14356535506190.jpg

© ETH

Buche und Esche

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 01.07.2015 - 18:04
Es sind spannende Zeiten für Prof. Andrea Frangi. Der Tessiner leitet die Professur für Holzbau am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich. In dieser Funktion hat er nicht nur eine Reihe von Holzinnovationen mitentwickelt. Sie wurden nebenan im ETH House of Natural Resources (HONR) am Campus Hönggerberg in die Praxis umgesetzt. Für diese Arbeit wurde er gemeinsam mit seinem Kollegen Flavio Wanninger sowie Katrin Hauser von Climate-KIC, Zürich, und Dr. Jan Hamm von Häring mit einem Schweighofer-Innovationspreis bedacht.
Weltpremieren im tragenden Bereich sind die vorgespannte Rahmenkonstruktion, eine Holz-Beton-Ver-bunddecke mit Buchen-Furnierschichtholz, und eine zweiaxiale Buchen-Kasettendecke. Weiters wurden eine adaptive Solarfassade sowie mehrere Typen von wasserabweisenden und UV-geschützten Holzfassaden aus Fichte und Buche montiert.

Innovationen frühestmöglich testen

14356535399946.jpg

Prof. Andrea Frangi (Mitte) und sein Team erhielten den Schweighofer-Innovationspreis © Schweighofer

Buche am Bau, Fichte an der Fassade und statt verschraubter Verbindungen ein durchlaufendes Stahlseil – kann das alles glatt laufen? „Ja, wir sind im Zeitplan. Das Haus wird jetzt möbliert. Wir hatten keine gravierenden Verzögerungen“, berichtet Frangi im Holzkurier-Interview.
Natürlich ist das HONR ein Forschungsobjekt. Zumindest der vorgespannten Kon-struktion und den HBV-Decken gibt der Professor aber auch Praxischancen. Alle Bemessungsgrundlagen hat sein Team schon erarbeitet. Einer Umsetzung in der – in puncto Baunormen sehr liberalen – Schweiz steht nichts entgegen. „Die Ideen war es ja, mit dem House of Natural Resources Innovationen im frühen Zustand zu testen. Wir haben bewiesen, dass es geht.“ Nach dem erfolgreichen Bau wird nun die Langzeiteignung erhoben. Die Forscher haben dazu Dutzende Kraftmessdosen und Sensoren montiert.
14356535506190.jpg

© ETH

14356535465348.jpg

Buchen-Kasettendecke mit oben liegender, 12?cm starker Brettsperrholz-Platte aus Buche und unten liegenden Buchen-LVL-Lamellen © ETH

Esche und Buche in der Praxis

Zentrales Elemente im Tragwerk sind kombinierte Eschen-Fichten-Träger und reine Eschenstützen. Rein rechnerisch ergibt sich für Letztere eine Festigkeitsklasse von rund GL40. „Die Zuordnung ist aber nicht einfach. Normen gibt es dafür keine.“ Die vorgespannten Träger bringen übrigens keinerlei Vorteile bei Steifigkeit und Tragfähigkeit. Dafür ist diese Verbindungsmethode besonders einfach anzuwenden und unempfindlich gegenüber Erdbeben.
Künftig erwartet Frangi, mehr Laubholz am Bau zu sehen. „Wir haben erste gute Erfahrungen mit Buche als Furnierschichtholz und Esche als Brettschichtholz. Esche wäre materialtechnisch sehr geeignet, aber das Vorkommen ist begrenzt. Das größere Potenzial sehe ich daher bei der Buche aufgrund der großen verfügbaren Menge.“
14356535595995.jpg

© ETH

14356535541277.jpg

Skeletttragwerk mit Eschen-Stützen und vorgespannten Fichten-Eschen-Hybridleimbindern © ETH

Vorsicht bei der Vielfalt

Die Vorteile bei brettbasierten Holzwerkstoffen (BSH und BSP) sieht der ETH-Professor in der größeren Produktionserfahrung und der simplen Produktion von großen Querschnitten.
Furnierprodukte (LVL und Sperrholz) spielen ihre Stärken hingegen mit ihren zuverlässigen und homogenen Produkteigenschaften aus. „Gut, dass es mit Pollmeier ein Unternehmen gibt, welche das nun auch aus Buche produziert“, lobt Frangi. Sein Team forscht nun weiter an der Vision eines hölzernen Werkstoffs, der „zuverlässig wie Stahl, dauerhaft wie Stein, unbrennbar und duktil sein soll.“ In Zürich wird dafür beispielsweise die Kombination von Laubholzwerkstoffen mit anderen Baumaterialien, vor allem aber mit Beton, untersucht.
Gedacht wird in alle Richtungen. Doch Frangi warnt: „Bei der Entwicklung ist Vielfalt wichtig. Danach muss aber standardisiert werden. Der Holzbau muss aufpassen, dass er nicht an Vielfalt und Komplexität erstickt.“