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Dr. Ivan Giongo, Georg Binder, Christoph Kulterer und Univ.-Prof. Maurizio Piazza freuen (v. l.) sich über die länderübergreifende Zusammenarbeit - hier in der Universität Wien am Holzbau-Weltkongress © Kathrin Lanz

Forza Scienza!

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 09.09.2016 - 07:46
Seit Juli verstärkt Dr. Ivan Giongo als wissenschaftlicher Mitarbeiter intensiv die Erforschung des Verhaltens von Holzkonstruktionen an der Fakultät für Ingenieurswesen an der Universität Trient. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Erforschung des Erdbebenfalls. Aktueller könnte diese Thematik nach dem verheerenden August-Erdbeben in Amatrice nicht sein. Jüngste Ereignisse sowie Beben der Vergangenheit, wie jenes in L’Aquila im April 2009, zeigen auf, wie wichtig die Investition in Wissenschaft zur Förderung des Holzbaus ist. Die Planstelle kam auf Anregung von proHolz Austria und dem italienischen Verband Federlegno Arredo zustande und wird von diesen beiden Partnern finanziert. In passendem wissenschaftlichem Rahmen der Word Conference of Timber Construction (WCTE) in Wien hat sich der Holzkurier bei Dr. Giongo, dem Trienter Univ.-Prof. Maurizio Piazza und proHolz-Obmann Christoph Kulterer erkundigt, wie es zur Idee der neuen Planstelle kam und was die Initiative bewirken soll.
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Dr. Ivan Giongo, Georg Binder, Christoph Kulterer und Univ.-Prof. Maurizio Piazza freuen (v. l.) sich über die länderübergreifende Zusammenarbeit - hier in der Universität Wien am Holzbau-Weltkongress © Kathrin Lanz

Woher rührt die Idee des weiteren Lehrstuhls und warum ist dieser in Trient gut aufgehoben?
Christoph Kulterer: Ziel des vorläufig für drei Jahre anberaumten Projekts ist es, den Wissenstransfer und die über Jahre aufgebauten Ausbildungsinitiativen fortzusetzen und dadurch den modernen Holzbau mittel- und langfristig weiter in Italien zu verankern. Wissen ist immer der Schlüssel. Folglich ist die Forschungstätigkeit auf Universitäten die Basis zur Schaffung dieses Wissens. Dafür setzt sich proHolz Austria ein. Die Standortwahl fiel zum einen deshalb so aus, weil Italien noch immer einen der größten Märkte für Holzprodukte darstellt. Zum anderen ist die Positionierung in Italien der logische Schritt nach 15 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit Federlegno Arredo im Rahmen der Initiative promo_legno.

150.000 € nehmen proHolz und Federlegno Arredo dafür in die Hand. Was erwartet man sich davon?
Christoph Kulterer: Als Verband ist es sowieso unsere Aufgabe zu versuchen, den Holzeinsatz zu erweitern und in die Ausbildung zu investieren. Daraus ergibt sich in Folge die erwünschte Absatzsteigerung. Mithilfe entsprechender Normung und Information erleichtert sich wiederum unsere Arbeit. Wie wichtig die Erforschung der Erdbebensicherheit ist, erklärt sich durch aktuelle Ereignisse von selbst. Darüber hinaus sollen die Forschungsergebnisse auf italienischer und europäischer Ebene in die Aktualisierung von Baunormen einfließen.

Professor Piazza, Dr. Giongo arbeitet an Ihrem Lehrstuhl. Wie wichtig ist es, Normungsarbeit in Italien voranzutreiben?
Univ.-Prof. Maurizio Piazza: Als sich ab 2002 Erdbeben in Italien zu häufen begannen, entwickelte die Zivilschutzbehörde aus der Not heraus einen Holzbaustandard. Die da- rauf basierende Normung entspricht aber bei Weitem nicht der Leistungsfähigkeit von Holz. Die Zertifizierung muss endlich angepasst werden. An unserer Universität spielt deshalb die Grundlagenforschung für die Normenentwicklung eine große Rolle, denn diese stellt die Basis für die Erleichterung des Holzeinsatzes in Italien dar. Lange stagnierte die Entwicklung in diese Richtung völlig, bis 2008 die Wende erfolgte. Nun befinden wir uns in einer Entwicklungsphase. Obwohl es seit den 90er-Jahren mehrere Universitäten mit Holzbau-Lehrstühlen gibt, bleibt Trient die Topadresse.

Dr. Giongo, Ihr Forschungsfokus liegt auf der Erdbebennormung, worauf noch?
Dr. Ivan Giongo: Obwohl mein Forschungsschwerpunkt auf Erdbebensicherheit liegt, kann das daraus resultierende Wissen nicht ausschließlich für dieses Teilgebiet verwendet werden, sondern ist auf alle Holzkon- struktionen übertragbar, für Bestandsbauten und Sanierungsarbeiten beispielsweise. Das ist ein Thema, das ab 2015 immens an Bedeutung gewann, da in Italien gesetzlich beschlossen wurde, dass kein neues Bauland zur Schaffung von Wohnraum verwendet werden darf. Damit müssen Neubauten immer höher und gleichzeitig Bestandsbauten aufgestockt werden. Leichtbau kann dafür die Lösung sein, aber nur, wenn Regulatorien der Leistungsfähigkeit von Holz entsprechen. Damit schließt sich wiederum der Kreis mit der Wissenschaft.