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Hocker, wie jene aus der Vitra Cork Family sind unverzichtbar © Birgit Fingerlos

Möbel sind geschrumpft

Ein Artikel von Birgit Fingerlos aus Köln | 11.05.2016 - 14:28
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Beton-Optik bei Anrei © Birgit Fingerlos

Wer sich modern einrichtet, der kauft sich keine große Wohnwand mehr. Je kleiner und flexibler die Möbel sind, umso besser. Die Möbelhersteller bedienen damit den Konsumentenwunsch nach mehr Mobilität. Kleine und leicht tragbare Möbel waren jedenfalls viele zu sehen auf der Internationalen Möbelmesse imm, die von 18. bis 24. Januar in Köln stattfand. Sogar Sofas werden schmaler und filigraner. Möbel müssen aber nicht nur schön aussehen, sondern auch praktisch sein.

Praktisch und intelligent

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Schlanke Garderobe Leanon von Roomsafari © Birgit Fingerlos

Moderne Technik wird dezent im Möbel untergebracht. Inzwischen merkt es sogar der Teppich, wenn man ihn betritt – eine spezielle Unterlagsmatte macht das möglich. Das kann zum Beispiel im Schlafzimmer ganz angenehm sein, wenn sich dann gleich ein Licht einschaltet, wenn man vom Bett aufsteht. So ein Teppich kann aber auch vor der Balkontür praktisch sein: Wenn er es merkt, dass Einbrecher kommen und er dann gleich die Alarmanlage ansteuert. Polstermöbel werden dank integrierter Motorik zu Relax-Sesseln mit ausziehbaren Fußstützen. Ein Küchenblock lässt sich zum Bartresen verwandeln und ein Babybett wird zum Kuschelsofa für die Kleinen. Schreibtische werden einfach zusammenklappt, wenn der Platz anderwertig genutzt werden soll.
Auf neue Funktionen und innovative Technik setzt man auch bei Team 7, Ried im Innkreis. Eines der Team 7-Messeneuheiten war das vom Designer Sebastian Desch entworfene Einzelmöbel Sol. Dieses Multitalent kann als Schreibtisch, Konsole oder Schminktisch dienen. Es besteht aus zwei ineinanderlaufenden ausziehbaren Schalen, die eine ist aus Holz, die andere mit Leder bezogen. Sol kann hängend an der Wand befestigt oder mit zwei Beinen gestützt werden. Das Multitalent kann auch vierfüßig frei im Raum stehen. Im Korpus sind dezent die heimlichen Helfer des Alltags untergebracht. Eine Steckdose mit USB-Anschluss, eine Ladefunktion für Mobiltelefone und kleine Utensilienboxen sorgen für zeitgemäße Funktionalität in jedem Anwendungsbereich. Team 7 hat bei Sol auch an einen Schlauch aus Stricktex, der lose Kabel bündelt, gedacht. Zudem ist ein Aufsatz mit integrierter Beleuchtung erhältlich. Details wie eine eingefräste Stifteschale und ein Geheimfach, das geschickt im Inneren untergebracht ist, machen das Organisationsgenie Sol zum hervorragenden Begleiter in allen Wohnbereichen.

Hocker sind unverzichtbar

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Hocker, wie jene aus der Vitra Cork Family sind unverzichtbar © Birgit Fingerlos

Die kleinen Vierbeiner sind besonders praktisch, weil sie können genauso gut als Beistelltischchen genutzt werden. So wie die von Jasper Morrison entworfenen Hocker der Cork Family von Vitra, Birsfelden/CH. Die gedrechselten Hocker gibt es in drei robusten und standfesten Varianten. Sie profitieren von den vorteilhaften Eigenschaften des Naturmaterials Kork: Es ist vergleichsweise leicht, enorm zäh und hat eine angenehme, samtige Haptik.
So klein, dass sie fast unauffällig sind, das sind die Beistelltische Metal Side Tables von Vitra. Sie haben richtig dünne Tischblätter und dazu als Kontrast ein sockelartiges Untergestell. Die Metal Side Tables gibt es in verschiedenen Farben, von hellblau über grau bis dunkelrot.

Filigrane Teile

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Minimalistisches Bücherregal von Martin Breuer Bono © Birgit Fingerlos

Garderoben sind schlank, sie bestehen oft nur aus ganz dünnen Stäben. Leanon von Roomsafari, Berlin, ist hierfür ein gutes Beispiel: Diese Garderobe lehnt sich wie eine Leiter ohne Befestigung stabil an jede Wand an. Leanon besteht aus einem transportfreundlichem Bausatz und wird mit wenigen Handgriffen aufgebaut. Als Material für die Kleiderstange wird wahlweise gebürstetes Aluminium oder Massivholz (Nussbaum, Eiche, Ahorn) verwendet.
„Wie viel braucht es, um ein Buch zu halten?“, fragte Martin Breuer-Bono, Graz, bevor er der Holzkurier-Redaktion das Regal Schlagseite zeigte. Sein Möbel zur Aufbewahrung von Büchern ist wirklich minimalistisch. Es besteht aus dünnen Birken-Multiplexstreifen, dicke Regalbretter braucht es keine.

Ein Mix aus Materialien

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Birkenholzrinde für den Innenausbau von Freud © Birgit Fingerlos

Natürliche Materialien sind die Nummer Eins beim Wohnen. Neben Holz setzen die Möbelhersteller auf Stein, Filz und Marmor. Metalle, wie Messing, Bronze und Kupfer, waren auf der Messe auch immer wieder zu sehen. Spennende Materialkombinationen konnte man am Messestand von Anrei, Pabneukirchen, entdecken. Dort wurden Möbel mit individuellen Fronten, etwa in Rost- oder Beton-Optik oder mit Glaseinsätzen, gezeigt. Voglauer, Abtenau, setzt ebenfalls auf Materialkombinationen: Bei der Kollektion V-Organo spielt Voglauer mit dem Kontrast der natürlichen Gegensätze Holz und Eisen.
Für den Möbel- und Innenausbau eher ungewohnte Materialien wurden in Köln genauso vorgestellt: Organoid Technologies, Fließ, zeigte Platten etwa mit Oberflächen aus Almgräsern, geschnittenem Zitronengras, Dinkel, Mohnblumenblüten, Maisblättern oder aus Wolle vom Tiroler Bergschaf, „Die Almgras-Oberflächen, in die getrocknete Margeritenblüten eingearbeitet sind, kommen besonders gut an“, beobachtet man bei Organoid Technologies. Auf natürliche Materialien setzt auch Freund, Vorchdorf, und präsentierte Wandpaneele aus Pappel-, Kork- und Birkenrinden sowie aus sonnenverbranntem oder konserviertem Holz.

Aber nicht alles ist klein

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Massivholz-Möbel gibt es jetzt auch von Trapa © Birgit Fingerlos

Es gibt auch Möbel, die Platz brauchen, wie die beliebten Boxspringbetten und die Ess-Tische. Die österreichischen Hersteller verzichten bei den Betten natürlich nicht auf Holz. So setzt Ada, Anger, bei seinen Bettenneuheiten auf massive Sichtholzelemente. Joka, Schwanenstadt, hat ein Zirbenbett in sein Sortiment aufgenommen. Neu bei Joka ist zudem das Modell Woodspring, ein Boxspringbett mit Holzrahmen. Ein Zirben-Boxspringbett, das Modell Big-Ann, gab es beim Möbelhersteller Anrei zu bewundern. Big-Ann hat ein imposantes Kopfhaupt mit pyramidenförmigen Reliefs.
XL-Holztische sind sehr gefragt. Tische aus Massivholz gibt es in enormen Längen. Eine Alternative sind Auszugstische, die sich schnell in ein XL-Format bringen lassen. Wenn es der Raum zulässt, können Tische gar nicht lang genug sein. Yask, Wyrzysk/PL, zeigte einen 14 m langen Tisch. Er hat Platz für mehr als 50 Personen und wiegt über 1000 kg. „Denkt man an das Auftrennen der Tischplatte beziehungsweise deren Trocknung oder an den Transport dieses Möbelstückes, dann wird einem bewusst, wie extrem der Tisch ist“, verdeutlichte man am Yask-Messestand.
Tische sind meist aus Eichen- oder Nussholz gefertigt. Sie sind aber nicht nur möglichst lang, sie haben auch besondere dicke Tischplatten. Individuelle Massivholztische konnte man bei Trapa, Traunkirchen, bestaunen. Das Unternehmen nahm heuer erstmals als Aussteller an der imm teil. Als Hersteller exklusiver Naturholzböden ist Trapa bekannt. „Wir produzieren in Traunkirchen nur noch Möbel, keine Fußböden mehr. Die Fußbodenproduktion wurde nach St. Veit verlagert“, bestätigte Trapa-Eigentümer Hermann Hörndler. Jedes Möbelstück aus der Trapa-Kollektion kann in Format, Holzart, Farbe und Oberflächenstruktur individuell gefertigt werden. Die Oberfläche der Möbel wird mit der des Fußbodens aufeinander abgestimmt. Damit möchte man vor allem Innenarchitekten ansprechen.
Die Ausdruckskraft von Massivholz würdigt ebenfalls Polstermöbel-Spezialist Rolf Benz, Nagold/DE, bei dem von Silja und Norbert Beck entworfenen Tisch Rolf Benz 924. Der Tisch ist in vier Größen und Holzausführungen, darunter ein altgrauer Nussbaum, erhältlich. Die massive Tischplatte kann mit gerader Kante oder Fase gewählt werden.
Neben der Größe sind individuelle Beine ein weiterer Trend bei Tischen. Hier haben sich die Designer ausgelebt: überkreuzte oder krumme Beine – alles ist möglich.