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Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag laut veröffentlichter Jahres- oder Konzernabschlüsse [Mio. ?] © Holzkurier

509 Mio. € Verlust seit 2008

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 16.04.2014 - 11:41
Klenk Holz ist verkauft. Die Rettenmeier Holding wird saniert. Die Investitionsneigung geht gegen null. Weit unter null liegt die Stimmung in vielen Chefetagen …
In zahlreichen Artikeln zeigte der Holzkurier die Malaise mitteleuropäischer Holzverarbeiter. Waren das Einzelfälle oder war es Branchenschicksal? Um das zu beantworten, wurden die Jahres- und Konzernabschlüsse von zwölf publikationspflichtigen* Holzverarbeitern in Deutschland analysiert. Betrachtet wurden die Jahre 2007 bis 2012. Das Ergebnis: Seit 2008 verdient praktisch niemand mehr Geld mit Säge- beziehungsweise Weiterverarbeitungswerken. In diesen fünf Jahren summierten allein die zwölf deutschen Leitbetriebe Jahresverluste im Ausmaß einer halben Milliarde Euro. Hochgerechnet auf die Branche, ergibt sich ein Verlust von über einer Milliarde Euro.
So steht es in den Bilanzen. Die Wirklichkeit war vermutlich noch desaströser.

Drei hat es schlimm erwischt

Wer die Jahresendergebnisse der Leitbetriebe in den Krisenjahren 2008 bis 2012 summiert, kommt auf 509 Mio. € Verlust. Klingt schlimm, allerdings sind dafür drei Betriebe fast im Alleingang verantwortlich. Am tiefsten im Minus steckten in absteigender Reihenfolge:
    Klenk Holz 2008: –117 Mio. €Klausner Holz 2009: –92,2 Mio. €Klausner Holz 2008: –82,2 Mio. €Rettenmeier Holding 2011: –71,8 Mio. €Rettenmeier Holding 2010: –58,1 Mio. €
Diese fünf Einzelabschlüsse summieren sich auf 421 Mio. €. Das sind über vier Fünftel der hier betrachteten Gesamtverluste. Die Einschnittmenge der drei Betriebe (gemäß Holzkurier-Erhebung) macht aber nur die Hälfte dieser neun Unternehmen aus. Die finanziellen Probleme von Klenk, Klausner und Rettenmeier wurden in diesem Medium bereits ausführlich beschrieben (s. Holzkurier Heft 44/13, S. 6–10, und Heft 7, S. 3–5).
Deutsche Sägeindustrie: Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag laut veröffentlichter Jahres- oder Konzernabschlüsse [Mio. €]
UnternehmenSitz200720082009201020112012Summe
ante-holz GmbHBromskirchen1,530,0070,0250,110,810,0712,56
ante-holz GmbH & Co. KGWinterberg3,560,1310,441,530,370,0846,12
Binderholz Deutschland GmbHKösching–8,86–13,8–7,640,23–3,66–1,13–34,9
Egger Sägewerk Brilon GmbH1, 4Brilon0,361–20,7–14,5–10,6–17,2–62,6
HIT Holzindustrie Torgau OHGTorgaun. v.n. v.n. v.n. v.5,85–6,82–0,97
Ilim Nordic Timber GmbH & Co. KGWismar0,00630,034–0,31–0,28
Ilim Timber Bavaria GmbHLandsberg0,00330,094–1,56–1,47
Klausner Holding
Deutschland GmbH2Saalburg-Ebersdorf25,4–82,2–92,211,946,32,41–88,4
Klenk Holz AGOberrot16,1–117–6,685–13,3–20,1–136
Pfeifer Holz GmbHKühbach10,40,14–0,142,562,530,515,97
Pfeifer Holz Lauterbach GmbHLauterbachn. v.n. v.n. v.–1,85–6,4–4,23–12,5
Rettenmeier Holding AGWilburgstetten12,14,852,3–58,1–71,8–26,4–137
Summe–53–56–68–449

Brilon: 63 Mio. Verlust seit 2008

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Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag laut veröffentlichter Jahres- oder Konzernabschlüsse [Mio. ?] © Holzkurier

Rein von den Bilanzen her ist auch das Egger-Sägewerk Brilon ein Desaster. Das Werk wurde am 19. Mai 2008 in Betrieb genommen. Es war – mit Ausnahme des Eröffnungsjahres selbst – nie positiv. Bis Ende 2012 wurden Verluste in Höhe von 62,6 Mio. € angehäuft (und von der Egger-Gruppe übernommen). Zur Verdeutlichung: Das ist ein Minus von 37.130 € pro Tag seit dem Zeitpunkt, als die Linie offiziell eingeschaltet wurde. Diese hohen Verluste sind in erster Linie auf sogenannte „kalkulatorische Kosten“ zurückzuführen. Der Holzwerkstoff-Konzern hat für sein einziges Sägewerk wohl eher einen ambitionierten Abschreibungszeitraum gewählt. Die Maschinenkosten werden in Form von Mietaufwendungen bilanziert. Und die sind mit gut 12 Mio. €/J für nur einen Standort verhältnismäßig hoch. Operativ heißt das Problem aber Rundholzversorgung. Der Standort wurde nie an der Kapazitätsgrenze ausgefahren. Aktuell läuft Brilon nur zweischichtig.

Kösching: 35 Mio. Verlust

Binderholz ist in Kösching mit 35 Mio. € Verlust seit 2007 ebenfalls noch weit davon entfernt, die Investitionssumme zurückzuwirtschaften. Lediglich 2010 wurde mit 230.000 € ein leicht positives Ergebnis erzielt. Allerdings haben sich die Verluste in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Das lag nicht nur am Sägewerk. 2012 war die Steigerung der Pelletsproduktion um 10 % „ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation“, heißt es im Jahresabschluss.
Der Einschnitt sank indes um 12 % auf 750.000 fm. Diese Mindernutzung reduziert den Anlagenverschleiß. Der Abschreibungshorizont wurde daher erweitert. Allein das drückte die Abschreibungsbeträge von 9,6 Mio. € (2011) auf 6,1 Mio. €.

Es geht auch verlustfrei

Die Jahresergebnisse von ante-holz sind zwar unbefriedigend, aber stabil positiv. Interessant ist ein Sale-and-Lease-Back-Deal, welchen das Unternehmen 2011 an seinem Standort Bromskirchen-Somplar durchführte. Das ist gerade bei tiefen Zinsen eine Möglichkeit, die Liquiditätssituation zu verbessern. Auf Nachfrage teilt ante-holz mit, dass dadurch eine „fristkongruente Finanzierung“ ermöglicht werde. Zwei (nicht näher spezifizierte) maschinelle Anlagen wurden an eine Leasinggesellschaft veräußert. Das brachte einen Buchgewinn in Höhe von 7,42 Mio. €. Allerdings kostet das Zurückleasen der Anlagen insgesamt 8,5 Mio. €. Festzuhalten ist aber auch, dass die beiden ante-Gesell-
schaften die einzigen in der Tabelle sind, welche selbst in den Krisenjahren nie ins Minus rutschten. Auch ohne Einmaleffekte durch das Sale-and-Lease-Back-Geschäft wäre die Gruppe im Betrachtungszeitraum von 2007 bis 2012 positiv geblieben.

Gewinnsperre seit 2007

Oben sind die Jahresergebnisse grafisch dargestellt. Die eingangs erwähnten Millionenverluste fallen sofort ins Auge. Unsichtbar – aber nicht weniger tragisch – ist das Fehlen von Gewinnen über Jahre. Nur Klausner erreichte nach dem stillen Ausgleich 2009 (s. Holzkurier Heft 44/13, S. 7) in den folgenden Jahren einen relevanten Überschuss. Das liegt aber in erster Linie an 116 Mio. € „außerordentlichem Ertrag“ infolge von Gläubigerverzicht. Betrachtet man allein das Kerngeschäft, verdiente seit 2008 – mit Ausnahme von Klausner 2011 – kein Leitbetrieb richtig Geld. Krisenjahr Nr. 1 war 2008. Klenk und Klausner zogen den Branchenschnitt tief ins Minus. Seitdem gab es keine Erholung. Im Mittel machen die Betriebe weiterhin Verluste. Es ist lediglich weniger schlimm.

Ihre Meinung ist gefragt

Oft wird die Frage gestellt, wie viel Geld die Sägeindustrie in den Krisenjahren verloren habe. Diese Zusammenstellung erlaubt eine Abschätzung. Die analysierten Jahresergebnisse summieren sich von 2008 bis 2012 auf einen Verlust von 509 Mio. €. Mit knapp 15 Mio. fm Einschnitt stellen sie 40 % der deutschen Nadelsägeindustrie dar. Die simple Hochrechnung auf 100 % Einschnittindustrie ergibt eine gewaltige Zahl: Die deutsche Sägeindustrie verlor in der Krise von 2008 bis 2012 1,27 Mrd. €. Das sind knapp 7 € pro eingeschnittenen Festmeter. Kann das stimmen? Wir sind auf Ihre Kommentare dazu gespannt.

Hannes Plackner, stv. Chefredakteur,
Holzkurier-Redaktion München,
h.plackner@timber-online.net

Oft nur knapp im Plus

Auffallend oft schrammen die Bilanzen an der Gewinnschwelle. Knapp 40 % der Ergebnisse bewegen sich zwischen –2 % und +2 % EGT-Marge. Bekanntermaßen lassen sich Erträge oder Verluste in der Holzindustrie relativ leicht „verstecken“ – und zwar durchaus im Rahmen der Legalität. Die Bewertung der Lagerstände und Abschreibungshorizonte lassen Spielräume nach oben und unten. Stichwort Abschreibungen: Summiert man diese seit 2008, kommt ein Wertverlust von 632 Mio. € heraus (noch ohne Egger). Das offenbart ein zweites Problem: Die Reinvestitionsrate liegt nämlich weit unter 50 %. So verliert die Branche technologisch den Anschluss.

*Analysiert wurden nur „große Kapitalgesellschaften“ gemäß deutschem Handelsgesetzbuch. Deren Jahresabschlüssen sind gemäß der Publikationspflicht kostenfrei unter www.bundesanzeiger.de abrufbar.