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Christoph Kulterer referierte über die Situation der Produzenten in Österreich und Europa © FederLegnoArredo

Gemeinsam wachsen

Ein Artikel von Georg Binder | 02.12.2015 - 10:12
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Christoph Kulterer referierte über die Situation der Produzenten in Österreich und Europa © FederLegnoArredo

Rund 250 Unternehmer aus den Bereichen Verpackung, Sägeindus-trie, Holzbau, Plattenherstellung sowie der Boden-, Türen-, und Fensterproduktion folgten der Einladung nach Desenzano am Gardasee. „Das engere Zusammenrücken soll helfen, gemeinsam Strategien und Auswege aus der Krise zu finden“, unterstrich FLA-Präsident Roberto Snaidero zu Beginn des Kongresses.

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Indizes der Rund- und Schnittholzpreise nähern sich an © Fachverband der Holzindustrie

„Marktmäßig ist alles im Fluss“, resümierte Pierre-Marie Desclos, Analyst von Forest Products. Bei einem bescheidenen Wachstum in Europa sieht Desclos die kommenden Absatzmärkte in Übersee, vor allem in Asien. China wird seinen Rundholzimport nicht ständig steigern können, die Verlagerung vom Rundholz- zu Schnittholzimporten ist weiter am Laufen. Die Schnittholzimporte aus Europa verdreifachten sich in den vergangenen drei Jahren von 400.000 m³ auf 1,2 Mio. m³.

Neue Protagonisten

Die Umwälzungen bringen auch neue Protagonisten ins Spiel. So entwickelte sich laut dem Experten Vietnam zum weltweit größten Exporteur von Hackschnitzel. Die Türkei wiederum stieg in dieser Produktkategorie zum weltweit viertgrößten Importeur auf. Gleichzeitig wurde die Türkei drittgrößter Produzent von MDF-Platten.

Die EU setzt weiter stark auf erneuerbare Energieträger und diese bestehen zu 50 % aus Holz. Der Import von Pellets in die EU könnte sich von 6 Mio. t in den nächsten Jahren auf 8 bis 12 Mio. t steigern.

Weltweit sechstgrößter Warenstrom

Christoph Kulterer, neuer Obmann von proholz Austria und Vizepräsident der EOS (Dachverband der europäischen Sägeindustrie), berichtete über die Situation der Produzenten in Österreich und Europa.
Die Lieferung von 2,4 Mio. m3 Nadelschnittholz von Österreich nach Italien ist der weltweit sechstgrößte Warenfluss. Seit 2008 ging die Menge um fast die Hälfte zurück.

Die erhobene Benchmark des Fachverbands zeigt auf, dass sich die Schere zwischen Rundholz- und Schnittholzpreisen auf Basis der Preisindizes in den vergangenen Quartalen langsam wieder geschlossen hat. Aufgrund des trockenen Klimas hat man in Mitteleuropa verstärkt mit Käferholz zu kämpfen. Das bringt eine leichte Entspannung bei den Rohstoffpreisen, die Schnittholzpreise blieben stabil. Die Flüchtlingsentwicklung in Mitteleuropa bringt Chancen für den Holzbau. „Dort kann der Holzbau alle seine Qualitäten in der Vorfertigung und Schnelligkeit ausspielen“, so Kulterer.

Schulterschluss notwendig

„Die EOS verfügt nur über knapp ein Zehntel jener Mittel, die dem österreichischen Holzverband für Aktivitäten zur Verfügung stehen“, betonte Kulterer die finanzielle Schwäche der europäischen Interessenvertretung. „Aufgrund unserer kleinstrukturierten Branche braucht es einen starken Schulterschluss im europäischen Lobbying“, appellierte Kulterer an die italienischen Kollegen, sich weiter aktiv ins europäische Geschehen einzubringen.

Kooperation an der Universität Trient

Das gemeinsame Investment in einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universität Trient bezeichnete Emanuele Orsini, Präsident der Holzbaugruppe Assolegno, als logischen Schritt in der österreich-italienischen Verbandskooperation. Am Institut für Mechanik und Tragwerkslehre (Professor Maurizio Piazza) etablieren proholz Austria, die FLA und die Universität Trient gemeinsam einen Mitarbeiter. Er wird sich um die Weiterentwicklung und Umsetzung der Holzbaunormung in die Praxis kümmern. Schwerpunkte werden dabei „Holz und Erdbeben“ sein. Die Laufzeit beträgt vorerst drei Jahre. Die offizielle Unterzeichnung der Vereinbarung erfolgte am Kongress.

Anzahl geringer, Marktanteil erhöht

Im neu eingerichteten Zentrum für Studien und Daten der FLA wurde ein erster Report über Holzhäuser in Italien erstellt. 2014 errichtete man laut FLA-Report 3000 Holzhäuser, davon 90 % im Wohnbau. 225 Unternehmen wurden dafür befragt. Insgesamt sind 6 von 100 Häusern in Italien aus Holz. 55 % der Häuser baute man in Rahmenbauweise, 38 % in Massivholzbauweise mit X-Lam und den Rest in anderen Bauweisen. Die Baubewilligungen fielen seit 2010 insgesamt um 60 %.

Um Afrika bemühen

In der abschließenden Runde der Präsidenten ließ eine Aussage von Paolo Fantoni, Assopannelli, aufhorchen. In Zukunft werde sich die Plattenindustrie verstärkt dem afrikanischen Markt widmen. Dort, wo jetzt China und die USA Standards setzen, sollen künftig Labors mit Fachleuten zur Einführung und Überwachung der europäischen Standards errichtet werden.

Gesprächsthema am Rande des Treffens war die Berichterstattungen in den italienischen Medien über Bauschäden in L‘Aquila. Knapp sechs Jahre nach der Erdbebenkatastrophe zeigen sich nun Auswirkungen, die ein dunkles Licht auf den Holzbau werfen. Der Bürgermeister der Stadt verordnete die Räumung von 124 Wohnungen, da eine Gefährdung der Bewohner durch abstürzende Balkone bestand. Der Verordnung ging der Absturz einer aufgrund von Wassereinwirkung von der Wand abgelösten Balkonkonstruktion aus Holz Anfang September voran. Die statische Untersuchung ergab nun ein erhöhtes Einsturzrisiko für insgesamt 124 Balkone.

Gerichtliche Erhebungen brachten ans Licht, dass die von den Firmen Safwood und Futuraquila bei der Errichtung der Balkone verwendeten mehrschichtigen Holzplatten keine Normenkonformität und auch keine Zertifizierung aufwiesen. Es wurde festgestellt, dass bei den Platten jegliche Verwendung von Leim fehlte, welche sicher zu einer größeren Stabilität beigetragen hätte. Insgesamt laufen in der Balkonfrage 37 Untersuchungen wegen Betrugs am italienischen Zivilschutz in Millionenhöhe.