14787034380392.jpg

"Die Entscheidungen für Holz werden fast ausschließlich deshalb gefällt, weil wir auf ökonomischer Ebene vollkommen konkurrenzfähig geworden sind."Dr. Erich Wiesner © Wiehag

Objektbau zur Bewusstseinsbildung

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 09.11.2016 - 15:43
14787034380392.jpg

"Die Entscheidungen für Holz werden fast ausschließlich deshalb gefällt, weil wir auf ökonomischer Ebene vollkommen konkurrenzfähig geworden sind."Dr. Erich Wiesner © Wiehag

Holzkurier: Herr Dr. Wiesner, in den vergangenen 20 Jahren sind weltweit Prestigebauten in Ingenieurholzbauweise entstanden, die für die ausführenden Unternehmen nicht selten zu Nullsummenspielen wurden. Ist es tatsächlich so, dass mit diesen „Leuchtturmprojekten“ kaum etwas verdient wird?
Dr. Erich Wiesner: Allgemein ist das sehr schwer zu beurteilen, da faktisch nicht transparent ist, wie gut die Unternehmen bei solchen Projekten performen. Ich vermute aber, dass derartige Leuchtturmprojekte aus der Vergangenheit – als Paradebeispiel möchte ich das imposante Holzdach für die Weltausstellung 2000 in Hannover nennen – wahrscheinlich große finanzielle Herausforderungen für jene ausführenden Holzbau-Betriebe darstellten. Die Vermutung liegt deshalb so nahe, weil manche Pionierunternehmen aus dieser Zeit heute nicht mehr existieren. Damals waren solche Dimensionen noch Neuland. Aus Sicht unseres Unternehmens kann ich sagen: Wir würden kein Großprojekt umsetzen, das uns keine ökonomischen Chancen bietet. Und ich glaube auch nicht, dass sich andere österreichische Holzbau-Unternehmen heutzutage absichtlich übernehmen, um Marketingzwecke zu erfüllen. Das ist heute nicht mehr nötig. Wir haben unsere Kompetenz bewiesen.

Wie steht es um den Wettbewerb zu Stahl/Beton? Ist der Holzbau wirtschaftlich konkurrenzfähig?
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Wir stehen auch bei Großprojekten nach wie vor im ständigen Wettbewerb zu Stahl und Beton. Die Entscheidungen für eine Holzbauweise werden fast ausschließlich deshalb gefällt, weil wir auf ökonomischer Ebene vollkommen konkurrenzfähig geworden sind. Dass ein Bauherr bereit ist, für einen Holzbau aufgrund ökologischer oder ästhetischer Vorteile freiwillig mehr zu bezahlen, kommt nur sehr selten vor. Allerdings kommen uns auf gleichem Preisniveau Sympathien für den natürlichen Werkstoff bei der Vergabe zugute. Eine allgemein gültige Regel gibt es nicht, es kommt auf das Projekt an.

Der österreichische Ingenieurholzbau ist von vielen mittelständischen Unternehmen geprägt. Sollten einzelne Kapazitäten für Großprojekte nicht reichen, besteht Kooperationsbereitschaft untereinander? Zwischenzeitlich haben sich viele leistungsfähige Holzbaubetriebe über alle Bundesländer hinweg etabliert. Diese sind durchaus in der Lage, große Projekte abzuwickeln. Bei schlüsselfertigen Objekten allerdings, sobald die Aufgaben über die Kernkompetenz der Unternehmen hinausgehen, sollten Kooperationen mit den entsprechenden Spezialisten auf den jeweiligen Gebieten angestrebt werden. In diesem Bereich sind die Vertreter des mineralischen Bauens vielleicht einen Schritt voraus.

In der produzierenden Holzindustrie stehen saisonbedingte Auslastungsflauten oft betrieblichen Produktionshochzeiten gegenüber. Ein bewältigbares Problem?
Der produzierenden Industrie fällt es natürlich schwerer als dem verarbeitenden Handwerk, mit solchen Schwankungen umzugehen, da dort enorme Fixkosten über das Jahr mitgeschleppt werden müssen. Unterm Strich werden diese saisonalen Schwankungen auch in Zukunft bestehen bleiben. Man könnte dem Ganzen aber mit einer Liberalisierung des Arbeitsgesetzes entgegenwirken. Nicht nur für die Holzbranche, sondern auch in vielen anderen Sparten wäre es hilfreich, dürften wir in den Sommermonaten die maximale Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden pro Tag anheben. Diese Überstunden könnten dann im Winter wieder abgebaut werden. Der Kollektivvertrag der Holzindustrie bietet bereits geringe Spielräume, aber diese sind aus unserer Sicht nicht weitreichend genug. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Märkte im Ausland zu beliefern, die nicht so saisonabhängig sind.

Ihr eigenes Unternehmen wickelte bereits einige Aufträge in Großbritannien ab. Bemerken Sie, dass sich der Brexit auf Ihre Auftragslage auswirkt?
Der Holzbau ist in Großbritannien noch in einer Nische tätig. Wir sprechen hier eher von Sonderbauten und Großprojekten. Die aktuelle Situation nimmt aber, wie ich glaube, auf die gesamte Bauwirtschaft des Landes negativen Einfluss. Bis dato kann noch niemand abschätzen, wie sich der Brexit auf die Unternehmen und deren Märkte tatsächlich auswirken wird. Investoren verhalten sich abwartend und sind verunsichert. Was definitiv jetzt schon negative Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, ist das schwache Britische Pfund. Dessen Abwertung kann nur mit Preiserhöhungen ausnivelliert werden, was sich als sehr schwierig erwiesen hat. Im Allgemeinen hat sich durch die neue Situation die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen in Großbritannien verschlechtert.

Wie gestaltet sich die Auftragslage im Ingenieurholzbau mit Blick auf 2017?
Ich bin davon überzeugt, dass der Holzbau 2017 ähnlich gut unterwegs sein wird wie 2016. Viele Unternehmen haben sich auf die rasche Herstellung von Flüchtlingsunterkünften spezialisiert. Es wird natürlich von der künftigen Zuwanderung abhängen, ob diese Entwicklung voranschreitet. Davon abgesehen, wird der Bedarf an leistbarem Wohnraum weiterhin hoch bleiben. Zur aktuellen Lage in Italien kann ich sagen, dass österreichische Holzbaubetriebe nach dem Unglück in L’Aquila einen Großteil des Wiederaufbaus geleistet haben, denn wenn es darum geht, erdbebensicher zu bauen, kann Holzbau seine Vorteile voll ausspielen.

Thema Brettsperrholz: Man hat das Gefühl, BSP habe heuer einen weiteren großen Meilenstein erreicht.
Architekten werden mit Brettsperrholz zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten geboten. Früher ließ sich Holz nur stabförmig – beispielsweise mit KVH oder BSH – einsetzen. Heute steht dem Planer auch ein flächiger Werkstoff zur Verfügung, der völlig neue Möglichkeiten bietet. Das ist ein riesiger Impuls und Treiber für den Holzbau. Dadurch kommen wir mit unserem Werkstoff in ganz neue Anwendungsbereiche. Meiner Meinung nach liegt aber die größte Chance in der Kombination aus BSP und anderen Baustoffen. So lässt sich der Anteil von Holz in den Gebäuden enorm erhöhen.

Apropos planen: Schon lange ist es Thema, standardisiertere Lösungen zu schaffen. Wie weit ist diese Entwicklung?
Der Fachverband der Holzindustrie bemüht sich stets um weitere Standardisierungen. Wir unterstützen maßgebliche Normungsinitiativen. Das ist ein wesentlicher Treiber unserer Holzbauplattform, in der wir gemeinsam mit anderen Partnerverbänden des Holzbaus Ideen vorantreiben. Ungeachtet dessen, muss es aber den einzelnen Betrieben überlassen bleiben, eigene Entwicklungen und Erfindungen auf dem Markt zu platzieren.

Wo liegt Ihrer Meinung nach das größte Entfaltungspotenzial des Ingenieurholzbaus?
Ein relativ neuer Bereich ist der Bau von Hochhäusern. Dort steht die Entwicklung noch ganz am Anfang. Wir dürfen aber auch weiter verbreitete fünf- bis achtgeschossige Gebäude nicht vergessen. Wir werden Leuchtturmprojekte, wie das HoHo Wien, brauchen, damit der Holzbau in den Köpfen der Menschen zum Standard wird. Dann können wir auch bei niedrigeren Gebäuden Marktanteile dazugewinnen.