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Hochwertiger Zellstoff von Schweighofer Fiber © DI Johannes Plackner

Edler Zellstoff von der Salzach

Ein Artikel von DI Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 14.05.2013 - 10:13
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Hochwertiger Zellstoff von Schweighofer Fiber © DI Johannes Plackner

Es sah schlecht aus für die alte Papierhochburg Hallein. Seit 1890 wird in Salzburgs zweitgrößter Stadt Druckpapier hergestellt. Doch die Verlagshäuser kaufen immer weniger. In Zeiten von Tablet-PCs und eBook-Readern hat sich das Geschäftsmodell gewandelt. Der Eigentümer M-real (eine Tochter der finnischen Metsäliitto-Gruppe) setzte 2009 mit der Papierproduktion aus. In einem Trauerzug trugen die übrig gebliebenen 300 Papiermacher von einst 800 ihre Zunft zu Grabe. Dem traditionsreichen Standort drohte das Ende. Doch es sollte anders kommen. Standortleiter Jörg Harbring hatte eine Idee, wie man das Werk retten könnte. Von billigem Papierzellstoff sollte auf hochwertigen Dissolving Pulp umgestellt werden. Dieses Produkt dient als Grundlage der Viskose- und Lyocellproduktion und erzielt zuverlässig zweistellige Wachstumsraten. Allein im Vorjahr stieg Chinas Importmenge um 42 %. Doch der Umbau eines Zellstoffwerks braucht eine Menge Kapital. Harbring begab sich auf Investorensuche und landete bei einem, der in der Holzindustrie wie kein Zweiter für strategisch richtige Investments bekannt ist: Gerald Schweighofer. „Der war von der Idee sehr schnell überzeugt“, erinnert sich Harbring. Aber auch der Sägewerksdoyen hatte einiges dazuzulernen. „Als ich ihn das erste Mal über das Gelände führte, hat sich Gerald Schweighofer beim Entrinder genau ausgekannt und gleich erkannt, was man besser machen könnte“, erinnert sich Harbring lachend. Was danach kommt, hat mit einer Verarbeitung á la Sägewerk aber nichts mehr zu tun. Harbring nimmt die Holzkurier-Leser mit auf eine interessante Exkursion, die schon Schweighofer hinter sich hat. Sie beginnt mit der nötigen Theorie und endet im Werksrundgang.

Hacken, kochen, waschen, …

Ausgangsstoff sind Hackschnitzel aus Holz, welches bekanntermaßen aus Zellulose, Hemizellulose und Lignin besteht. Endprodukt sind Ballen mit reiner Zellulose. Für die Umwandlung sind folgende Prozesse nötig:

Kochen: Das Holz wird chemisch in seine Einzelteile zerlegt. Acht Stunden in einer 140° C heißen Magnesiumbisulfitsäure erledigt das. Am Ende bleibt von den knackigen Hackschnitzeln ein undefinierbarer Brei, in dem aber die Zellulosefasern weitgehend unbeschädigt schwimmen. Im Fachjargon nennt man diese Methode Sulfitverfahren.

Waschen: Nach dem Kochprozess werden die Chemikalien von den Fasern getrennt. Die Ablauge enthält das Lignin und wird in Hallein verbrannt. Die Chemikalien werden, so weit möglich, wieder rückgeführt und erneut beim Kochen verwendet. Das Endprodukt dieser Stufe ist ein etwas hellerer Brei.

Bleichen: Nun gilt es, möglichst alles außer der Zellulose zu entfernen. Das übernehmen reaktive Chemikalien, wie Natronlauge, Wasserstoffperoxid und Ozon. Vereinfacht gesagt, docken diese an die Hemizellulose- und Ligninreste an und zerteilen sie. Die Reste lassen sich dann auswaschen. Die stabilen Zellulosefasern überstehen diese Prozedur dagegen weitgehend unbeschadet. Endprodukt ist ein strahlend weißer Zellulosebrei.

Trocknen: Dieser Brei wird nun vom Wasser befreit. Das macht eine 140 m lange Anlage, die im Grunde wie eine Papiermaschine aussieht und arbeitet. Die Zellstoffpulpe wird zwischen zwei Trockensiebe über eine Reihe beheizter Zylinder geführt. An deren Ende kommt ein kontinuierlicher Strom von 0,8 mm dicker Zellstoff heraus. Der wird zunächst in Rollen aufgewickelt. Eine Maschine schneidet ihn abschließend zu und bündelt ihn zu Ballen mit 0,5 mal 0,62 mal 0,73 m Größe und 200 kg.

60 Mio. € investiert

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Geschäftsführer Jörg Harbring vor einer 10?t schweren Rolle mit frischem Dissolving Pulp höchster Güte © DI Johannes Plackner

Wer heute durch die Werkshallen voll mit nagelneuen Anlagen marschiert, kann kaum glauben, dass dieser Standort kurz vor seiner Schließung stand. Doch die Umstellung hat viel Geld gekostet. 60 Mio. € nahm Schweighofer in die Hand. Ab Oktober 2011 geschah damit Folgendes:
–Errichtung einer neuen Biogasanlage
–Neubau der aeroben Kläranlagenteile
–Umbau der Eindampfanlage
–Erweiterung der Bleichanlagen mit Ozonbehandlung und Ozonkompressor
–Modernisierung der Papiermaschine aus 1964

Eine Menge hochwertiger Anlagen für eine ordentliche Stange Geld – warum ist dieser Aufwand jedoch notwendig? Und warum wird so ein Werk gerade in Hallein betrieben, wo doch die Textilindustrie in Asien sitzt? Harbring antwortet: „Wir exportieren unsere gesamte Produktion, haben aber trotzdem keine Transportkostennachteile. Zwei Mal pro Woche schicke ich 1200 t im Zug nach Bremerhaven. Dort landen je 26,5 t in einem Container, die per Schiff nach China verschickt werden.“ Dissolving Pulp gehört zudem zum qualitativ besten Zellstoff. Nur 1,5 % der Weltproduktion erreichen diese Güte. In der Viskosefabrik wird der Zellstoff dann aufgelöst und als Faser neu gesponnen. „Schauen Sie mal im Futter Ihres Sakkos, das ist 100 % Viskose“, erkennt der Zellstoffwerksleiter mit dem Expertenblick. Damit aus Holz hochwertiges Textil wird, muss aber auch die Qualität des Rohstoffs passen. „Man braucht 25 bis 30 % Nadelholzzellstoff. Eukalyptus ist zwar in der Verarbeitung billiger, aber die Fasern im Nadelholz sind länger. Das bringt hohe Festigkeit. Heimische Fichte ergibt einen hervorragenden Zellstoff“, erklärt Harbring.

Ein Ringpile mit 150.000 fm

Stichwort Rohstoff: Am Holzplatz thront ein Ringpile mit 160 m Durchmesser. „So nennen wir unser Hackschnitzellager. Hier liegen bis zu 150.000 fm.“ In dem Riesenhaufen erhitzen sich die Schnitzel auf 60° C. Das ist beabsichtigt, weil diese Temperatur Harz abbaut, welches im Prozess stören könnte.
Beim Werksbesuch entleert sich gerade ein Lkw von Pfeifer Holz. „Wir beziehen hochwertige Hackschnitzel von den bekannten Sägeindustrien in und um Salzburg. Reicht das nicht, kann ich Ganzzüge aus Schweighofers Sägewerken in Rumänien bestellen. Das ist ziemlich bequem“, freut sich der Geschäftsführer über Synergien, die der neue Eigentümer ermöglicht. Für die Versorgung ist Anton Putz zuständig. Er verantwortet den Zukauf von 700.000 fm/J für die Zellstoffproduktion und 120.000 fm/J für das Biomassekraftwerk. Damit zählt der Standort zu den größten Holzverbrauchern Österreichs. Auch geringe Mengen Rundholz verarbeiten die Halleiner. Dazu wurde 2010 eine Entrindungsanlage angeschafft.
Aus seinem Rohstoff erzeugt Schweighofer Fiber 140.000 t/J Dissolving Pulp. Bei „extrem guten Preisen“ könnte man eine zweite Ausbaustufe auf 170.000 t/J realisieren. Klingt viel, ist aber angesichts der neuen Megawerke in Südamerika bescheiden. Dort werden über 1 Mio. t/J Papierzellstoff erzeugt. Trotz der Konkurrenz sind Harbring und Schweighofer von ihrer Strategie überzeugt. „Der Verbrauch an Dissolving Pulp steigt stetig. Und die Verarbeiter haben jetzt schon Probleme, genug Nadelholzzellstoff zu bekommen. Unser Vorteil ist, dass wir dieses Produkt mit sehr hoher Qualität und Versorgungssicherheit bereitstellen können“.

70 Mio. €/J Umsatz mit Zellstoff

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Hier liegen bis zu 150.000?fm Holz: Von oben sieht der Haufen aus wie ein Donut - der Fachmann sagt "Ringpile" dazu. Das Herz des Ringpile erhitzt sich von allein auf über 60°?C ? das ist erwünscht, weil so Harzbestandteile abgebaut werden © DI Johannes Plackner

Wer glaubt, dass der Rundholzpreis zu volatil ist, hat sich noch nie mit Dissolvingzellstoff beschäftigt. In den vergangenen drei Jahren schwankte dessen Preis zwischen 1000 und 2600 US-$/t. Daher ist die Umsatzprognose schwierig. 70 Mio. €/J erwartet Harbring mit der Zellstoffsparte. Dazu kommen jährlich rund 10 Mio. € allein über den Verkauf von Energie.
Alles in allem eine Erfolgsgeschichte? Ja. Harbring rechnet bereits im ersten Jahr, die Gewinnzone zu erreichen. Alle strategischen Entwicklungen sehen gut aus. Trotzdem gab es erhebliche Probleme beim Umbau. Die Inbetriebnahme hätte eigentlich schon zwei Monate früher geschehen sollen. Doch der Rechenfehler eines Statikers sollte sich als fatal erweisen. In der Nacht von 24. auf 25. Juni wurde das neue Wasserbecken der Kläranlage gefüllt. Es wurde überprüft, ob die Ecken der Betonwände dicht sind. Nachdem 7 Mio. l Wasser im Becken waren, brach aber genau jene Wand aus, die zu der Produktionshalle zeigte, und durchschlug deren Außenhülle. Die Verwüstung war enorm. „Einen Meter hoch stand das Wasser, als ich in der Nacht aufs Gelände kam“, erinnert sich Harbring. Doch auch hier gab es keinen Anlass, die Fabrik zu Grabe zu tragen. Der Schaden betrug inklusive des Produktionsausfalles 20 Mio. €, war aber versichert.