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Um Verständnis werben: DI Hubertus Kimmel (li. ) und sein Oberförster, Bernard Krisa, halten ein selbst entworfenes Schild für Mountainbiker © Robert Spannlang

In der Region verwurzelt

Ein Artikel von Robert Spannlang | 03.12.2014 - 14:23
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Um Verständnis werben: DI Hubertus Kimmel (li. ) und sein Oberförster, Bernard Krisa, halten ein selbst entworfenes Schild für Mountainbiker © Robert Spannlang

Etwas unschlüssig steht die Mountainbikerin am Abhang des Waldes – gerade, als der allradbetriebene Bus des Chefs der Stiftsforste um die Kurve der steilen Forststraße biegt. Der Wagen hält und die Bikerin sieht den Mann durch das geöffnete Seitenfenster des Busses lächeln, aber eindeutig abwehrend seinen Finger erheben. Eine weitere Handbewegung veranlasst sie, sich dem Bus zu nähern – auf ein kurzes, versöhnliches Gespräch. Was die Bikerin nicht weiß ist, dass sie hier dem Herrn über die Stiftswälder persönlich gegenübersteht. Ein Glück für sie, und sie wirkt erleichtert, als sie nach der Wegbeschreibung des freundlichen Forstmannes auf der Forststraße weiterfährt

Geocaching und E-Mountainbiking

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Auwald  - ein Bestand hoher Hektarvorräte im Spannungsfeld von Freizeitnutzung und Naturgefahren © FB Stift Klosterneuburg

Auf ähnlich konsensuale Weise wurde das Pro-blem eines illegalen Kletterfelsens mit 60 Kletterrouten durch einen Vertrag unter Einbindung des Alpenvereins entschärft, der unter anderem Haftungsfragen eindeutig klärt. Um das Wild nicht unnötig aufzuscheuchen, finden Geocacher allzu ehrgeizig versteckte Schatzboxen („Caches“) nach einem Besuch des Forstleiters plötzlich an leichter einsehbaren Stellen wieder. „Ich bin ein Konsensmensch“, betont Hubertus Kimmel, seit drei Jahren forstlicher Leiter im Stift Klosterneuburg. „Man erreicht mehr, wenn man um Verständnis für das eigene Anliegen wirbt, anstatt Leute einzuschüchtern.” Elektrounterstützte Mountainbikes wiede-rum erschließen immer unzugänglichere Terrains auch ältere Sportler. Sogar Quadfahrer treffe er immer wieder in den Augebieten an.

Teamwork statt Diktat

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Medienwirksam: In einem kürzlich ausgestrahlten Fernsehformat des ORF stellte Hubertus Kimmel seinen Forstbetrieb vor © FB Stift Klosterneuburg

„Wir sehen uns gerade in der Randlage Wiens zunehmend einer Art Power-Naturkonsumverhalten gegenüber”, resümiert Kimmel. Dies bleibt freilich nicht ohne Spuren im Wald. Man organisiert deshalb gemeinschaftliche Abfallsammelaktionen und kommt einander dabei auch menschlich näher. Dieser Ansatz des Miteinander-Agierens scheint sich wie ein roter Faden durch die Art zu ziehen, wie der gebürtige Ybbstaler seine neue Aufgabe lebt – von der Einbeziehung seiner drei Revierförster der Stiftsreviere Wald-Weinviertel, Klosterneuburg Umgebung sowie Pax, Rohr und Schöttl in betriebliche und waldbauliche Entscheidungen bis zur sorgsamen Abwägung von Interessenskonflikten zwischen Jagd und Wald.

Pappel bis Zirbe, Silikat bis Kalk

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Forstliches Handeln in der Hochlage folgt eigenen Gesetzen, ermöglicht aber dem Stift, auch Fichte, Kiefer und Lärche anzubieten © Hubertus Kimmel

Dabei hat Kimmel mit 8400 ha einen nicht eben riesigen, aber umso vielgestaltigeren Forstbetrieb zu leiten: Von der kollinen Stufen der Donau-Auen um Klosterneuburg mit ihren Pappeln und Weiden über silikatische Eichen und Hainbuchenstandorte des Weinviertels bis hin zu den kalkigen Zirbenhochlagen in den steirischen Nordalpen. Das fachliche Rüstzeug hat sich der vierfache Vater nicht unwesentlich durch seine vorigen Tätigkeiten bei der ÖBf und den Esterhazy’schen Forsten erworben.
Mit seiner Familie lebt er heute noch im burgenländischen Neusiedl. „Aber ich bin ohnehin zu 40% draußen im Wald unterwegs oder bei Verhandlungen mit Bezirkshauptleuten und Bürgermeistern”, betont der Forstleiter.

Regionale Unternehmer und Abnehmer

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Mit Waldhackgut wird im eigenen Biomassekraftwerk Energie für den Eigenbedarf, für das Klosterneuburger Rathaus und das Krankenhaus erzeugt © FB Stift Klosterneuburg

Auch die Forstverwaltung in einem Nebengebäude des Stiftes ist im modernen Sinne „schlank” aufgestellt: Hubertus Kimmel hat ein überschaubares Team von drei Revierförstern und einer Handvoll Forstadjunkten um sich. Forsttechnische Eingriffe werden von Unternehmern aus der Region durchgeführt. Viele davon sind ehemalige Mitarbeiter, die den Stiftswald sehr gut kennen und auch heute noch einen Gutteil des Jahres dort arbeiten.
Auch im Verkauf achtet der Forstleiter auf möglichst kurze Transportwege: Lenzing ist sein Hauptkunde für Faserholz. Pabst Holz, Bauholz Gruber und Stora Enso werden mit sägefähigem Nadelrundholz ebenso beliefert wie Frey-Amon mit schönen Laubholzstämmen. „Wenn es um eine Elsbeere oder einen besonders schönen Eichenstamm geht, wird gesondert vermarktet. Grundsätzlich aber ist es nicht mein Stil, Partien zu filetieren”, betont Hubertus Kimmel.

Kein Primat der Gewinnmaximierung

Vom Probst und von der Wirtschaftsdirektion werde dem Forst und seinen Mitarbeitern größtes Vertrauen entgegengebracht, betont der junge Forstleiter. Dass der Forst nicht mehr so wie vor Jahrhunderten die Hauptlast der Stiftserhaltung zu tragen habe, befreie ihn vom Sachzwang der Gewinnmaximierung in den Bewirtschaftungsplänen.
Heute kämen wesentliche Teile der Stiftseinkünfte aus der Verpachtung von rund 4000 Immobilien und der Bewirtschaftung von 108 ha Weinbaufläche. „Die Geistlichkeit weiß aber die wirtschaftliche Sicherheit zu schätzen, die von ihren Wäldern ausgeht”, betont Kimmel. Denn heute wie damals gilt: „Jedem Quadratmeter Dachfläche des Stiftes steht ein Hektar Wald gegenüber.”

Neue Wege in der Jagd

Auf Bewusstseinsbildung setzt Kimmel auch bei der Verpachtung von Jagden in seinen Revieren: Jungjäger können um günstige Jahresbeiträge im Rahmen der Abschussvorgaben unbegrenzt jagen, solange sie ein genaues Verhältnis bei den Abschüssen, etwa zwischen Ricken und Böcken, einhalten. Abschussmeldungen werden überhaupt nur mehr digital über ein eigenes Jagdportal im Internet direkt vom Erleger bekannt gegeben. Somit wird für die Abschussnehmer eine Hol- zu einer Bringschuld. Auch die mehr als 1000 ha Bestand mit Zäunen und teils historischen Wildgattern wirken sich positiv auf die Artenvielfalt und den Strukturreichtum des Waldes aus. „Wald und Wild gehören zusammen”, betont Kimmel, auch wenn man sich gegen erhöhte Wildstände von außen zu wehren wisse.

Das Stift Klosterneuburg darf nach 900 Jahren seines Bestehens mit Recht stolz auf seine Wälder entlang der Via Sacra und des Jakobswegs sein. Denn die neue Forstleitung setzt den bisher erfolgreichen Weg der umsichtigen Entwicklung seiner vielfältigen Bestände fort, ohne dabei auf Zeitgeist und Modernität zu verzichten.