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Kaindl-Werk Kleßheim © Kaindl

Mit Innovation gegen Kosten

Ein Artikel von Hannes Plackner | 23.12.2014 - 10:02
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Kaindl-Werk Kleßheim © Kaindl

Kaindl Österreich wird vom Holzkurier als Holzindustrie des Jahres 2015 ausgezeichnet. Die Redaktion würdigt damit ein Familienunternehmen, welches sich in sechs Jahrzehnten vom mittelständischen Sägewerk zu einem Global Player entwickelt hat. Seit jeher witterte das Unternehmen Marktentwicklungen wie kaum ein anderer. Bereits 1959 begann die Produktion von Spanplatten. Acht Jahre später wurde die erste beschichtete Platte ausgeliefert. Lange vor Öffnung des Eisernen Vorhangs gelang Kaindl der Sprung in den Osten.
Heute betreibt die Familie Kaindl „circa 30 Standorte in der Holzwerkstoff-Industrie“. Was die Familien- und Unternehmensstruktur angeht, gibt es kaum Angaben. Konkrete Antworten bekamen wir beim Besuch in Salzburg nur zu Kaindl Österreich. So viel vorweg: Alleine dieser Betrieb hat sich die Auszeichnung verdient. Immerhin befinden wir uns bei einem der größten und innovativsten Holzverarbeiter des Landes.

Starkes Bekenntnis zu Salzburg

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Doris Buchmesser ist Geschäftsführerin von Kaindl Salzburg, Thomas Winter ist Verkaufsleiter für Österreich und Südosteuropa © Hannes Plackner

Kaindls Ursprung war ein Sägewerk in Lungötz. Das Werk im Salzburger Lammertal ist mit einer Produktionskapazität von 60 Mio. m2/J heute das weltgrößte Laminatfußbodenwerk. Weiterer Schwerpunkt der Tätigkeiten ist Kleßheim, ein Vorort der Mozartstadt Salzburg. Zwischen Westautobahn, der Bahnstrecke nach München, dem Fußballstadion und dem Barockschloss Kleßheim arbeiten Großanlagen zur Produktion von MDF und Spanplatten. 1,5 Mio. fm werden dort jährlich verarbeitet. Jedem Bahnreisenden aus dem Westen wird dies mit haushohen Rundholzpoltern eindrucksvoll vor Augen geführt. Zum Werk gehören eine Span- und eine MDF-Linie inklusive Weiterverarbeitung, die „Floor Factory“ und das „Kaindl Floor House“. Der Großteil der Waren wird im eigenen Logistikcenter im Schichtbetrieb verladen. Nebenan besitzt Kaindl noch das Container Terminal Salzburg (CTS), welches jährlich 260.000 Seecontainer umschlägt.
Der Standort ist untypisch für eine Industrie, welche in der Regel geringe Grundstücks- und Personalkosten erfordert. Rundholzpreise, die in Salzburg deutlich über dem Weltmarktniveau liegen, erschweren die Sache. Vor allem, weil praktisch alles (94 %) exportiert wird. Damit trotzdem gewinnbringend gearbeitet werden kann, setzt Geschäftsführerin Doris Buchmesser auf eine möglichst hohe Wertschöpfungstiefe: „Unbearbeitete Rohplatten verkaufen wir in Salzburg quasi keine.“ Im Gegenteil: Kaindl Österreich versucht, die technischen Möglichkeiten bei Holzwerkstoffen voranzutreiben.

Synchronpore, Farbentrends

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Edle Böden, schicke Oberflächen, perfekte Möbel: Im Floor House zeigt Kaindl, was mit seinen Produkten alles möglich ist © Hannes Plackner

Vor Ort in Kleßheim. Dass man sich in einer ehemaligen Metzgerei befindet, ahnt niemand. Kaindls 2007 eröffnetes Floor House direkt neben der Autobahn strahlt stattdessen gediegene Holzatmosphäre aus. Eine Vielzahl von Holzböden ist dort ausgestellt – der Großteil mit Laminatoberfläche, einige auch mit Furnierschicht. Die beiden voneinander zu unterscheiden, gelingt mitunter nicht einmal auf den zweiten Blick. Gründe dafür sind die „Synchronporen“-Technologie und hochwertiger Digitaldruck. Dabei wird im Produktionsprozess das imprägnierte Dekorpapier mit hochpräzisen Reliefplatten auf die MDF-Trägerplatte gepresst. Mikrometergenaue Erhebungen pressen ein fühl- und sichtbares Muster in den Laminatfußboden. So werden etwa die Eichenporen im Längsschnitt nachempfunden.
Dafür müssen Reliefplatte und Dekorpapier zehntelmillimetergenau aufeinanderpassen. Kaindl hat diese Herausforderung im Industriebetrieb erfolgreich eingeführt. Nun wird diese Methode immer offensiver umgesetzt.

Die Grenzen verschwimmen

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Haptisches Erlebnis beim Laminatboden: In das Dekorpapier sind artifizielle Eichenporen und Bandsägespuren eingepresst © Hannes Plackner

Im Floor House zeigt Thomas Winter, Verkaufsleiter für Österreich und Südosteuropa, beispielsweise Laminatböden, welche die charakteristischen Bandsägeschnitte imitieren. Ein paar Meter weiter steht ein Fußbodenmuster, welches „lebhafte Eiche“ darstellt. Auf die MDF-Platte wurde dafür ein Digitalbild von Eiche mit ausgefüllten Rissen gepresst. Die schwarze Reparaturmasse (die in Realität ebenso wenig vorhanden ist wie die Eiche rundherum) lässt sich sogar mit den Fingern ertasten. Ohne Zweifel: Die Grenzen zwischen künstlicher und natürlicher Holzoberfläche verschwimmen. „Nur wenn man das schafft, kann man auch einen Laminatboden im höherpreisigen Segment verkaufen“, erklärt Vertriebsexperte Winter beim Rundgang.

(Kein) Blick in die Produktentwicklung

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Holzdekor "Dreiland Eiche Tabak", kombiniert mit der Unifarbe ?Rot? © Hannes Plackner

Kleßheim ist nicht nur Produktionsstandort. In den Labors tüfteln drei Dekorentwickler an den Trends der Zukunft. Jetzt ist eine heiße Zeit, denn Kaindl wird im Januar seine neue Boards-Kollektion vorstellen, welche dann vier Jahre lang die Nachfrage der Möbelindustrie inspirieren soll. Fußböden haben einen Kollektionszyklus von drei Jahren. Doch weil sich Trends immer schneller ändern, schiebt Kaindl eine jährliche Trendkollektion dazwischen. „Wir nähern uns in Minischritten den Kollektionszyklen der Modebranche an“, sagt Buchmesser. Blick in die neue Kollektion ist noch keiner erlaubt. Ein Schwerpunkt lässt sich aber mit fünf Buchstaben definieren: Eiche! Egal, ob holzfurnierte Platten oder beschichtete Möbelplatten: „Eichendesigns in unterschiedlichen Ausprägungen belegen sämtliche Topränge im Produktionsprogramm“, unterstreicht Winter. Die Dekore werden vom Design her wieder etwas ruhiger. Zudem geht der Trend zu heimischen Holzarten. Diese können dann farblich stark verändert sein (Eiche grau) oder – thermisch behandelt – Mokkatöne aufweisen.

Furnier, Laminat und Dekor aus einer Hand

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Holzboden "Eiche Karat" sorgt für stimmungsvolles Ambiente © Kaindl

Kaindl ist nach eigenen Angaben das einzige Unternehmen, welches furnierte Platten, Laminatfußböden und Dekorspanplatten selbst herstellt. Das erleichtere die Trenderkennung, weil die furnierte Platte immer einen Schritt vor der Dekorplatte sei. Und noch eine Möglichkeit nimmt Kaindl wahr, um die Kundenreaktion abzuschätzen: Im Floor House werden immer wieder innovative Dekore neben bewährten angeboten. An der Kundenreaktion merkt das Vertriebsteam, welche Designs zu welchen Preisen gut ankommen sollten. Wer sich für die kommenden Fußbodentrends interessiert, sollte daher vielleicht einmal die Autobahnabfahrt Salzburg Kleßheim benutzen und mit offenen Augen das Kaindl Floor House besuchen.

Innovation als Antwort auf Kostenfalle

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"Fichte astig stonewashed" zeigt eine klassische Holzart mit neuem Farbenspiel © Kaindl

Edle Eichenfußböden und bunte Möbeldekore zieren die hochwertigen Unternehmensbroschüren. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Kaindl in Salzburg um einen durchoptimierten Industriebetrieb handelt. In Kleßheim sind 520 Mitarbeiter beschäftigt, in Lungötz 250. 24 Lehrlinge werden gegenwärtig ausgebildet. Der Umsatz betrug im Vorjahr 427 Mio. € und sollte heuer auf einem ähnlichen Niveau zu liegen kommen. Seinen Anteil am Laminatfußboden-Weltmarkt schätzt Kaindl auf 8 bis 10 %. In Europa sind es rund 15 %. Kaum eine andere Industrie mit Produktion in Salzburg hat eine ähnliche Weltmarktbedeutung wie Kaindl. „Rohstoff, Arbeit und Steuern bedeuten massive Kostennachteile für uns“, sagt die Geschäftsführerin. Trotzdem ist der Standort Kleßheim unter den Werken der Kaindl-Familie hocheffizient und es wird kräftig investiert. Man fokussiert sich auf permanente Optimierung und hochwertige Ware. „Innovation, Innovation und nochmals Innovation ist der einzige Ausweg aus der Kostenfalle“, sagt Doris Buchmesser. Das spiegelt auch die Produktion wider. Die Anteile von Roh-MDF-Platten oder weißen Korpusplatten seien „minimal“.

220 Mio. in Salzburg investiert

Kaindls eigener Bahnshuttle transportiert die Platten von Kleßheim zum Werk Lungötz. Dort werden sie zu Arbeitsplatten, Schichtstoffen und Laminatfußböden veredelt und wieder zurück ins Hauptwerk gebracht. Der tägliche Cargoshuttle spart jährlich 18.000 Lkw-Fahrten ein. Das ist nicht das einzige Bekenntnis zur Umwelt. Kaindl Salzburg bezeichnet sich als das „umweltfreundlichste Spanplattenwerk der Welt“, hat Filtersysteme mitentwickelt und als Erster E1-Platten erzeugt. PEFC- und FSC-Zertifikat werden als selbstverständlich erachtet. Eine Zahl drückt das Bekenntnis der Familie Kaindl zu Salzburg eindeutig aus: 220 Mio. €. So viel wurde in den vergangenen zehn Jahren investiert. Erhaltung, Optimierung und Innovation machen diesen Standort zu einem Musterbeispiel in der Holzindustrie.

Kaindl Österreich

Geschichte: 1897 Gründung als Sägewerk, 1959 Beginn mit Spanplatten, ab 1983 Laminatfußboden
Salzburger Standorte: Kleßheim (MDF- und Spanplattenwerk mit Oberflächenbeschichtung und Furnierung, Floor House, Floor Factory, Containerterminal Salzburg), Lungötz (Laminatfußböden, Arbeitsplatten), Hüttau (Sägewerk mit 20.000 fm/J Einschnitt)
Geschäftsführer: Doris Buchmesser (Vertrieb und Marketing)
Mitarbeiter: 520 in Kleßheim,  250 in Lungötz
Umsatz: 427 Mio. € (2013)
Produktlinien: Boards (Dekorspanplatten, holzfurnierte Platten), Floors (Laminat-, Holz- und Designböden) E
xportanteil: 94 %
Rundholzverbrauch: 1,5 Mio. fm/J