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Spitze der Papierindustrie: Mark Lunabba (Heinzel Laakirchen), Wolfgang Pfarl (Präsident Austropapier), Dr. Max Oberhumer (Sappi Gratkorn) © Austropapier

Bestenfalls Stagnation

Ein Artikel von Hannes Plackner | 25.04.2014 - 08:06
Geprägt vom Minuszeichen präsentiert sich die Bilanz der österreichischen Papierindustrie 2013. Produktion und Umsatz der Zellstoff- und Papierwerke sanken. In keinem einzigen Segment berichtete Austropapier-Präsident Wolfgang Pfarl bei der Jahrespressekonferenz am 24. April von Zuwächsen (s. Tabelle).
Die Digitalisierung drückt Buch- und Zeitschriftenauflagen. Grafische Papiere werden weniger nachgefragt – ergibt einen Rückgang um 3,6 %. Das 3,4 %-Minus bei Verpackungspapier aber liegt weniger am schwachen Bedarf, sondern an der Stilllegung der Wellpappeproduktion Frohnleiten (Prinzhorn-Gruppe). Pfarl fasst zusammen: „2013 war ein Jahr, das uns wirklich gefordert hat.“ Im besten Fall werde die Industrie in den kommenden Jahren stagnieren.
Eine Großinvestition, wie sie tags zuvor von Metsä in Finnland angekündigt worden ist (1,1 Mrd. €-Zellstoffwerk), hält Pfarl gegenwärtig für „völlig ausgeschlossen“. Aufgrund der subventionierten Biomasseverbrennung gebe es dafür nicht mehr genug Holz in Österreich.
Produktionsmenge der wichtigsten Papier- und Zellstoffsortimente in Österreich 2013
SortimentMenge [Mio. t ]Diff. zu 2012
Grafische Papiere2,7–3,6 %
Verpackungspapier1,9–3,4 %
Spezialpapiere0,27–0,4 %
Zellstoff1,6–0,9 %
Holzstoff0,36–6,5 %

Pöls: 1 Mio. fm fehlen heuer

Bei der gut besuchten Pressekonferenz berichtete Mark Lunabba, Vorstand der zur Heinzel-Gruppe gehörenden Laakirchner Papierfabrik, von dramatischen Versorgungssituationen im Vorjahr. „Es gab Zeiten, wo wir in der Zellstofffabrik Pöls (Anm: ebenfalls Heinzel-Gruppe) nicht genügend Holz für die nächste Woche hatten. Nur ein geplanter Stillstand hat uns gerettet“, beschrieb der gebürtige Finne.
Stichwort Pöls. Nach dem geplanten Stopp kam der ungeplante. Am 23. März wurde der Laugenkessel von einer Verpuffung beschädigt. Laut Pfarl braucht das Werk daher im laufenden Jahre um 1 Mio. fm weniger Holz. Kombiniert mit dem milden Winter, Schneebruch auf der Alpensüdseite und Stopp des Biomassekraftwerks Simmering hat sich die Versorgungssituation binnen Wochen gedreht. „Man rennt uns die Tür ein und sagt: ,Nehmt unser Holz‘“, erklärte Pfarl. Doch auch diese Situation sei unerfreulich, niemand weiß, wie lange das noch andauere. Die Einkaufsorganisation Papierholz Austria reagiert auf das hohe Angebot mit vermindertem Import. Allerdings seien die meisten Auslandslieferverträge langfristig und könnten nicht storniert werden. Schiffsladungen aus Südamerika wie zu Jahresbeginn werde es aber zunächst keine mehr geben.

Gratkorn steht für drei Monate

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Spitze der Papierindustrie: Mark Lunabba (Heinzel Laakirchen), Wolfgang Pfarl (Präsident Austropapier), Dr. Max Oberhumer (Sappi Gratkorn) © Austropapier

Der nächste größere Stillstand eines Zellstoffwerks in Österreich ist ebenfalls schon absehbar. Sappi wird seinen 36 Jahre alten Laugenkessel in Gratkorn sanieren. Die Modernisierung ist im II. Quartal 2015 geplant und soll drei Monate dauern. In dieser Zeit wird kein Holz verarbeitet. Den Minderbedarf schätzt Geschäftsführer Dr. Max Oberhumer auf 300.000 fm. Das werde aber durch geringere Importe kompensiert. An der Nachfrage im Inland ändere sich nichts.
Der Importanteil beim Rohholz stieg im Vorjahr von 32 auf 41 % an. Die Papierindustrie versorgt sich mittlerweile in 18 Ländern, darunter Südamerika und Schweden. Ein Viertel der Holzimport hat über 1000 km am Buckel, bevor es in österreichischen Papierfabriken verarbeitet wird. Das ist teuer. Seit 2005 stiegen die Holzbezugskosten um 68 %.
Umso beachtlicher ist, dass die Unternehmen nach wie vor am Weltmarkt agieren. „Wir exportieren 95 % der Produktion in Gratkorn“, sagte Oberhumer. 70 % davon bleiben in Europa, aber es gebe sogar Kunden in Hongkong. Damit das so bleibt, wiederholte er die bekannten Forderungen der Industrie. Die „Dekarbonisierung“ müsse mit Augenmaß geschehen, ansonsten führe sie zur „Deindustrialisierung“. Das Ziel, 40 % CO2 bis 2030 einzusparen, hält Oberhumer für zu ambitioniert. Realistisch seien höchstens 30 bis 35 %.

„Vernünftiger“ Tarif mit Bahn

Biomasse-Subventionen und CO2-Regelwerke führen schnurstracks zur Politik. Die Papierindustrie verhandelt daher mit den zuständigen Regierungsmitgliedern (Rupprechter, Mitterlehner, Bures). „Gute Gespräche“ hätten sich dabei ergeben. Pfarl nimmt die Branche als wertgeschätzt wahr. Immerhin: Biomassekraftwerk in Klagenfurt – Aufreger des Vorjahres – gibt es nach wie vor keines.
Und die Differenzen mit der Railcargo Austria (RCA) haben sich auch verflüchtigt. Zur Erinnerung: 2010 hat Pfarl im Namen der Kooperationsplattform Forst Holz Papier noch vor dem Bundeskanzleramt protestiert. „Die Bahn zwingt uns von der Schiene auf die Straße“, wurde damals Infrastrukturministerin Bures kritisiert. Heute bezeichnet der Austropapier-Präsident das Verhältnis mit der RCA dagegen als „konstruktiv“. Den kürzlich abgeschlossenen dreijährigen Blatttarif bezeichnete er als „sehr vernünftig“.
Mittlerweile sitzt man schon am nächsten Verhandlungstisch, diesmal mit den Arbeitnehmervertretern. Die Industrie geht mit den Forderungen ins Rennen, dass die kollektivvertraglich geregelten Löhne maximal um die Inflationsrate steigen dürften. Die betrug in Österreich im Vorjahr 2 %.

Investition trotz Umsatzflaute

Selbst in Krisenjahren investierten Österreichs Papier- und Zellstoffwerke jedes Jahr mindestens 100 Mio. € in ihre Anlagen. Doch das ist zu wenig, um am Stand der Technik zu bleiben, betonte Lunabba. Eine leichte Investitionswelle brachten die vergangenen zwei Jahre: Zellstoff Pöls erneuerte seine Papiermaschine (Baujahr 1953) für 115 Mio. €. Der neue Laugenkessel von Mondi Frantschach kostete 60 Mio. €. Schweighofer investierte 56 Mio. € in den Umbau von Hallein. Zudem wurden in Pöls, Frantschach, Bruck und Wattens mehrere zehntausend Haushalte per Fernwärme mit Papier- und Zellstoffwerken verbunden. Im Herbst folgt die Modernisierung der Papiermaschine von Gratkorn.

Entlastung oder Abwanderung

Doch wie passen die Klagen über die Rahmenbedingungen mit den Investitionsplänen zusammen? Auf Nachfrage eines ORF-Radioreporters bekräftigte Pfarl, dass durchaus nicht alle der 24 österreichischen Papier- und Zellstoffwerke gesichert seien. Die Investitionen seien nötig, um den technischen Anschluss nicht zu verlieren. Als Menetekel sollte Hallein gelten. Das dortige Papierwerk schloss 2009 (produziert aber mittlerweile für die Schweighofer-Gruppe Dissolvingzellstoff).
Im populären Ö1-Mittagsjournal wurde gleich darauf konstatiert, dass die Branche mit Abwanderung drohe, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Die bekannten Standpunkte lauten:
    keine Förderung weiterer Biomasseanlage mit mehr als 100.000 fm/J Brennstoffbedarfstatt Einspeisetarife nur mehr Investmentförderungen, und zwar ausschließlich für hoch effiziente AnlagenBegrenzung der Ökostromkosten durch Deckelung der FördersummeAusarbeitung einer österreichweiten Holzversorgungsstrategie für alle Nutzungen als Voraussetzung für weitere Subventionen rohstoffabhängiger Anlagen.hp