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EU-Beihilferecht könnte Klausners NRW-Verträge aushebeln

Ein Artikel von Hannes Plackner | 11.11.2015 - 13:56
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Der umstrittene Rundholz-Liefervertrag zwischen Klausner Holz und dem Land Nordrhein-Westfalen könnte aufgrund des EU-Beihilferechts als nichtig erklärt werden. Das geht aus einer heute veröffentlichten Entscheidung des EuGH hervor.

Welche konkreten Auswirkungen diese hat, wird von den Prozessparteien aber unterschiedlich interpretiert. Klausner Holz betont, dass sich der EuGH gar nicht zum Vorwurf der illegalen Beihilfen geäußert habe. „Wir gehen nun davon aus, dass die EU-Kommission dem erkennbaren Rechtsmissbrauch von NRW-Minister Johannes Remmel ein Ende bereitet. Wir fordern das Land NRW nochmals auf, den Schaden von Klausner auszugleichen und zu einem Treu und Glauben entsprechenden Verhalten zurückzukehren.“

Das NRW-Umweltministerium sieht in der Entscheidung dagegen einen „wichtigen Teilerfolg bei Holzverträgen. Das Landgericht Münster hatte die umstrittenen Liefervereinbarungen mit dem Klausner-Konzern bereits als wettbewerbswidrige Beihilfe bewertet. Jetzt hat der EuGH anlässlich des Klausner-Verfahrens festgestellt, dass auch rechtskräftige nationale Gerichtsurteile das europäische Beihilfenrecht nicht außer Kraft setzen können“, äußert sich der ressortzuständige Minister Remmel.

Im zwölfseitigen Urteil wird das rechtliche Dilemma deutlich. Das Oberlandgericht Hamm hatte 2012 unanfechtbar die Rechtsgültigkeit der Verträge festgestellt. Dabei wurde aber nie geprüft, ob gegen das EU-Beihilfenrecht verstoßen werde. Genau diesen Verstoß hat das Landgericht Münster zwei Jahre später erkannt. Im heute veröffentlichten Urteil ging es darum, ob das EU-Beihilfenrecht ein unanfechtbares Urteil eines deutschen OLG durchbrechen könnte.

Der EuGH entschied in komplizierten Juristendeutsch, dass die Unanfechtbarkeit des Hamm-Urteils nicht gegeben sei, weil in diesem Verfahren die Beihilfenthematik außer Acht gelassen wurde. Das liest sich (auszugsweise) so: „Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist es nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift […] ein nationales Gericht daran hindert, […] sämtliche Konsequenzen aus diesem Verstoß zu ziehen, weil in einer unanfechtbar gewordenen Entscheidung […] ohne Prüfung der Frage, ob mit den genannten Verträgen eine staatliche Beihilfe verbunden ist, ihr Fortbestand festgestellt wurde.“

Der weitere Ausgang ist weiterhin offen. Das Verfahren geht zunächst an das Landgericht Münster zurück. Doch auch dort wird wohl kein endgültiges Urteil gefällt. Remmel hatte etwa schon angekündigt, notfalls den Instanzenzug voll ausnützen zu wollen. Am Ende könnte die Causa wieder auf europäische Ebene zurück gehen – und zwar an die EU-Kommission. Deren Entschluss hätte verfahrensbeendene Wirkung. Denkbar wäre nun, dass das Landgericht Münster die vorübergehende Aussetzung der Verträge anordnet.

Historie: ein Liefervertrag, der die Gerichte beschäftigt

Im Kern des Verfahrens steht der umstrittene Vertrag der 2007 kurz nach Sturmtief Kyrill abgeschlossen wurde. Darin verpflichtete sich der Landesbetrieb NRW über sieben Jahre zur Lieferung von 500.000 fm/J – was ungefähr das Doppelte des Nachhaltshiebssatzes ist. Das Land betrachtete den ungeliebten Vertrag als ungültig, nachdem Klausner vereinbarte Mengen nicht abnahm. Das Oberlandgericht Hamm stellte allerdings die Gültigkeit rechtskräftig fest. Klausner klagte auf Schadenersatz, der bis zu 120 Mio. € ausmachen könnte. Das Land wehrte sich mit einer Beschwerde, wonach es sich beim strittigen Vertrag um eine illegale Beihilfe handle und dieser damit nichtig sei.