In Anbetracht der Bedeutung der Sägeblätter ist über ihren Zustand während der Arbeit relativ wenig bekannt. Bislang erlaubte nur das Ergebnis (Wie sauber sind die Schnittkanten?) oder die relativ wenig aussagekräftige Messung der Stromaufnahme Rückschlüsse. Kritische Schwingungen des Sägeblatts außerhalb seiner Drehebene waren nicht zu messen und daher kaum zu verhindern. Wirklich gute Linienführer regelten den Vorschub zwar nach der Geräuschkulisse, doch zwickende und zerborstene Sägeblätter im Gegenwert einer Mittelklasse-Limousine waren in Großsägewerken am Jahresende eher die Regel als die Ausnahme.
Das ändert sich gerade. Das kleine Unternehmen Fellner Engineering hat eine akustische Sägeblattüberwachung (Circular Saw Monitoring) zur Marktreife entwickelt. Die Idee: Das sogenannte CSM hört, wenn Sägeblätter in Schwierigkeiten geraten, und stellt den Vorschub ab. Im Sommer 2013 wurde das erste Mikrofon im Stora Enso-Sägewerk Ybbs installiert. Mittlerweile sind 30 solcher Anlagen in Betrieb. Bis Ende 2016 sollen es schon 60 sein.
Die Idee, Entwicklung und Umsetzung einer gänzlich neuen Technologie für das Sägewerk würdigt die Redaktion mit der Auszeichnung „Sägewerksausstatter des Jahres 2016“.
Kleiner Betrieb mit großen Plänen
Das Entwicklungsgespann von Stora Enso und Fellner war nicht der erste Versuch einer industriellen, akustischen Sägewerksüberwachung. Aber es ist der erste, der funktioniert. Dazu brauchte es aber ein eigens optimiertes Industriemikrofon und ein Verständnis für die Abläufe im Sägewerk. Dann kam die aufwändige Testphase. Acht Wochen wurde die Geräuschkulisse vierzig Mal pro Sekunde gemessen. In dieser Zeit musste der Linienführer bei Zwickern jedes Mal auf einen Knopf drücken.
Viel Arbeit zusammengefasst: Die Gigabyte an Daten zeigten, dass es möglich war, Störungen vorab zu hören. Es entstand ein System, welches den Vorschub automatisch stoppte, wenn die Schallgrenzen überschritten wurden. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Stora Enso rettete mit dem CSM „80 % der Sägeblätter“ (Zitat aus dem Mitarbeitermagazin). Die Kosten für Sägeblätter haben sich geviertelt. Kein Wunder, dass daraufhin alle zentraleuropäischen Sägelinien des Konzerns damit ausgerüstet wurden.
Indirekt könnte das CSM sogar die Schnittfugen reduzieren. Da es die Sägeblätter ständig überwacht, können dünnere Produkte eingesetzt werden. Die beginnen zwar häufiger zu schwingen, aber CSM verhindert Folgeschäden. Zudem gibt das CSM Hinweise auf den Schärfegrad der Sägeblätter.
Nachfrage wird immer internationaler
An der Wand findet sich eine Liste mit Kundenkontakten. Darunter sind praktisch alle, die in Europas Sägeindustrie Rang und Namen haben. Von allein verkauft sich das CSM trotz überschaubarer Investitionskosten aber nicht. „Ich bin immer wieder über eine gewisse Innovationsresistenz in der Branche überrascht“, schüttelt Fellner den Kopf. „Die Leute haben in den Köpfen, dass beim Sägen die Sägeblätter kaputt werden, dass das einfach dazugehört. Dabei können wir das verhindern.“
Neuheiten werden eher skeptisch gesehen. Umso wichtiger ist es, alle Ebenen im Unternehmen von der neuen Technologie zu überzeugen. „Da muss jeder Schichtleiter, jeder Linienführer mitmachen“, spricht Fellner aus Erfahrung.
Verdoppelung binnen einem Jahr
Mittlerweile sind Sägelinien von Linck und Veisto (Hewsaw) ausgerüstet. Erste Erfahrungen gibt es auch schon mit Weinig-Mehrblattkreissägen. Insgesamt 30 Anlagen wurden seit Mitte 2013 installiert. Bis Ende 2016 sollen es doppelt so viele sein. Das Unternehmen sucht derzeit nach einem Techniker und einem Vertriebsmitarbeiter. Interesse gibt es sogar aus Übersee. „Anfang nächsten Jahres liefern wir zwei Systeme nach Nordamerika“, freut sich der innovative Unternehmer. In Mitteleuropa haben wir kürzlich die Holzindustrie Schweighofer, die deutsche HMS-Gruppe in den Werken Kleinwallstadt und Hagenow sowie Ante-Holz als Kunden überzeugt.“
Für Weiterverarbeitung interessant
Nicht nur die Betreiber von Spaner-Kreissägewerken sollten die Aktivitäten von Fellner Engineering im Auge behalten. In Deutschland laufen bereits Tests, ob auch die akustische Erkennung gefährlicher Bandsägerisse möglich ist. In der Weiterverarbeitung sehen die Wiener Neudorfer mit ihrer Lösung für Weinig-Auftrennsägen viel Potenzial. Als Nächstes steht die Akustiküberwachung von Keilzinkenfräsern an.Mikrofon und Mikroprozessor als Problemlöser
Das Mikrofon wird meist am Auszug installiert. Zu laute Fremdgeräusche, etwa bei Absaugungen, können eine Montage im Gehäuse nötig machen. Das Mikrofon überwacht die Geräuschkulisse in bestimmten Frequenzbändern. Welche das sind, ist von Werk zu Werk unterschiedlich. Sie werden in einer zweiwöchigen Kalibrierungsphase ermittelt. Nach über 30 erfolgreichen Inbetriebnahmen wissen die Fellner-Techniker schon, welche Frequenzen üblicherweise auswertbar sind.
Die Analysesoftware überwacht die Lautstärke der relevanten Frequenzbänder. Damit ist deutlich herauszuhören, wenn ein Kreissägeblatt aus seiner Drehebene schwingt. Dieses Verhalten kommt bei zu hohem Vorschnitt oder auch bei Druckholz (Buchs) regelmäßig vor. Kritisch sind diese Schwingungen dann, wenn das Sägeblatt beim nächsten Stiel außerhalb seiner Drehebene eingreift. Beim weiteren Vorschub klemmt der Stamm. Und bei durchschnittlich jedem zehnten Klemmer ist das Blatt ein Totalschaden.
Abgesehen von der Einsparung an Sägeblättern, gibt das CSM deutliche Hinweise auf deren Schärfegrad. Dieser wird dem Bediener als rote Linie in einem Frequenzdiagramm dargestellt. Beginnt das Sägeblatt abzustumpfen, erkennt das der Bediener am Monitor und kann über den Tausch der Sägeblätter entscheiden. Fellner Engineering entwickelt gegenwärtig weitere CSM-Anwendungsfelder. Denkbar wäre eine Risswarnung von Bandsägeblättern oder eine Überwachung von Keilzinkenfräsern.