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Das Geheimnis des guten Holzklangs

Ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Rupert Wimmer | 17.07.2012 - 08:02
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Wird auf einer Gitarre eine Saite gezupft, dann leitet die schwingende Saite ihre Energie über den Steg an die Gitarrendecke und somit an den Korpus der Gitarre weiter. Im Korpus gelangt Luft zum Oszillieren, es entstehen hörbare Schallwellen. Neben der Decke besteht der Korpus aus dem Boden und den Seitenwänden, der Zarge. Natürlich spielen alle Teile der Gitarre für den hörbaren Klang eine Rolle. Die größte Bedeutung hat die Beschaffenheit der Decke. Deshalb spielt diesbezüglich die Holzwahl eine entscheidende Rolle.
Da die Saiten über den Steg Zugkräfte auf die Decke übertragen und dort Zug- und Druckspannungen verursachen, ist auch die Eigensteifigkeit des Holzes wichtig. Auf einer Westerngitarre werden von den Stahlsaiten immerhin bis zu 50 kg an Zugkräften übertragen und die Decke soll dabei auf Dauer ohne Verformung stabil bleiben. Als Holzart für die Decke wird manchmal Zedernholz verwendet, seltener Mahagoni, Ahorn oder Walnuss. Die bevorzugte und häufigste Holzart ist aber eindeutig die Fichte. Neben der Europäischen Fichte gelangen meist die drei nordamerikanischen Arten, Sitka-, Engelmanns- und Adirondack-Fichte, zum Einsatz. Um klanglich gute Ergebnisse zu bekommen, soll das Deckenholz möglichst geringe Dichte bei hoher Elastizität aufweisen.
Fichte scheint diesen Anforderungen am besten zu entsprechen. Traditionellerweise verlässt man sich bei der Auswahl des Holzes auf sichtbare Holzmerkmale: gleichmäßige und enge Jahresringe, keine Äste, kein Drehwuchs, kein Reaktionsholz, keine Verfärbungen, keine Harzgallen. Mit Messgeräten lassen sich weitere Eigenschaften ermitteln: Biegesteifigkeit in Längs- und Querrichtung sowie die Holzdichte, die sogenannte Dämpfung. Letztere ist bei Klangholz ein besonders wichtiges Phänomen. Sie kommt dadurch zustande, dass sich bei Vibrationen des Holzes die Zellwände aneinander „reiben“ und der Ton durch diesen Abbau der Schwingungsenergie nach einer gewissen Zeit verklingt. Je dichter das Holz ist, umso höher die Dämpfung. Die Schallwellen können sich in der Decke des Instruments weiter ausbreiten und der Ton hält länger an. Fichtenholz hat eine vergleichsweise geringe Dämpfung bei gleichzeitig guter Eigensteifigkeit. Besteht ein günstiges Verhältnis von Dämpfung und Steifigkeit des Holzes, kann die Decke dünner gemacht werden. Der Klang verbessert sich dadurch.
Wie kann nun die Qualität des Klangholzes bestimmt werden? Genaue Untersuchungen zu dieser Frage haben neue Erkenntnisse gebracht. Während man noch immer auf enge Jahresringe achtet, wissen wir heute, dass die Jahrringbreite den Klang kaum beeinflusst. Es zeigte sich nämlich, dass nicht die Jahrringbreite, sondern die Holzdichte den Klang des Holzes bestimmt. Holzkenner werden an dieser Stelle nicken, gibt es doch tatsächlich keinen direkten Zusammenhang zwischen Jahrringbreite und Holzdichte.
Seit Jahrhunderten haben Gitarren- und Geigenbauer auf Holz geklopft, um so die guten Klanghölzer zu finden. Es wird berichtet, dass der Tiroler Geigenbauer Jakob Stainer (1617-1683) die Baumstämme, aus denen er die Decken für seine Instrumente geschnitten hat, nach ihrem Eigenklang aussuchte. Dazu hielt er sich am Ende einer Riese auf, das war die rinnenartige Rutschbahn zum Abtransport des geschlagenen Holzes aus dem Gebirge. Während die frisch geschlagenen Bäume ins Tal donnerten, hörte Jakob Stainer auf die Töne, die entstanden, wenn die Stämme bei der Talfahrt irgendwo anschlugen. Hat Stainer so tatsächlich das beste Klangholz ausgewählt? In einem Versuch wurde mit Messgeräten an rohen Fichtendecken die Höhe des „Klopftons“ bestimmt, bevor man daraus Gitarren fertigte. Gitarristen und Nichtgitarristen kamen zu Hörtests und beurteilten den Klang der daraus gefertigten Gitarren. Die Gitarristen haben zusätzlich die Instrumente selbst bespielt und die Klangqualität erneut bewertet. Es zeigte sich, dass die Höhe des Klopftons tatsächlich sehr eng mit der empfundenen Klangqualität zusammenhängt. Da sich durch den Klopfton der zugeschnittenen, noch rohen Decke bereits die Qualität des zukünftigen Instrumentes abschätzen lässt, hat Stainer also richtig gehandelt.
Die anderen Merkmale des Holzes, wie die Jahrringbreite, haben zwar geringere bis keine Bedeutung für den Klang, sind aber mitbestimmend für das Aussehen des Instruments. Da ansprechende Optik bei einem Musikinstrument mindestens so wichtig ist wie sein Klang, muss Holz umfassend beurteilt und richtig verwendet werden. Dass Klangholz Jahrzehnte lagern sollte, bevor es zum gut klingenden Instrument wird, konnte ebenfalls nicht bestätigt werden. Wenige Jahre Lagerung genügen – außer, man möchte unbedingt höchste Ansprüche absichern. Unbeantwortet ist noch die Frage, wieso eine eingespielte Gitarre anders beziehungsweise meist besser klingt als ein neues Instrument? Die meisten Gitarristen bestätigen nämlich diese Behauptung. Das geht so weit, dass Gitarrenbauer mitunter Instrumente anbieten, die von renommierten Gitarristen bereits eingespielt wurden. Verändert die Spielweise das Holzgefüge? Sind es die Leimfugen, die sich beim Einspielen entspannen und dadurch zum besseren Klang führen? Zum Thema Holz und Klang gibt es noch viele spannende Fragen. Eine Frage ist aber leicht zu beantworten. Wer wünscht sich Musik ohne den Beitrag klingender Hölzer? Niemand!