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Fensterprofil © Weinig

Neue Marktnische erobern

Ein Artikel von Dinah Urban (für Timber-Online bearbeitet) | 07.03.2016 - 11:56
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Anspruchsvolle Aufgabe perfekt bewältigt: Frank Hauri (re.) freut sich zusammen mit dem CNC-Verantwortlichen Matthias Erb (li.) und Systementwickler Urs Rauchenstein © Weinig

Der mittelständische Fenster- und Türenbauer Hauri schätzt die Marktsituation für sich und seine Schweizer Kollegen nüchtern ein: „Allein mit Standardprodukten können wir uns im Wettbewerb mit den ganz Großen nicht behaupten“, sagt Frank Hauri. Er und sein Bruder Pascal, die beide die Geschäfte der Staffelbacher Schreinerei führen, setzen auf einen ausgewogenen Mix. Die individualisierte Produktion soll dabei eine immer wichtigere Rolle spielen. Das Portfolio des Unternehmens umfasst hauptsächlich Fenster und Türen, aber auch Bäder, Küchen und Möbel. Im Fensterbau reicht die Spanne vom einfachen Rechteck-Rahmen bis zum aufwändigen Rundbogen für das denkmalgeschützte Objekt.
Auf ihrer Suche nach einer Technologie, die es erlaubt, sowohl Standard- als auch Sonderformen für die Nischenproduktion gleichermaßen effizient und wirtschaftlich zu produzieren, wurde die Schreinerei bei Weinig, Tauberbischofsheim/DE, fündig. 2011 investierte sie in ein CNC-Bearbeitungscenter Conturex. Das Multitalent ist vom Grundkonzept her bereits auf hohe Flexibilität ausgerichtet. Das Projektteam von Hauri hatte jedoch eine weitere Anforderung: die Kombination von Stab- und Flächenbearbeitung in ein und derselben Anlage. Das System sollte es ermöglichen, jeden auch noch so ausgefallenen Kundenwunsch zu erfüllen. Mit dem Conturex „F“ entschieden sich die Schweizer schließlich für die anspruchsvollste Ausbaustufe des modularen Fenstercenters. Der Conturex 124 F ist zuallererst ein vollautomatisches Durchlauftakt-Bearbeitungszentrum für stabförmige Elemente in rahmenweiser Fertigung mit vollautomatischem Ablauf aus einem Puffer, der 100 Einzelteile aufnimmt. Das „F“ weist allerdings auf den zusätzlichen, 3000 mal 1500 mm großen Traversentisch hin, auf dem sich Platten, Türblätter oder verleimte Fenster und Türen bearbeiten lassen. Entscheidend ist, dass beide Tische parallel in einer Pendelbewegung arbeiten, ohne dass umgerüstet werden muss. Das Highlight der Stabbearbeitung sind die patentierten Weinig-Powergrip-Zangentische. Sie halten die Teile, führen sie an den Werkzeugen vorbei und übergeben sie erst, wenn der nächste Tisch zugepackt hat. Die integrierte Flächenbearbeitung verfügt mit dem Variogrip-System über eine ähnlich effiziente Technologie.
Hauri produziert auch Bogen- und Sonderteile. Deswegen erfolgt die Fixierung pneumatisch oder mit Vakuum. Werkzeuge mit großen Hubhöhen gewährleisteten maximale Effizienz und Wirtschaftlichkeit, auch bei der Flächenbearbeitung. „Damit kann tief unter den Tisch gefahren und so das Werkzeug der Stabbearbeitung eins zu eins auch für Rundbögen verwendet werden. Bei anderen Konstruktionen geht das nicht, da braucht man dann Werkzeug mit kürzeren Dornen“, weiß Geschäftsführer Markus Lochmann vom verantwortlichen IT-Partner M. P. Network, Kriens/CH.

Technologie will integriert werden

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Stab- und Flächenbearbeitung in einer Anlage mit dem Weinig-Multitalent Conturex F © Weinig

Dass der Kauf der innovativen Technologie trotz des enormen Potenzials kein sanftes Ruhekissen bedeutete, sondern den Anfang eines langen Prozesses, war allen Beteiligten im Betrieb 2011 bewusst: „Die Grenzen setzt nicht die Anlage, sondern die Betriebsorganisation“, wusste Frank Hauri schon damals. Schritt für Schritt lotete das Projektteam mit dem CNC-Verantwortlichen Matthias Erb und dem Systemverantwortlichen Fenster Urs Rauchenstein in der Folgezeit die Möglichkeiten des Systems aus. In dieser Phase erfuhr nicht nur die Betriebsorganisation Anpassungen. Auch die Software wurde immer wieder optimiert, weil neue Aufträge mit komplexen Fensterdimensionen in die bestehende Konfiguration zu integrieren waren.

Kompetenzbeweis Korbbogenfenster

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Vorher - nachher: Auch komplexe Geometrien sind für das Conturex F eine leichte Übung © Weinig

Im vergangenen Sommer schließlich ergab sich die Möglichkeit zur finalen Belastungsprobe. Ein Auftrag über 33 Korbbogenfenster ging ein. Dahinter stand die Sanierung eines denkmalgeschützten Objektes in der Region. Für Hauri war dies die perfekte Gelegenheit, um sich als Spezialist für hochwertige, individuell gestaltete Sonderfenster in der Sanierung zu beweisen. Frank Hauri führt aus: „Für andere Schreinereien ist die Bedienung dieses Segments technisch meist zu aufwändig und deshalb unrentabel. Mit dem Conturex F haben wir eine große Chance, die attraktive Nische nachhaltig zu besetzen.“ Bei einzelnen Rundbogenfenstern hatte die Anlage ihr Können bereits unter Beweis gestellt. Nun ging es jedoch um die Tauglichkeit zur Kleinserie – und das in der Königsdisziplin der klassischen, sogenannten Korbbogenfenster. „Wir haben es hier nicht nur mit einer Rundung, sondern zusätzlich mit mehreren Winkeln zu tun“, betont Hauri. Eine Herausforderung für die Systempartner Weinig und M. P. Network war es, in Abstimmung mit dem Hauri-Projektteam die Steuerungen der beiden Technologien Stab- und Flächenbearbeitung auf dem neuen Niveau zusammenzuführen. Daten mussten abgeglichen werden, um Redundanzen durch mehrfache Erfassung diverser Parameter zu vermeiden. Weiterhin galt es, Dübelbilder und Beschlagpositionen mit dem separaten Datensatz für den Bogen zusammenzubringen. Mechanische Grenzbereiche in der Aufspannung verlangten zudem spezifische Software-Lösungen. „Die Entwicklung war ein Paradebeispiel für die Bedeutung von Systempartnerschaften in der heutigen Produktion“, sagt Markus Lochmann. Das Produkt der erfolgreichen Zusammenarbeit lief kürzlich aus der Maschine: 33 qualitativ hervorragende Korbbogenfenster. „Wir sind sehr zufrieden und konnten unsere Ziele erreichen“, bilanziert Hauri. Jetzt möchte er seine Kompetenz bei Fenstern für historische Gebäude auch Wiederverkäufern anbieten. „Wir haben dafür ein Programm aufgelegt, das auch exakte Nachbildungen alter Beschläge einschließt“, berichtet er. Schon bald sollen auf der gleichen Anlage zusätzlich Türen produziert werden. Mit dem Conturex 124 F ist dies ohne Mehraufwand und sogar in jedem gewünschten Wechsel mit einem Fensterauftrag möglich.
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Fensterprofil © Weinig

Unerschöpfliche Möglichkeiten

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Pneumatisch gespannt mit Variogrip, kann das Oberteil des Korbbogenfensters nicht entwischen © Weinig

„Wir haben die Flexibilität unseres Conturex noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Hauri und erinnert sich mit einem Schmunzeln an die alten Zeiten der Winkelanlagen. „Da wurde jahrelang mit unveränderter Technik produziert, aber immer wieder teures Werkzeug angeschafft. Eine Conturex-Anlage lässt sich ohne große Investitionen an jeden Bedarf anpassen, sie wird aber nie fertig“, so der Schreiner, der weiß, dass wieder neue He-rausforderungen auf ihn und seine Mitarbeiter zukommen werden. Das Conturex werde jede Umstellung mitmachen und Hauri damit noch so manche Marktnische öffnen, ist man sich sicher.