die größten Steigerungen sind dabei in Südkorea und den USA zu verzeichnen. Bei Letzteren war es der außergewöhnlich kalte Winter den vergangenen beiden Jahren, der den Pelletverbrauch anheizte und manchen Industriepelletproduzenten die Möglichkeit gab, Ware vom europäischen Markt auf den US-amerikanischen Markt umzulenken.

Südkorea weltweit Importer Nummer 4

In Südkorea sind es ambitionierte gesetzliche Vorgaben für die Stromkonzerne, die stark steigende Anteile an erneuerbarer Energie nachweisen müssen, die zu einem rasanten Wachstum des Pelletverbrauchs führen.
Von einem Verbrauch von rund 400.000 t 2013 stieg dieser in Südkorea 2014 auf rund 1,8 Mio. t. Nach England mit einem Import von 4,6 Mio. t, Dänemark mit 1,9 Mio. t und Italien mit 1,9 Mio. t ist Südkorea damit der viergrößte Pelletimporteur weltweit, gefolgt von Belgien mit 550.000t.

USA exportieren fast 4 Mio. t

Auf der Seite der Exporteure führt die USA mit 3,9 Mio. t, Kanada mit 1,6 Mio. t, Lettland (1,2 Mio. t) und Russland (880.000 t). An fünfter Stelle liegt schon Vietnam, wo die Produktion von Pellets innerhalb von kürzester Zeit auf 750.000 t stieg. Vietnamesische Pellets verfügen über eine FSC-Zertifizierung, weil inzwischen auch die koreanischen Kraftwerkskonzerne einen Nachhaltigkeitsnachweis für Pellets fordern.

Rückkehr der Hackschnitzel

Während sich der Biomasseeinsatz in Kraftwerken bisher ganz auf Holzpellets konzentrierte, werden zahlreiche neue Projekte auf die billigeren Hackschnitzel zurückgreifen. Man sieht den Einsatz von Biomasse als Brennstoff zunehmend als langfristige Option und deshalb nicht mehr nur auf die Verbrennung in Kohlekraftwerken setzt, sondern auch auf die Errichtung neuer Kraftwerke. Diese werden in der Regel als zirkulierende Wirbelschichtfeuerung ausgeführt und können damit auch Hackschnitzel problemlos verbrennen. Ein Zuwachs des Hackschnitzeleinsatzes in Kraftwerken bis 2018 auf 6 Mio. t wurde anhand bekannter Kraftwerksprojekte vorausgesagt.

Kraftwerksmarkt für Pellets

Einen detaillierten Einblick gab die Konferenz über die Planungen der wichtigsten Kraftwerkskonzerne. Insgesamt kann man von einer Abkühlung bei nach wie vor substanziellem Mengenwachstum sprechen. Vor allem in England ist von den langen Listen möglicher Projekte nicht mehr viel übrig.

Ein Kraftwerk, 7,2 Mio. t/J Bedarf …

Der mit weitem Abstand größte einzelne Abnehmer ist das Kraftwerk DRAX, das zwei 600 MWel Blöcke zu 100 % mit Pellets befeuert und ab kommendem Jahr einen weiteren Block auf Pelletbefeuerung umstellen wird. Der Verbrauch pro Block wird mit 2,4 Mio. t/J beziffert. Damit wird dieses Kraftwerk allein ab 2016 rund 7,2 Mio. t/J verbrauchen. Es stellt damit das größte CO2-Reduktionsprojekt Europas dar, mit einer Gesamtreduktion von 12 Mio. t CO2.
Andere große Umstellpläne haben sich zerschlagen. Das einzig wahrscheinliche Projekt ist das RWE-Kraftwerk Lynemouth, mit einem potenziellen Pelletverbrauch von 1,4 Mio. t. Dieses wartet noch auf die Freigabe der Förderzusage. Das EON-Kraftwerk Ironbridge mit einem Verbrauch von 1 Mio. t wird mit Ende des Jahres aufgrund europäischer Abgasvorschriften schließen.

NL: keine Einspeisung, keine Pelletsverwendung

In den Niederlanden, wo in der Vergangenheit große Mengen an Industriepellets genutzt wurden, ist der Pelleteinsatz mit Auslaufen der bisherigen Einspeiseregelung praktisch zum Stillstand gekommen. Nach langwierigen Verhandlungen über Nachhaltigkeitskriterien und eine Deckelung des maximalen Biomasseeinsatzes ist eine Wiederaufnahme der Nutzung von Pellets in Kohlekraftwerken vorgesehen. Diese ist allerdings auf eine Menge von 3,5 Mio. t, die maximal eingesetzt werden dürfen, beschränkt. Strenge Nachhaltigkeitskriterien wurden den Betreibern auferlegt.

Dänemark stellt auf Holzeinsatz um

Im Gegensatz zu anderen Märkten ist in Dänemark der industrielle Einsatz von Holzpellets nicht die Folge hoher Subventionen bzw. Einspeisetarife sondern eine Folge der CO2-Steuer. Diese macht es für dänische Fernheizkraftwerke wirtschaftlich attraktiv von Kohle auf Holzbrennstoffe umzusteigen. Entsprechend zieht das dänische Energieunternehmen DONG einen konsequenten Plan zum weitgehenden Ersatz von Kohle durch Holzbrennstoffe durch. (Abbildung 3) Einzelne der umgestellten Heizkraftwerke werden allerdings Hackschnitzel statt Pellets einsetzen werden. Der dänische Bedarf an Pellets wird bis 2017 auf 2 Mio. t Pellets und 1 Mio. t Hackschnitzel ansteigen.

Kraftwerke am Wärmemarkt

Interessant ist es den Zugang verschiedener Kraftwerksunternehmen zum Wärmemarkt zu vergleichen. So hat das englische Kraftwerk DRAX den Pellethändler Billington aufgekauft. Hautmotivation von DRAX ist dabei nicht zum Monopolisten am Wärmemarkt zu werden, sondern das Image von Pellets zu verbessern. Ziel ist es, Pellets zu einem auch in der Bevölkerung breit eingesetzten Brennstoff mit ökologischem Profil zu machen. Damit soll der Kritik an der Verstromung von Pellets der Wind aus den Segeln genommen werden.
Anders ist der Zugang von RWE zum Handel mit ENplus Pellets. Hier betrachtet man das Premium Pellet-Geschäft als „Zuckerguss auf den Kuchen“. Wieder different ist der Zugang des norwegischen Stromkonzerns STATKRAFT, die den Handel mit ENplus Pellets als Möglichkeit betrachten, sich ein zweites Standbein mit einem nachhaltigen Energieprodukt zu schaffen. Entsprechend wichtig sind für STATKRAFT Nachhaltigkeit und ein Nachhaltigkeitsnachweis von Pellets.

Künftig vom Strom- zum Wärmemarkt

Insgesamt bemerkenswert war auf der Konferenz das hohe Interesse am Thema Wärmemarkt. Neben dem erwähnten „Premium Pellet Day“ nahm das Thema Wärmemarkt sowie die Wechselwirkung zwischen Wärmemarkt und Kraftwerksmarkt auch in der Konferenz selbst viel Raum ein. Generell geht man davon aus, dass diese Wechselwirkung zwischen Wärmemarkt und Strommarkt auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird und zu einer ausbalancierten und stabilen Marktentwicklung beitragen wird. Auf die Frage, was nach dem Auslaufen der Förderprogramme in England 2027 mit den Pellets passieren soll, die dort verstromt werden, antwortete der Vertreter von RWE, dass sie vermutlich am gewerblichen Wärmemarkt landen würden.

Nachhaltigkeit zentrales Thema

Ein zentrales Thema, auf das die Diskussionen in der Konferenz immer wieder zurückkehrten, war das Thema der Nachhaltigkeit bzw. der Nachhaltigkeitszertifizierung. Die unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen in Belgien, den Niederlanden, England und Dänemark stellen derzeit Lieferanten vor große Probleme, weil sie vielfach mehrere Zertifizierungen aufweisen müssen. Unterschiedliche Nachhaltigkeitsanforderungen stellen ein Handelshindernis dar, weil Pellets, die ihre Nachhaltigkeit für den belgischen Markt korrekt dokumentiert haben, unter Umständen aufgrund anderer Anforderungen nicht in England verkauft werden können.
Zur Lösung dieses Dilemmas wird seit Jahren intensiv an einer Nachhaltigkeitszertifizierung gearbeitet, die alle bestehenden gesetzlichen Regelungen und Anforderungen abdeckt. Diese Nachhaltigkeitszertifizierung steht nun unter dem Name „SBP“ – „Sustainable Biomass Partnership“ unmittelbar vor der Markteinführung. SBP basiert auf den Forstzertifizierungssystemen PEFC und FSC und ergänzt diese unter anderem durch die Angabe der Treibhausgasemissionen bei der Pelletproduktion.
Für Märkte, in denen nicht ausreichend zertifizierter Rohstoff zur Verfügung steht, sieht das SBP-System die Durchführung einer detaillierten Risikoabschätzung vor. Diese wird für ein Land oder ein bestimmtes Einzugsgebiet des Holzbezugs durchgeführt. Werden Nachhaltigkeitsrisiken identifiziert, müssen die zertifizierten Unternehmen Maßnahmen vorweisen, die dazu beitragen sollen, diese Nachhaltigkeitsrisiken zu minimieren.

ENplus mit Nachhaltigkeitsnachweis?

Die wichtige Rolle, die die Nachhaltigkeitszertifizierung für Industriepellets einnimmt, wirft die Frage auf, ob ENplus Pellets nicht auch einen entsprechenden Nachweis erbringen sollten. Der Eindruck, dass am Wärmemarkt womöglich nicht nachhaltige Pellets eingesetzt werden, während man am Kraftwerksmarkt strikt auf Nachhaltigkeit achtet, sollte jedenfalls unbedingt vermieden werden. Auch könnte eine gröbere Diskrepanz bei den Nachhaltigkeitsanforderungen in Zukunft die Durchlässigkeit zwischen Industriemarkt und ENplus-Markt reduzieren und damit die stabilisierende Wirkung des Handels zwischen beiden Märkten mindern.