14569889958548.jpg

Bei dünnen Zirbenstücken entstehen schöne Effekte, wenn man sie gegen das Licht hält © Martina Nöstler

Mein kleines Kanada

Ein Artikel von Martina Nöstler | 03.03.2016 - 08:14
Holzschnitzer gibt es viele. Auch jene, die Zirbe verarbeiten – denn diese Holzart eignet sich am besten dafür. Josef Habersatter, auch bekannt als „Sauschneid Sepp“, arbeitet aber am liebsten mit der Motorsäge, wie ich schon vor meinem Reiseantritt nach Radstadt erfahre, wo der Künstler zu Werke geht. Gespannt mache ich mich auf den Weg. Schon das Gespräch zur Terminvereinbarung war überaus unterhaltsam und ich freue mich auf die Holzschnitzereien vom Sauschneid Sepp. Der Weg führt mich vom Zentrum Radstadts hinauf auf etwa 1100 m nach Löbenau. Als ich auf die alte Zulehen, eine Art Tenne, zufahre, begrüßen mich die ersten, besonderen Schnitzkünste – die Holzketten. Da biegt auch schon der Sauschneid Sepp um die Ecke, in voller Arbeitskluft und mit einem seiner Werkstücke in der Hand.
Am Tor hängen Sprüche, die von seiner Einstellung zeugen: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freude am Werk“, steht da. Seit 20 Jahren rettet Habersatter markante Holzstücke vor dem Häcksler und macht etwas Besonderes daraus. Das meiste Holz stammt aus dem eigenen Wald. Eigentlich ist beziehungsweise war er Landwirt. Den Hof mit über 300 ha übergab er vor einigen Jahren an seinen Sohn. Der Sauschneid Sepp hat sich aber mittlerweile in der Region und darüber hinaus einen Namen gemacht, sodass er auch von anderen Waldbesitzern Holz bekommt. Wo manche nur „Holzfehler“ erkennen, sieht er die Schönheit. In der Werkstatt sammeln sich Unmengen an Brettern, Pfosten und Stämmen, aus denen er mit seinen Motorsägen – er besitzt stolze zehn davon – Unikate zaubert. In der Werkstatt finden sich auch andere Werkzeuge, die es in Kanada schon lange gibt. „Kanada würd‘ mi interessieren. Aber bei uns is‘ genauso schen“, meint er mit Blick in die leider im Moment wolkenverhangenen Berge. Also nennt er sein Zuhause „mein kleines Kanada“.
„Des g‘freit mi, wånn die Ingenieure net wissen, wie i die Holzkette aus einem Stück mach‘.“
Holzkünstler Josef Habersatter

28 m lange Holzkette aus einem Stück

Die Stämme trennt er mit seinem eigenen Sägewerk auf. Dafür hat er sich vor Jahren eine Kreissäge zugelegt. Besonders interessiert mich, wie er die Holzketten aus einem „Guss“ fertigt, die außen am Zulehen und in der Werkstatt von der Decke baumeln. Sauschneid Sepp hat ein Stück vorbereitet und greif beherzt zur Motorsäge. Er beginnt mit einem Holz in Form eines Plus. Und dann ist Vorstellungsvermögen gefragt. Die einzelnen Glieder hat er angezeichnet. Ich brauche viel Fantasie, um schon jetzt das Ergebnis zu sehen. Binnen wenigen Minuten schneidet Sepp mit der Motorsäge das erste Kettenglied. Mit dieser Holzkette, erzeugt mit einer Motorsäge, gilt Habersatter als Rekordhalter: Beim Holzstraßenkirtag in Arriach schnitt er vor Publikum in ein 17 m langes Holzstück eine Kette mit 23,8 m. In Bad Ischl war es gar eine 28 m lange Kette aus einem 22 m-Holz. Damit ist er Rekordhalter.

Crashkurs in der Seppologie

Im Schauraum, wo sich seine Unikate stapeln, gehen mir fast die Augen über. In jeder Ecke finde ich Besonderheiten: Landschaften mit Bergen, Bäumen und Schifahrern oder Hirschen, unzählige Herzen in allen Größen, Sterne, Bäume und Teelichter. Kein Stück gleicht dem anderen – genau darauf legt Habersatter Wert. Nichts liegt im weniger als astfreies, perfektes Holz. Und auch die Ideen scheinen ihm mit Blick auf ein rechteckiges Holzstück, in das er mit der Säge Lamellen geschnitten hat, nicht auszugehen: „Des kann man für Hintergrundbeleuchtungen einsetzen“, erklärt er.
Bevor schon wieder das Telefon klingelt und sich der nächste Besucher ankündigt, bekomme ich noch einen Crashkurs in der Seppologie – Gedanken, die ihm beim Arbeiten mit dem Holz in den Sinn kommen: Da geht es um Landwirtschaft, Tourismus und die Potenziale beider, wenn man den Besuchern die Produkte unaufdringlich näherbringt. Oder auch um Anerkennung seiner Arbeit, wenn man mit Herzblut dabei ist. „Recht hat er“, denke ich und mache mich mit vielen Eindrücken auf den Heimweg.