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Laura Ellen Bacon erschafft nichts, das sie nicht mit eigener Kraft formen kann © Petr Krejci (AHEC)

Kunst im Knast

Ein Artikel von Dinah Urban | 06.07.2015 - 08:21
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Sicherlich genossen viele den Spaziergang durch Clerkenwell- und fanden dabei die eine oder andere hölzerne Überraschung © Dinah Urban

Wem London an sich nicht sehenswert genug sein sollte, der kam von 19. bis 21. Mai dennoch auf seine Kosten. Im zentrumsnahen Stadtteil Clerkenwell gab es allerhand zu entdecken. Die sechste Clerkenwell Design Week übertraf mit 85 Showrooms und diversen temporären Designsehenswürdigkeiten alle Erwartungen der Organisatoren. Etwa jedes zweite Geschäft wurde – meist von Möbelherstellern – okkupiert, die dort ihre Sortimente präsentierten. Die Straßen waren mit Fahnen gespickt, die außerdem auf Snacks zu Sonderkonditionen und käufliche Designprodukte hinwiesen. Fünf außergewöhnliche Gebäude – darunter das Viktorianische Gefängnis und die Priory-Kirche – beherbergten die Designerschar aus aller Herren Ländern.
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Stabörd präsentierte extravagante Beistelltische © Dinah Urban

Ob Aussteller aus London oder Südafrika – alle genossen sie sichtlich die kreative Atmosphäre. Mitgebracht hatten sie Möbel, Lampen, Dekorationsartikel, Tapeten, Heimtextilien, Geschirr sowie Dienstleistungsangebote, wie eine monatlich versendete Designwundertüte im Abonnement.
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Havwoods stattete einen historischen Londoner Bus mit hölzernem Interieur aus © Dinah Urban

Alte Designhasen und junge Gestaltungshüpfer

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Dieser Hocker von Alexa+Vicki ist eher fürs Auge und wenigerfür die Gemütlichkeit © Dinah Urban

Wer bereits die Mailänder Möbelmesse besucht hatte, traf in London genauso auf bekannte wie neue Gesichter. Größen, wie Boconcept, Herning/DK, KFF, Lemgo/DE, oder Bene, Waidhofen an der Ybbs, trafen auf Jungdesigner, wie die Waliserin Louise Tucker, die filigrane Leuchtobjekte aus Ahornfurnierstreifen fertigt. Die derzeit so beliebte Eiche fand sich ebenfalls auf der royalen Insel ein, beispielsweise in Form der Möbelserie Cubo des renommierten Designers Theo Williams. Holz war allgegenwärtig.
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Louise Tucker beeindruckte mit ihren Lampen aus Ahornfurnierstreifen © Dinah Urban

CO2- und Glücksspeicher

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Wie ein Holzstrudel wirkt der „Invisible Store of Happiness“ © Dinah Urban

Als einer der zahlreichen Sponsoren des Designfestivals trat der American Hardwood Export Council (AHEC) auf. David Venables leitet die europäische Niederlassung des Rats und begrüßte die in London gebotene Holzvielfalt. Ein wichtiges Anliegen ist ihm jedoch, die Designer und deren Kunden dafür zu sensibilisieren, dass nicht alle Hölzer in Massen vorhanden sind und jedes seinen eigenen Charme hat. Zwei typisch amerikanische Laubhölzer stellte die Installation „The Invisible Store of Happiness“ vor – Ahorn und Kirschbaum. Die Künstlerin Laura Ellen Bacon und der Möbeldesigner Sebastian Cox schufen die drei Meter hohe Ode an die Handwerkskunst und das Material Holz innerhalb von drei Monaten. Der Auftrag von AHEC war es lediglich, die Vielfalt des Werkstoffs beeindruckend darzustellen. Das gelang mit der Skulptur, die im Torbogen des historischen Museums des Johanniterordens aufgestellt wurde.
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Laura Ellen Bacon erschafft nichts, das sie nicht mit eigener Kraft formen kann © Petr Krejci (AHEC)

Während Bacon eher in Formen denkt, ist für den Designer Sebastian Cox Funktionalität von hoher Bedeutung. Diese beiden Herangehensweisen brachten die Projektpartner nach und nach unter einen Hut – beziehungsweise in einen unsichtbaren Glücksspeicher, wie sie ihr Werk nannten. Die Zusammenarbeit empfanden beide als inspirierend. So brachte nicht nur das Ergebnis Freude, sondern auch der gemeinsame Weg dorthin. Riesige dampfgebogene Kirschholzbögen wurden von Hand und größtenteils unverleimt mit Zapfenverbindungen zusammengefügt. In Streifen gesägte Ahornkanteln lagerte das Duo zunächst in der Themse, bis sie biegsam genug waren, um sie per Hand zu filigranen Windungen zu formen. Diese fügten die beiden mithilfe eines Teams aus Freiwilligen in den Rahmen ein.
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Laura Ellen Bacon und Sebastian Cox empfanden viel Freudebeim Erschaffen ihrer Installation © Petr Krejci (AHEC)

Für David Venables handelt es sich eher um einen „Invisible Store of CO2“, wie er während der Podiumsdiskussion in Clerkenwell erklärte. „Die Herstellung dieses Kunstwerks hat nur halb so viel Energie verbraucht wie die Produktion eines iPhone“, verdeutlichte er die Umweltauswirkungen. AHEC erstellt bereits seit Jahren Ökobilanzen fu?r die vielen Projekte zur Vermarktung amerikanischer Laubhölzer. Sicherlich werden diese auch bei der kommenden Clerkenwell Design Week 2016 wieder in Form von beeindruckenden Projekten vertreten sein.