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23?m freitragende Kielsteg-Elemente werden in Töging montiert © Kielsteg

Leicht und weit gespannt

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 02.09.2014 - 14:42
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23?m freitragende Kielsteg-Elemente werden in Töging montiert © Kielsteg

Das erste größere Bauprojekt mit Kielsteg-Elementen Deutschlands wurde kürzlich in Oberbayern realisiert. Die innovativen Deckenelemente überspannen in Töging eine 3000 m2 große Fertigungshalle für Inneneinrichtungen. Damit hat Bauherr Baierl & Demmelhuber nicht nur ein ästhetisches Baumaterial gewählt. Dank der großen Spannweiten kann die Produktion später einmal flexibel adaptiert werden.

Herz und Verstand für Fertigungshalle

Der Slogan von Baierl & Demmelhuber lautet: „Wir bauen Innenräume mit Herz und Verstand.“ Das galt selbstverständlich auch, als heuer die Erweiterung des Werkstätten- und Fertigungszentrums anstand. Beim sogenannten „Wefez II“ musste die Konstruktion nicht nur aus funktionaler, sondern auch ästhetischer Sicht dem Anspruch der darin gefertigten Produkte gerecht werden.
Der 350 Mitarbeiter-Betrieb bietet seinen Kunden ein Rundumpaket. Je nach Kundenwunsch wird vom Einzelgewerk bis zur schlüsselfertigen Komplettleistung geliefert. Die Oberbayern vereinen Kompetenzen aller Kerngewerke: vom Abbruch, Trockenbau, Versorgungstechnik über Holz- und Metallbau bis zur Oberflächentechnik und dem Möbelbau. Das braucht Platz.
Mit dem Wefez II entstand eine neue Holzmanufaktur, welche schon durch ihre äußere Erscheinung Sinnbild des Unternehmenswachstums und der Fokussierung auf den Premiumsektor ist.

66 mal 46 m mit nur einer Mittelstützenreihe

Für Standortkonzept und Generalplanung einschließlich Architektur, Statik und Gebäudetechnik war die Hinterschwepfinger Projekt-GmbH aus Mehring bei Burghausen/DE verantwortlich. Dort ist man auf Standortplanung und -optimierung für mittelständische Fertigungsunternehmen spezialisiert. Wichtig ist hier immer ein gewisser „Blick fürs Ganze“. Das inkludiert Standort, Gebäude, Versorgungstechnik, Produktion und Materialfluss. Das Konzept für Baierl & Demmelhuber beinhaltete ein Zehnpunkteprogramm mit fünfjähriger Vorausschau auf eine mögliche Erweiterung des bestehenden Betriebsgeländes und künftige Umstrukturierungen.

Schnell gebaut und flexibel

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© Kielsteg

Als konstruktives Dachelement schlug Hinterschwepfinger den Einsatz von Kielsteg-Bauelementen vor. Das System erfüllte zwei wesentliche Forderungen der Planer: kurze Bauzeit und hohe Flexibilität bei der Gebäudenutzung. Denn die Wandlungsfähigkeit und die Reaktionsschnelligkeit zählen heute unbestritten zu den Erfolgsfaktoren von Fertigungsunternehmen. „Marktanforderungen ändern sich in immer kürzeren Zeiträumen. Daher wird es für alle Betriebe wichtiger, Bauvorhaben nicht nur kostensicher, sondern auch schneller und zukunftsrobust zu realisieren“, betont Hinterschwepfinger.
Die stützenfreien und hochwertigen Dachelemente erhalten die Flexibilität. Die nahezu vollständig hölzerne Hallenkonstruktion ist – abgesehen von einer Mittelstützenreihe – auf 66 mal 46 m freitragend. Mit ihrer vorgesetzten Beschattungsfassade aus Holz passt sie sich zudem optisch dem daneben liegenden Wefez I an.

Holz ist prädestiniert für hohe Spannweiten

Kielsteg wurde 2009 von Stefan Krestel entwickelt und gemeinsam mit dem steirischen Holzbauunternehmen Kulmer, Pischelsdorf, in den Markt eingeführt. Seit anderthalb Jahren besitzt man die Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung. 2013 wurde Erfinder Stefan Krestel für sein Werk sogar mit dem renommierten Schweighofer-Prize ausgezeichnet (s. Link).
Dass weit spannende Konstruktionen aus Holz gebaut werden, ist für Krestel logisch. Holz hebt sich mit seinen Festigkeitseigenschaften von anderen nachwachsenden Massenwerkstoffen ab. Dank CO2-Speicherung und -Vermeidung ist Holz der nachhaltigste Baustoff. Technisch zeichnet es sich durch höhere, gewichtsbezogene Leistungsfähigkeit aus, die sogar Stahl und Beton schlägt. Das gilt besonders für Kielsteg-Elemente. Die neuartigen Leichtbauelemente besitzen schlanke Stege aus flexiblem Plattenmaterial, wie Sperrholz oder OSB, die ein inneres Fachwerk bilden.

Zwei Typen: gerade oder mit Überhöhung

Die Bauweise ermöglicht es, Tragkraft und Spannweite den Gegebenheiten anzupassen. Dach- und Deckenkonstruktionen können bis zu 27 m stützenfrei überspannen. Das bringt dem Bauherrn Flexibilität in der Grundrissnutzung. Gleichzeitig seien die bis zu 35 m langen, vorgefertigten Stränge ab einer Spannweite von 6 m wirtschaftlich wettbewerbsfähig, heißt es. Die Kielsteg-Elemente werden in zwei Grundformen hergestellt: gerade oder überhöht.

WEFEZ II

Bauvorhaben: Werkstätten- und Fertigungszentrum von Baierl & Demmelhuber Innenausbau
Standort: Töging in Oberbayern
Planer: Hinterschwepfinger Projekt GmbH, Mehring/DE
Ausführung: Wiehag, Altheim
Hersteller Kielsteg: Kulmer Holz-Leimbau, Pischelsdorf

Kielsteg-Bauelemente

Kielsteg-Bauelemente sind ungesperrte, leichte, einachsig gespannte Flächentragsysteme. Sie bestehen aus einem Ober- und Untergurt aus Fichte sowie Stegen aus Sperrholz oder OSB. Klassisch werden Kielsteg-Elemente in Bauwerken mit großen Tragwerksspannweiten von bis zu 27 m eingesetzt. Die Elementlänge reicht von 6 bis 35 m bei 1,2 m Breite. Je nach Belastung beträgt die Bauteilhöhe 22,8 bis 80 cm. Entlang der Spannrichtung können Kielsteg-Elemente mit Überhöhung hergestellt werden. Die Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung wurde im April 2013 erteilt.