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Frischlinge sollten, unabhängig ihrer Größe, scharf bejagt werden, so der Tenor anlässlich der Jägertagung. © Werner Nagel

Eigenverantwortung

Ein Artikel von FM Martin Schuster | 29.02.2012 - 22:08
Die Anwesenheit des Jägers im Revier hat sehr große Auswirkungen auf dasWild. Unabhängig, ob er sich direkt auf der Jagd befindet oder auch nur zum Beobachten ansitzt. Für das Wild ist es einerlei, ob der Jäger bewaffnet oder unbewaffnet durchs Revier schleicht. Damit gehen die Abschussplanerfüllung, die Wildschadensprophylaxe und die Erlebbarkeit des Wildes einher. Wie sich die im Vergleich unterschiedlich langen Jagdzeiten auf diese Punkte auswirken und welche Vor- und Nachteile kürzere Schusszeiten bieten können, wurde bei der diesjährigen Jägertagung eifrig diskutiert.

Grundsatzfrage

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Frischlinge sollten, unabhängig ihrer Größe, scharf bejagt werden, so der Tenor anlässlich der Jägertagung. © Werner Nagel

Kurze und intensive Schusszeiten stehen längeren und schonenderen gegenüber, brachte es Dr. Fritz Völk, ÖBf-AG auf den Punkt. Hier gilt es abzuwägen, welche Belastung für das Wild am geringsten sei. Wo es möglich ist, kann allgemein betrachtet eine Intervallbejagung sowohl als effektiver als auch störungsärmer für das Wild angesehen werden. Doch um das umzusetzen, muss ein Umdenken in den Köpfen der Jäger stattfinden. Jagd findet vor allem im Kopf statt.

Beispiel Niederösterreich

Steigende Bestandeszahlen beim Rotwild, mangelnde Abschusserfüllung und großteils nachtaktives Wild führten in Niederösterreich zur Ausarbeitung eines neuen Jagdzeit-Modells. Dieses sieht eine Frühjahrsbejagung ab dem 1. Mai bis zum 15. Juni vor. Danach wird eine Pause bis zum 1. August eingelegt. Ab dann ist alles Rotwild frei. Hirsche der Klasse I und II genießen bereits ab dem 1. Dezember wieder eine Schonzeit, damit man sich wieder voll aufs Kahlwild konzentrieren kann und nicht ewig dem Hirsch nachläuft und dabei das Kahlwild „übersieht“. In Abstimmung mit den Schusszeiten von Muffel-, Gams-, Sika- und Damwild soll hier eine Vereinheitlichung stattfinden.

Was dabei aber leider vergessen wurde, ist das nahezu im ganzen Bundesland verbreitete Reh- und Schwarzwild. Auf dieses wird auch in der Ruhepause beim Rotwild gejagt. Und, wie eingangs erwähnt, wird das Rotwild nicht in der Lage sein, zu unterscheiden, ob auf Rotwild oder auf Reh und Sau gejagt wird oder ob der Jäger nur zum „Böcke-bestätigen“ im Revier ist. Die Pause könnte somit an Bedeutung verlieren.

Dem frühzeitigen Ende der Hirschjagd ist hingegen nichts entgegenzusetzen, wenngleich auch das Kahlwild bereits mit Ende November abgeschlossen sein sollte. Aber das sind natürlich nur Wunschvorstellungen. Die Schweizer Patentjagd ist logischerweise nicht mit unserem Reviersystem zu vergleichen. Doch wenn man sich vor Augen hält, dass dort in wenigen Wochen der gesamte Rotwildabschuss erfüllt wird, so darf man darüber ruhig nachdenken.

Schonzeiten für Raubwild

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In Niederösterreichs Revieren selten geworden ? tagaktives Rotwild. © Bildagentur Schilling

Mit diesem Vorstoß hatte Dr. Fredy Frey-Roos, BOKU Wien, schon vor einigen Jahren aufhorchen lassen. Angesichts neuer, invasiver Arten, wie Waschbär, Marderhund und Mink sowie dm nachgewiesene negative Einfluss derselben, ist diese Diskussion aktueller denn je. Allein schon aus waidmännischen Gesichtspunkten sollte eine Schonung der Muttertiere in der Aufzuchtphase auch beim Raubwild selbstverständlich sein. Unabhängig, ob das in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt ist oder nicht. Bei Verwendung von Lebendfangfallen ist es immer noch möglich, eine gefangene, säugende Fähe unverletzt zu entlassen.
In eine ähnliche Kerbe hatte DI Paul Weiß geschlagen, indem er sich für einheitliche Schusszeiten in ganz Österreich ausgesprochen hatte. In Hinblick auf das Niederwild schlägt er mehrere Punkte vor, die Jäger und Ornithologen gleichermaßen befriedigen sollten. So nennt er eine gemeinsame Erhebung der Greifvogeldichte sowie eine Regulation durch besonders geschulte Jäger. Dies hätte den Schutz der wirklich seltenen Greife als auch eine gezielte Regulation anstelle einer illegalen Notwehr (wie leider in manchen Revieren üblich) zur unmittelbaren Folge.

Problemwild Schwarzwild

Schwarzwildschäden in den Ackerbaugebieten kennen wir zur Genüge. Was uns jedoch an Grünlandschäden anlässlich der Jägertagung gezeigt wurde, sollte allen Schwarzwild-Zuwanderungs- Befürwortern die Augen öffnen. Enorme Schäden und die fragliche Wiederherstellung der ursprünglichen Grasnarben sind besonders in höheren Lagen mit kurzen Vegetationsperioden und langsamem Wachstum die daraus resultierenden Probleme.
Dass dabei die intensive Frischlingsbejagung unabdingbar ist, scheint zwar vielen bekannt zu sein, doch leider sieht die Praxis anders aus. Wie es DI Peter Prieler, LJM Burgenland, auf den Punkt brachte: „Es kann nicht sein, dass einem Jäger tagelang dieselbe Rotte kommt und er keinen Frischling herausschießt, da er auf den Keiler hofft.“ Sich dann noch über Schwarzwildschäden zu beschweren, scheint „etwas“ zu vermessen.
Denn gerade die Frischlinge weisen den höchsten Zuwachs auf. Ältere Bachen bringen zwar mehr Frischlinge, nur ist deren Anteil (der Bachen) gering. Somit ist die scharfe Bejagung der Frischlinge zwingend notwendig, sobald man derer habhaft werden kann. Will man bis in den Herbst warten, bis die Frischlinge ein paar Kilogramm mehr auf den Rippen haben, so wird man auf verlorenem Posten stehen.
Revierübergreifende Bewegungsjagden scheinen hier das Gebot der Stunde zu sein. Der Ansitz an der Kirrung, soweit er der guten Selektion dient, ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Denn spätestens beim Auftreten einer reichen Baummast, wie im vergangenen Herbst/ Winter geschehen, ist diese nur eingeschränkt möglich.
Ein verstärkter Einsatz von Nachtsichttechniken dürfte zu einem noch höheren Jagddruck führen. Damit gehen eine stärkere Beeinflussung anderer Schalenwildarten (insbesondere des Rotwildes) und eine noch stärkere Verdrängung der Schwarzwildaktivitäten in die Nachtstunden einher. Auch beim Schwarzwild gilt der Grundsatz, dass die säugenden Muttertiere zu schonen sind – unabhängig einer gesetzlichen Schonzeit!

Ausblick

Wenn zum Wohl des Wildes die Jagdzeiten verkürzen werden sollen, so muss parallel dazu eine Ausweitung von Wildruhezonen und Sperrgebieten erfolgen. Es macht keinen Sinn, wenn die Jäger sich um eine Entspannung der Situation bemühen, wenn zeitgleich nicht eine Anpassung der anderen Naturraumnutzer erfolgt. Eine Lenkung der Naturnutzer ist hier angebracht.
Auch, oder gerade, die Jagd unterliegt einem starken gesellschaftlichen Druck. Es liegt an uns, wie wir mit diesen zu erwartenden Veränderungen umgehen und umzugehen wissen. Wir sind es der Jagd schuldig, uns rechtzeitig darauf einzustellen und von Beginn an bei möglichen Planungen und Entwürfen mitzureden. Agieren, statt reagieren, sonst werden die Jäger in die zweite Reihe verdrängt und sind zum Zusehen, wie andere über die Jagd entscheiden, verdammt.

Schlussbetrachtung

Bis zu einem gewissen Grad ist seitens der Jäger eine eigenverantwortliche Selbstbeschränkung erforderlich. Eines soll hier noch angemerkt werden: Der Jäger kann eine längere Schusszeit ausnützen. Er muss es aber nicht. Niemand wird ihn daran hindern, wenn er nicht bereits im Mai zu jagen beginnt und schon mit Ende November abgeschlossen hat. Das ist natürlich kein Einheitsrezept, welches so einfach in allen Revieren angewendet werden kann. Doch wenn es möglich ist, warum nicht? Sich nur auf die Gesetze auszureden hilft hier niemandem.
Im vorliegenden Artikel konnten natürlich nicht alle Themen der Jägertagung ausführlich behandelt werden. Wer mehr zu den Referaten und Vorträgen wissen will, kann dies auf www. raumberg-gumpenstein ausführlich nachlesen. Hier stehen alle Beiträge zum Nachschlagen und Herunterladen bereit.