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Zentimeterdicke Ablagerungen bilden sich im Inneren des Biogasbehälters innerhalb von kurzer Zeit © Detlef Krause

Extrembedingungen

Ein Artikel von Dinah Urban (für Timber-Online bearbeitet) | 15.10.2014 - 10:42
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Zentimeterdicke Ablagerungen bilden sich im Inneren des Biogasbehälters innerhalb von kurzer Zeit © Detlef Krause

Detlef Krause ist einem Phänomen des Energiewende-Zeitalters auf der Spur. Der Sachverständige für Holz- und Bautenschutz untersucht die Ursachen für das Auftreten von Materialversagen in Dachkonstruktionen von Biogasbehältern. Er hat es folglich mit einem noch recht unerforschten Problem zu tun. Schließlich sprießen die runden Betonbehälter mit – des Öfteren marodem – grünem Dach erst seit einigen Jahren ähnlich schnell aus dem Boden wie der Mais, der in ihnen zu Methangas umgewandelt wird. Neben dem Energieträger entstehen aber auch noch allerlei andere flüchtige Substanzen, wie giftiger Schwefelwasserstoff. Diese setzen der Konstruktion zu. Doch sie scheinen nicht die einzigen Schuldigen zu sein, wie Krauses Ergebnisse vermuten lassen.

Nutzungsklasse 3 ausgeschlossen

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Aufgelöste Mittellamellen führen zu einer Zerstörung des Holzgefüges © Detlef Krause

Staatlich gefördert und mit reichlich Ausnahmegenehmigungen ausgestattet, sind Biogasanlagen schnell genehmigt und (zu) schnell gebaut. In den an Krause durch Versicherungen herangetragenen Schadensfällen wurden dabei die ex-tremen Bedingungen, denen das Holz ausgesetzt war, nicht praxisrelevant einkalkuliert.
Teilweise mangelte es bereits an der Berücksichtigung der Tatsache, dass das Holz sehr viel Feuchtigkeit aufnimmt. Für die Berechnungen nach Eurocode 5 und anderen Normen stuften die Verantwortlichen die Sparren in die Nutzungsklassen 2 oder 3 ein. Das heißt, sie setzten eine maximale Holzfeuchte von 25 % über die Gebrauchsdauer voraus. Es wurden aber Werte bis 150 % ermittelt. Das sorgt zum einen für einen unberücksichtigten Festigkeitsverlust um bis zu 6 %, erhöht aber auch das tatsächliche Gewicht, das die geschwächte Konstruktion zu tragen hat. Statische Berechnungen auf dieser Grundlage mussten daher über kurz oder lang zum Versagen führen. Hinzu kommen das Gewicht der entstehenden Ablagerungen und der Einfluss der hohen Temperaturen sowie des Quell- und Schwindverhaltens.
Aus Mangel an Kontrollsystemen für diese erst wenige Jahre erprobten Bauten fand teilweise sogar überhaupt keine statische Berechnung statt, sondern musste für die Prüfung nachgereicht werden.

„Saurer Angriff“ auf schutzloses Holz

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Die Holzzerstörung erfolgt - wie dieses Bild zeigt ? nicht nur äußerlich, sondern auch im Inneren der Sparren © Detlef Krause

Die chemische Analyse der Holzbauteile diverser Schadensfälle ergab eine „sehr differenzierte Belastung je nach Objekt und Einbausituation der Hölzer“, erklärt Krause. Univ.-Prof. Dr. Claudia von Laar von der Hochschule Wismar begleitete die Untersuchungen wissenschaftlich und ermittelte eine große Bandbreite des Ammonium- (50 bis 1500 mg/kg Holz), Chlorid- (0 bis 550 mg/kg Holz) oder Sulfatgehalts (500 bis 8200 mg/kg Holz). Abhängig waren diese unter anderem vom Bauteilzustand und Kontakt mit dem Gärsubstrat. Der pH-Wert schwankte zwischen 2,3 und 7,8.
„Die Ergebnisse belegen zweifelsfrei einen sauren Angriff auf die Holzsubstanz“, informiert der Sachverständige. Er vermutet folglich einen säurehydrolytischen Abbau der Zellulose und Hemizellulosen, der das sowieso überbeanspruchte Holz weiter schwächte. Mikroskopische Bilder zeigten eine Schädigung der Mittellamelle, die hauptverantwortlich für die Auflösung des Zellverbundes zu sein scheint.

Schädliche Kombination

Aus den sieben untersuchten Schadensfällen können laut Krause schlecht pauschale Rückschlüsse gezogen werden. Zwei Erkenntnisse seien jedoch bereits klar:
Es gibt generell bedenkliche Probleme und Nachholbedarf bei statischen Berechnungen und Holzqualität.
Die Kombination von Schwefelsäure und hoher Holzfeuchte führt zum Einwandern der Säure in das Holz durch Diffusion. Ein biochemisches Problem ist die Folge, das die Holzstruktur angreift.

Nachholbedarf

Krause bemängelt die herrschende Situation, in der nicht einmal bekannt ist, wie viele solcher Behälter es in Deutschland gibt. Angaben zu Bauweisen und Herstellern sind ebenfalls nicht zentral vermerkt. Es stelle sich auch die Frage, wie viele solcher Schäden bereits aufgetreten sind. Forschungsbedarf sieht er zudem etwa beim Einfluss der Fahrweise der Anlagen auf die Schwefelwasserstoff-Konzentration, der Holzart und bei der Möglichkeit der Holzmodifizierung.