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Italiens Wirtschaft: Süden schlägt Norden

Ein Artikel von Georg Binder | 24.08.2016 - 09:08
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Exports to main customer Italy declined 10% © Archiv

Erstmals seit sieben Jahren wuchs die Wirtschaftsleistung im Mezzogiorno, so die italienische Bezeichnung für Süditalien nach dem Sonnenstand zu Mittag, 2015 um 1%. Damit lag das Wachstum höher als im Norden und Zentrum Italiens (+0,7%).
Der Mezzogiorno, in der italienischen Krise bereits vielfach tot geschrieben, gab also ein wirtschaftliches Lebenszeichen ab. Süditalien gilt als „geographischer Gewinner“ der Krisenherde rund um den Mittelmeerraum. Erstmals seit der Krise 2008 stiegen sowohl die Investitionen als auch der private Konsum. Die Investitionen legten um 0,8% zu und befanden sich damit auf dem gleichen Niveau wie in Norditalien. Die öffentlichen Beihilfen, von denen der Süden inklusive der dadurch gehebelten europäischen Hilfszahlungen stark abhängig ist, wurden von 0,9 auf 1 %des nationalen BIP leicht angehoben. Der Konsum erhöhte sich um 0,3%.

Trendumkehr am Bau

Die Zuwächse in der Landwirtschaft um 7,3% und bei den Dienstleistungen um 0,8% sind der Beweis, dass der Mezzogiorno seine Chancen in der Krise nutzen konnte. Im Baubereich hat es erstmals seit 2008 mit einem Zuwachs von 1,1% eine Trendumkehr gegeben.
Sorge bereitet allerdings weiterhin die negative Entwicklung der Industrie. Seit 2008 hat sie mehr als 30% ihres Produktionswerts eingebüßt. 2015 ist dieser nochmals um 0,9% gefallen.

Das Wachstum fällt regional unterschiedlich aus: Die Regionen Basilikata mit 5,5%, gefolgt von Molise (2,9%), Sizilien (1,5%) und Kalabrien (1,1%) zeigten die stärksten Wachstumsraten. Die Wirtschaft in Kampanien, Apulien und Sardinien entwickelte sich mit jeweils 0,2% kaum.
Das starke Wachstum der Basilikata ist auf die Fertigungsindustrie der Fiat-Chrysler-Gruppe und deren Zulieferbetriebe zurückzuführen. Nördlich der Stadt Melfi werden die am Markt erfolgreichen Modelle Fiat 500X und Jeep Renegade gefertigt.

Plus bei Beschäftigung

Erfreulich präsentierte sich die Entwicklung der Beschäftigung. Es entstanden mehr als 95.000 neue Arbeitsplätze, rund die Hälfte mehr als in Mittel- und vier Mal mehr als in Norditalien. Zwei Drittel der Beschäftigten standen in einem befristeten Dienstverhältnis. Für das Erreichen des Beschäftigungsniveaus vor der Krise fehlen jedoch immer noch 500.000 Beschäftigte.
Enorm wichtig für die Entwicklung der Beschäftigung und auch des Konsums wäre die Aufrechterhaltung der Begünstigungen bei Neueinstellungen. Ab 2016 gibt es jedoch für unbefristete Neueinstellungen nur mehr einen jährlichen Bonus von 3250 € für die Dauer von 24 Monaten (2015: 8060 € für 36 Monate).

Problematisch bleibt allerdings das Risiko der Verarmung. Mit einem Anstieg um 214.000 Personen, lebten 2015 mehr als 2 Millionen Menschen bzw. 10% der Bevölkerung Süditaliens in Armut. Rund ein weiteres Drittel befand sich im Risiko zur Armut abzugleiten. Der Saldo von Ein- und Auswanderung für die vergangenen zwölf Jahre zeigt eine tiefrote Bilanz, nämlich den effektiven „Abgang“ von 650.000 Menschen. Davon waren zwei Drittel zwischen 15 und 34 Jahre alt, ein Drittel davon verfügte über einen Hochschulabschluss.

Abschwächung prognostiziert

Für heuer und das kommende Jahr wird allerdings mit einer deutliche Abschwächung des Wachstums in Süditalien gerechnet: 0,3% für 2016 und 0,9% für 2017. Damit fiele der Mezzogiorno im Wachstum wieder hinter Restitalien zurück.
Zur nachhaltigen Stärkung Süditaliens sieht die SVIMEZ die Durchführung eines Masterplans als dringend notwendig. Ein empfohlenes Mittel dafür wäre die Errichtung von speziellen Wirtschaftszonen, wo durch Handels- Steuer- und Zollerleichterungen Investitionen angekurbelt werden. Solche Zonen sind bereits für die Häfen in Neapel und Salerno geplant. Die Gelder dafür sollen aus dem Entwicklungs- und Kohäsionsfonds kommen, der bis 2020 mit insgesamt 54 Mrd. € dotiert ist.
Nach einer Hochrechnung der neapolitanischen Tageszeitung „Il Mattino“ würde der Mezzogiorno bei einem jährlichen Wachstum von 1% rund 14 Jahre brauchen, um auf das Niveau vor 2008 zu kommen. Falls dies überhaupt gelingen sollte, dann wird es dafür sicher einige Jahre mehr brauchen.