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Jedes Sägeblatt wird von Hand für eine perfekte Planlage gerichtet © Robert Kittel

Denken in Hundertsteln

Ein Artikel von Robert Kittel | 18.12.2012 - 07:51
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Jedes Sägeblatt wird von Hand für eine perfekte Planlage gerichtet © Robert Kittel

Der Qualitätsmanager Harald Hamedinger wird sehr lebhaft, wenn man ihn auf die verschiedenfarbigen Auftragskuverts anspricht. Die gelben seien für Hartmetallwerkzeuge, blaue würden mit PKD-Schneiden ausgerüstet, erklärt er das System: „Das Einzige, was ich da herinnen nicht sehen will, sind rote Kuverts. Die bedeuten nämlich Ausschuss.“ Damit man keine roten Kuverts braucht, tut man alles – jeder Produktionsschritt werde immer wieder neu überdacht und optimiert. Dabei spielen die Mitarbeiter eine wichtige Rolle, erzählt er: „Unser Geschäftsführer sitzt nicht irgendwo oben, sondern ist wahrscheinlich mehr in den Produktionshallen anzutreffen als in seinem Büro.“ Die kurzen Wege in die Führungsebene würden Verbesserungen einfach machen, sagt Hamedinger. Zum Beispiel verwende man schon seit Jahren kein Waschbenzin mehr zur Reinigung und Entfettung, führt er aus: „Heute machen das schmutzfressende Bakterien für uns.“
In der Fräserfertigung in Riedau und der wenige Kilometer entfernten Sägenproduktion im Werk Zell stehen die modernsten Produktionsanlagen, die der Markt zu bieten hat. „Teilweise haben wir diese Maschinen dann noch selbst verbessert“, erzählt Hamedinger. Dass man so etwas drauf hat, zeigt ein Blick ins Versuchslabor. Dort steht die „Universalversuchsmaschine“ für Werkzeugtests: eine selbst konstruierte Fünfachs-CNC – Made by Leitz. „Es gab nichts Passendes“, untertreibt er dezent. Der gewaltige Fünfachser hat eine Leistung von 51 kW und kann mit Werkzeugen bis zu 35 kg arbeiten. Dementsprechend monströs ist auch der Werkzeuganschluss ausgefallen – HSK 100.

Kompetenzzentrum für Fenstergarnituren

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Made by Leitz: Die gewaltige "Universalversuchsmaschine" arbeitet mit Werkzeugen bis 35?kg © Robert Kittel

Forschung und Entwicklung haben im Haus hohen Stellenwert. „Der österreichische Fenstermarkt ist sehr anspruchsvoll“, erläutert Leopold Humer, der für die Konstruktion verantwortlich ist, „deswegen entwickeln wir Fenstergarnituren in Riedau, da sind wir näher am Kunden.“ 65 % der Produktion gehen in den Export, mit Deutschland als wichtigstem Absatzmarkt. Die Neuheiten kämen aber zuerst in Österreich auf den Markt, erzählt er. „Wenn unsere Kunden hier zufrieden sind, dann ist das Produkt anderswo der Entwicklung voraus.“ Woran man derzeit arbeitet, darüber schweigt sich Humer aus. Im kommenden Jahr dürfe man aber von Leitz auf der Ligna und BWS einiges erwarten – speziell im Fensterbau –, verrät er dann doch noch.

Verliebt in Werkzeug

Forschungsvorsprung und moderne Maschinen seien aber nicht alles, man brauche auch die Fachleute, die damit umgehen können, erzählt Franz Ecker, der Leiter der Lehrwerkstatt. Die bildet man selbst aus. Wie wichtig dies für das Unternehmen sein dürfte, erkennt man daran, dass Leitz zurzeit 33 Lehrlinge in der Lehrwerkstatt hat. Dort lernen sie neben feilen, drehen und fräsen vor allem eines: „Bei uns müssen schon die Lehrlinge in Hundertsteln denken lernen“, bringt Ecker es auf den Punkt. Fast die gesamte Belegschaft hat irgendwann als Lehrling bei Leitz begonnen. So wie Manfred Mayrhuber, der Produktionsleiter in der Sägenfertigung: „Ich habe bei Leitz gelernt und bin mit Hundertsteln aufgewachsen“, ist er stolz. Heute denke er aber eher in tausendstel Millimetern. „Unsere Maschinen sind sehr präzise. Aber es gibt Arbeitsschritte, wo man die Menschen einfach nicht ersetzen kann.“
Beispiele dafür findet man in der Produktion auf Schritt und Tritt. Bei Sägeblattrohlingen wird nach dem Auslasern der Blattform Zahn für Zahn von Hand entgratet, das verbessert die Genauigkeit beim Löten der Zähne. Großen Wert legt man auf das Richten der Blätter. Sie werden zuerst maschinell gerichtet, dann geprüft und von Hand nachgerichtet. Eine heikle Arbeit, speziell bei den Dünnschnittsägen, erklärt Mayrhuber: „Die spannen wir beim Richten mit dem vom Kunden verwendeten Flanschdurchmesser, damit es 100 %ig gerade wird.“ Jede einzelne der täglich produzierten Sägen wird von Hand gerichtet, auch die Großsägen, die man bis 1300 mm Durchmesser fertigt. Es braucht viel Erfahrung, um mit einigen gezielten Hammerschlägen dem Blatt zu perfekter Planlage zu verhelfen.
Nach den schier endlosen Reihen von Schleif-, Löt- und Erodiermaschinen ist das Hallenende wohl am beeindruckendsten. Nach unzähligen Kontrollen bei jedem Fertigungsschritt, die auch auf den eingangs erwähnten farbigen Auftragskuverts paraphiert werden, kommt die Endabnahme. Auf einer Strecke von 50 m wird das Werkzeug abermals auf Herz und Nieren überprüft, vermessen und geputzt. Erst, wenn es diese Prüfstrecke „überlebt“ hat, darf es verpackt werden und geht sofort ins Auslieferungslager.
Mayrhuber ist sicher: „Wenn man in sein Werkzeug verliebt ist, dann wird es besser …“