14633561301157.jpg

140 Teilnehmer lauschten während der Ligna Conference den Vorträgen © Dinah Urban

4.0 ist längst da

Ein Artikel von Dinah Urban | 17.05.2016 - 07:48
14633561301157.jpg

140 Teilnehmer lauschten während der Ligna Conference den Vorträgen © Dinah Urban

Wer in der Holzwelt zu Hause ist, den zieht es um Christi Himmelfahrt stets nach Hannover. Um die besagte Ligna-Woche im Mai auch in geraden Jahren mit ähnlichem Flair zu füllen, lud die Deutsche Messe heuer zur ersten Ligna Conference aufs Messegelände. Dem Ruf folgten 140 Verantwortliche aus der Weiterverarbeitung. Aus Deutschland, den Nachbarländern und aus Kanada reisten sie an, um sich für die Fertigungsvernetzung in ihren Unternehmen inspirieren zu lassen. Konkrete Lösungsansätze waren gefragt. Diesem Anspruch wurde die Veranstaltung gerecht. Sie zeigte außerdem, dass sich die Industrie bereits mitten im Umbruch befindet.

Ängste ablegen und loslegen

In ihren Auftaktvorträgen ermutigten Vertreter namhafter Konzerne die Anwesenden dazu, sich den Weg in die Industrie 4.0 nicht allein aufzubürden. Timothy Kaufmann vom IT-Entwickler SAP Deutschland riet zu einer Besinnung auf die eigenen Kernkompetenzen und zum Einholen weiterer Expertise von Partnerunternehmen. Das sei nicht nur effizient, sondern sorge gerade in Veränderungsprozessen für die nötige Weitsicht. Er informierte außerdem über die Möglichkeiten junger Geschäfts- und Entwicklungsmodelle, wie die Bezahlung für Verfügbarkeit einer Maschine (pay per function) oder sogenannte Open Source-Plattformen, auf denen Allgemeinwissen gemeinsam entwickelt und dann im eigenen Unternehmen gezielt eingesetzt werden kann.
Holzdivisionsleiter Markus Kuhbach von Adolf Würth unterstützte diesen Rat. Das Unternehmen, welches sich ursprünglich mit der Schraubenproduktion befasste, bietet Handwerkern mittlerweile umfangreiche Unterstützungsmöglichkeiten, wie eine Rund-um die-Uhr-Betreuung über diverse Kanäle, schnelle Lieferzeiten und die Zulieferung von Gleichteilen, wie Wunschmaß-Schubladen für individuelle Stauraummöbel.
IKEA Industry-Strategiemanager Per Berggren stimmte mit seinen Vorrednern überein, dass die reine Datenerhebung noch keine Industrie 4.0 mache. Die Auswertung und Verwendung an der richtigen Stelle seien notwendige Folgeschritte. Dabei hält der Schwede es jedoch für wichtig, einfach einmal auszuprobieren und anschließend zu eruieren, was verschiedene Schritte in eine vernetzte Fertigung gebracht haben. Mit einer ausgewogenen Mischung aus Automation, Standardisierung und Flexibilität schaffe es die Möbelindustrie, am Markt zu bestehen.

Chance für Industrie und Handwerk

14633561405232.jpg

Das Podium zur Diskussion war gespickt mit Experten, die sich mit der vernetzten Fertigung auskannten © Dinah Urban

Inspiration und eine Ahnung, wie weit sich das Thema der vernetzten Fertigung durch das Unternehmen spannt, vermittelten die folgenden Redner. Olaf Katzer von der Volkswagen Akademie nahm vorweg: „Ein Grundverständnis für die heutige Technik dürfte bei allen Mitarbeitern im Unternehmen vorhanden sein.“ Gerade ältere Arbeitnehmer, die in der Zukunft einen wachsenden Anteil der Belegschaft ausmachen dürften, könnten von technologischer Unterstützung profitieren, dürften sich aber nicht als Instrumente der Maschinen fühlen. Hilfsmittel, wie eine Datenbrille zur korrekten Auswahl von Einzelteilen aus dem Lager, müssten behutsam eingeführt und bedarfsgerecht erklärt werden. Wenn in neue Technologien investiert werde, dürfe die Mitarbeiterfortbildung nicht hinterherhinken. Techniken, wie das virtuelle Schweißen, setzen außerdem neue Arbeitsschutzstandards in der Ausbildung.
Moebel.de-Vorstand Arne Stock formulierte es drastisch: „Wer sein Angebot nicht im Internet passend präsentiert, wird künftig kaum noch wahrgenommen.“ Zwar dürfte sich bei Möbeln der Point of Sale nach wie vor im stationären Handel befinden, doch die Vorabinformation erledigen immer mehr Kunden im Internet. Kay Willerich von Lenze Automation informierte im Vortrag ebenso wie am Stand der begleitenden Messe, dass sich modulare Maschinenkonzepte und flexible Fertigung nicht ausschließen, sondern begünstigen. Die beliebige Kombination von dazu konzipierten, durchschaubaren Einheiten eröffne eine Vielfalt von Prozessabwandlungen.
Einen weiteren Aspekt brachte Claas-Produktionsentwicklungsleiter Stefan Schulte ein. Der internationale Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller setzt die Datenvernetzung etwa gern für die vorausschauende Wartung ein. Ferdinand Hasse von Phoenix Contact Deutschland gab Anregungen zu Kommunikationsmöglichkeiten mit den Produktionsmaschinen. Die projektionsgestützte Montage (Hochschule OWL) und die Vereinbarung von Komplexität und Geschwindigkeit (Jeld-Wen) waren weitere Vortragsthemen. Die Podiumsdiskussion zeigte die Chancen für Industrie und Handwerk auf.