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Vortragende zum Tagungsthema "Fit für den Wandel" © Robert Spannlang

Internet der Bäume

Ein Artikel von Robert Spannlang, aus Freiburg/DE | 04.02.2016 - 15:50
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Vortragende zum Tagungsthema "Fit für den Wandel" © Robert Spannlang

Die Angst, zwischen lokalen Rundholz- und globalen Schnittholzpreisen zerrieben zu werden, dominierte Referate und Diskussionen Vertreter der deutschen Holzindustrie am 36. Winterkolloquium in Freiburg im Breisgau. Was die rund 300 Teilnehmer da zu hören bekamen, machte wenig Lust auf mehr: „Seit 2005 die Rohstoffknappheit die Rundholzpreise allerorts in die Höhe treibt, erschöpft sich die Innovationskraft der Branche zumeist in Kostensenkung anstatt in Produktentwicklung“, mahnte Carsten Döhring, Europa-Geschäftsführer von Ilim Timber und EOS-Vorstandsmitglied. Zusammen mit politisch gewünschten Flächenstillegungen, dem vom Klimawandel diktierten Waldumbau zugunsten eines höheren Laubholzanteils, Veränderung in staatlichen Organisationsstrukturen im Land und volatilen Absatzmärkten in Übersee ergibt das einen Mix, der vielen deutschen Holzindustriellen schlecht bekommt. „Viele von uns werden adaptieren, indem sie unsere Standorte ins Ausland verlegen – oder zusperren“, malte Döhring die Zukunft seiner Branche in dunklen Farben.

Der virtuelle Wald – eine Zeitmaschine

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Martin Müller wagt einen Blick in die Zukunft der Holzbereitstellung © Robert Spannlang

Dabei gab es in Freiburg eine Menge über innovative Produkte und Prozesse zu hören, die für den Sektor bahnbrechend sein könnten: In Harvester eingebaute Sensoren, Geodatenquellen, Drohneneinsätze und Fernerkundungssatelliten liefern heute so viel Information, dass ganze Bestände digital rekonstruiert werden können. Dieser „virtuelle Zwilling“ des realen Waldes ermöglicht die Erhebung von Menge und Qualität des nutzbaren Holzes zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Marktbedingungen und definiert den Begriff „Waldinventur“ völlig neu, wie Dr. Jürgen Rossmann, Institutsleiter des RWTH Aachen erklärte. Der virtuelle Wald erlaubt daher nicht nur die Optimierung der Erntestrategie, sondern etwa über die Rauigkeit der Waldoberfläche auch künftig durch Sturm gefährdete Waldflächen. Einen Routenplaner für Erntemaschinen stellte Dr. Charlotte Bengtsson, Geschäftsführerin von Skogforsk, vor. Nach Maßgabe von Ernteauszeige, Bodenbeschaffenheit und Distanz bekommt der Harvester- oder Forwarderfahrer die optimale Route durch den Bestand auf einem Bildschirm eingeblendet. Die Schwedin führte damit den Begriff „sanfte Operationen im Wald“ ein.
 
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Freiburger Hausfassaden aus der Gründerzeit © Robert Spannlang

Eine bessere Vernetzung des forstlichen Lieferanten mit seinem Holz verarbeitenden Kunden führte Martin Müller, Leiter Logistik bei den Bayerischen Staatsforsten, vor. Ziel sei eine optimierte Holzbereitsstellungskette, die auf vorausschauender Planung und einem permanenten Abgleich zwischen realiserbarem Angebot und Kundenbedarf basiert. Mittelfristig könne die Abmaß und Erntedisposition so verschränkt werden, dass der Befüllungsgrad von Poltern direkt in die Ernteplanung einfließt, blickte Müller in die Zukunft.

Smarte Holzwerkstoffe

Das Quell- und Schwindverhalten kann in Holzkomponenten aus Buche und Fichte ähnlich Bimetallstreifen zur Feuchte- und Temperaturindikation herangezogen werden, berichtete Dr. Marie-Pierre Laborie. Die an der Universität Freiburg unterrichtende Französin sprach auch von lichtsensitiven Nanopartikeln, die holzbasierten Werkstoffen dazu verhelfen können, sich nach der Sonne auszurichten. „Nachwachsende Materialien und eine smarte Funktionalität – das ist eine unschlagbare Kombination“, schwärmte sie.