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Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher und Geschäftsführer von Zellstoff Rosenthal © Johannes Plackner

„Das ist keine Nachhaltigkeit“

Ein Artikel von Hannes Plackner | 30.06.2014 - 10:57
Die erfolgreiche deutsche Forstwirtschaft und Holzverarbeitung geraten ins Hintertreffen. Davor warnt Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR) und Geschäftsführer von Zellstoff Rosenthal in Thüringen. Der Verband der großen stofflichen Holzverwerter Deutschlands nennt den hohen Rundholzpreis, die geringen Lkw-Transportgewichte und die Förderung von Holzverbrennung als Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt. Langfristig macht Nossol der Waldumbau Sorgen, denn „nachgefragt wird zu 90 % Nadelholz, aber manche Staatsforsten forsten zu 90 % mit Laubholz auf. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts mehr zu tun!“

Keine strukturelle Besserung

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Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher und Geschäftsführer von Zellstoff Rosenthal © Johannes Plackner

Die gegenwärtige Versorgungslage ist für weite Teile der Rohholzverbraucher zufriedenstellend. Nossol bestätigt auch für Industrieholzkunden ein bessere Situation als im Vorjahr. Das liege aber an singulären Ereignissen:
    Der milde Winter drückte die Energieholznachfrage.Schnee- und Eisbruch (vor allem in Slowenien) werden mehrere Monate zusätzliche Mengen mobilisieren.Drei große Industrieholzverbraucher schlossen (Glunz-Spanplattenwerk Horn-Bad Meinberg/DE, Binderholz-MDF-Werk Hallein, Norske Skog-Papiermaschine PM4 in Walsum/DE)
Am Grundproblem des „Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage“ habe sich nichts geändert. In wenigen Monaten wieder Einkaufsbedingungen wie 2012 und 2013 geben, befürchtet der AGR-Präsident.

Nur 40 % Reinvestitionsrate

Von der aktuellen Lage profitieren die Zellstoffwerke überdurchschnittlich. Denn Hackschnitzelpreise sind deutlicher gesunken als Rundholzkosten. Als Branchenexterner sieht Nossol die Sägewerke in einer Situation, „in der sie überleben können, aber keine Gewinne erzielen“. Der für die Mercer-Gruppe tätige Manager ergänzt anerkennend: „Man wundert sich manchmal, mit welcher Hingabe die deutsche Sägeindustrie unter schlechten Rahmenbedingungen arbeitet.“
Trotz aller Hingabe: Die klammen Bilanzen führen zu einem strategischen Problem. Zu viele Betriebe leben von der Substanz. Laut einer Analyse Nossols werden in den drei Sparten der Holzverarbeitung (Zellstoff, Holzwerkstoff, Sägewerk) gegenwärtig nur 40 % der Abschreibungen reinvestiert. „Langfristig wird auch das die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Holzverarbeitung drücken.“ Gleichzeitig geben Skandinaviens Konzerne (Södra, Metsä, UPM, Stora Enso) Milliarden Euro für Zellstoffwerke aus. Ähnliche Projekte in Deutschland schließt Nossol auf absehbare Zeit aus. Die Versorgungslage sei zu unsicher. Nach 50 Jahren als Nadelrundholz-Exporteur hat sich Deutschland zum Nettoimporteur entwickelt. Die Einfuhren werden weiterhin nötig sein, um die heimische Volatilität abzufedern, glaubt man bei der AGR.
Zudem gibt es in Deutschland Nachteile aufgrund der Eigentümerstruktur, zeigt der Vergleich mit Skandinavien. Die dortigen Säge- und Zellstoffkonzerne sind oft im Besitz von Waldeigentümern. Denen ist egal, in welchem Glied der Wertschöpfungskette Geld verdient wird. Da kann vom hohen Holzpreis schon mal ein paar Jahre die siechende Sägeindustrie unterstützt werden. „Solche Quersubventionen sind bei uns nicht möglich. Darum werden die deutschen Holzverarbeiter auch Marktanteile verlieren“, befürchtet Nossol.

Meinung auf den Punkt gebracht

„Ich befürchte, dass die Forstpolitik von ideologischen und nicht von wissenschaftlichen Ansätzen beherrscht wird.“

„Dass die Verbrennung von Holz als gut für die CO2-Emissionen angesehen wird, ist eine hochgradig irrationale Mainstream-Meinung.“


AGR-Präsident Leonhard Nossol

Staat verschärft Wettbewerb

Enttäuscht ist der Verbandspräsident von der Reaktion der deutschen Politik auf die Nadelrundholz-Knappheit. Angebotsseitig steuern die Staatsforstbetriebe kurz- wie langfristig auf eine Verschärfung des Wettbewerbs zu. Kurzfristig geschieht das über Flächenstilllegungen. Am ehesten trifft das jene Bundesländer, die sich nach FSC zertifizieren. Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen müssen mindestens ein Zehntel und teilweise mehr als ein Fünftel ihres Waldes als Referenzflächen ausweisen und damit aus der Nutzung nehmen. „Das wird das Rundholzangebot weiter reduzieren.“
Noch weniger Verständnis hat Nossol für den fleißig praktizierten Waldumbau. „Man hat den Eindruck, hier herrscht Ideologie, keine wissenschaftlichen Erkenntnisse.“ Das eingangs erwähnte Missverhältnis (90 % Nadelholznachfrage, nur 10 % Nadelholzaufforstung) habe mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. „Diese hat drei Dimensionen: Ökologie, Soziales und Ökonomie“, zitiert Nossol die gängige Definition. „Wenn man den Waldumbau durchzieht, hat man irgendwann die stoffliche Nutzung umgebracht. Die Waldbesitzer verfügen dann nur mehr über einen stehenden Brennholzvorrat. Das kann in niemandes Interesse liegen.“ Bei der Buche sei das bereits jetzt der Fall. Obwohl sägefähige Sortimente am Markt kaum nachgefragt werden, dominiert sie die staatlichen Aufforstung. Stoffliche Verwertung jenseits der Sägeindustrie ist aber schwierig. Buchenzellstoff lasse sich zwar herstellen, bringe aber nicht die Erträge wie jener aus Nadelhölzern, so der Experte.

Der falsche Mainstream

Die deutsche Energiepolitik macht den Eindruck, dass Holzverbrennung eines der obersten Ziele sei. Für stoffliche Nutzung, welche CO2 im Gegensatz zur Verbrennung bindet, gibt es kaum Geld. Die Biomasseverstromung wird in Deutschland per EEG-Umlage mit 5 Mrd. €/J gefördert. Dazu kommen Investitionszuschüsse. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA gab 2011 31,2 Mio. € für Biomasseanlagen á la Pellets- und Hackschnitzelöfen aus – mit stark wachsender Tendenz. Eine indirekte Förderung der Holzverbrennung ist zudem die ermäßigte Umsatzsteuer für Brennholz (7 % statt 19 %). Sogar die Forschungsförderung sei verbrennungslastig. Von 2003 bis 2013 widmete die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 540 Mio. € für Forschung und Öffentlichkeitsarbeit bei Bioenergie. Dem stehen 108 Mio. € für den Bereich „Technische Projekte Holz/Lignozellulose“ gegenüber.
Wie konnte es zu dieser Benachteiligung der stofflichen Nutzung kommen? „Das ist die Kardinalsfrage“, gibt Nossol zu. Dass die Holzverbrennung CO2-neutral und somit positiv sei, habe sich als „hochgradig irrationale Mainstream-Meinung“ herausgebildet. „Dabei wird vergessen, dass bei der Verbrennung von Holz genauso Kohlendioxid in die Atmosphäre gerät wie bei der Verbrennung von Öl oder Kohle. Nur wenn das Holz stofflich möglichst langfristig genutzt wird, entsteht eine positive Energiebilanz“, betont Nossol.

RVR ist inhaltlich fertig

Die inhaltlichen Verhandlungen zur RVR wurden beim AGR-Rohstoffgipfels am 17. März abgeschlossen. Eventuell offene Punkte sollen künftig in einem „Ständigen Ausschuss der RVR“ eingebracht, diskutiert und den beiden Dachverbänden DFWR und DHWR zur Entscheidung vorgelegt werden. Diese beschlossen bei einer Sitzung der Plattform Forst und Holz am 25. Mai, je sieben Vertreter aus den Reihen ihrer Mitglieder für den Ausschuss zu benennen. Die vorliegende Fassung der RVR wird derzeit einer juristischen Prüfung unterzogen.

In Abhängigkeit von dem Ergebnis der Prüfung,wird nachgearbeitet und dann die RVR durch die Präsidenten von DFWR und DHWR unterzeichnet. Anschließend wird die Rahmenvereinbarung auf www.rvr-deutschland.de sowie als Druckfassung veröffentlicht.

Überraschende Allianzen

Gerade was die Holzverbrennung angeht, sieht Nossol Potenzial für eher ungewöhnliche Partnerschaften im grünen Lager. „Die Grünen waren bei der jüngsten Bundestagswahl die Einzigen, welche gegen eine Förderung der Holzverbrennung aufgetreten sind“, lobt der Industrievertreter.
Sogar Greenpeace und ähnliche NGO können mögliche Partner sein. Davor müssen die Umweltlobbyisten aber erkennen, dass die technisch führende Säge- und Holzindustrie in Mitteleuropa gut fürs Klima ist. „Denn wenn wir das Holz nicht nutzen, kommt es von woanders her. Und dort sind die Umweltstandards bei Weitem nicht so ausgeprägt wie in Deutschland.“ Finanziell kann sich die AGR kaum mit den großen NGOs im Umweltbereich messen. So betrug das Spendenaufkommen für Greenpeace 2012 allein in Deutschland über 50 Mio. €. Der AGR-Etat beträgt nicht einmal ein Hundertstel davon.
Wichtig wäre auch, dass die Wertschöpfungskette politisch besser wahrgenommen wird. Nossol bringt gerne das Beispiel, dass inklusive vor- und nachgelagerter Sparten die Holznutzung mehr Arbeitsplätze bietet als die Autoindustrie.

„Komplett unterfinanziert“

Die AGR arbeitet an mehreren Fronten für bessere Rahmenbedingungen der Branche, etwa im Zuge der Überarbeitung der Rahmenvereinbarung Rohholzhandel (s. Kasten). Diese stehen nun auch für Nadelholz kurz vor dem Abschluss (s. Kasten). Das wird honoriert. Kürzlich sei der erste Holzwerkstoff-Hersteller als Direktmitglied beigetreten, freut sich Nossol. Trotzdem sei man „komplett unterfinanziert“ (Mitglieder zahlen 1 Cent/fm Rundholzverbrauch).