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Hält nich viel von Normen: Der Vorarlberger Architekt Johannes Kaufmann vertraut auf Können © Birgit Koller

„Schluss mit Überregulierung“

Ein Artikel von Birgit Koller | 02.12.2013 - 15:03
Wenn selbst die Köpfe der Experten über der aktuellen Normgebung rauchen, Architekten, im Sinne der Eigenverantwortung, auf eine Einhaltung der Regelungen schlichtweg pfeifen und Chemiker bei der Einführung neuer Produkterichtlinien die Welt nicht mehr verstehen – dann heißt es: willkommen in der Welt des Holzschutzes. Das Fachgebiet trifft in der Bevölkerung auf sensible Ohren, die EU reagiert mit Maßnahmen, die oft ihren Zweck übersteigen.
Im Rahmen der Wiener Holzschutztage, von 28. bis 29. November, kam man deshalb zu dem simplen aber auch eindeutigen Ergebnis: „Schluss mit Überregulierung.“

Normen schießen übers Ziel hinaus

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Hält nich viel von Normen: Der Vorarlberger Architekt Johannes Kaufmann vertraut auf Können © Birgit Koller

Veränderungen in der Chemikaliengesetzgebung haben in den vergangenen Jahren große Auswirkungen auf Holzschutzmittel und Beschichtungsstoffe gezeigt, die „guten alten Produkte“ wurden verdrängt. Für Planer und Ausführende entsteht damit ein Spannungsfeld, das Architekt Johannes Kaufmann wie folgt erklärt: „Für mich geht es vor allem um die Kostenfrage. Halte ich alle Normen ein oder baue ich wirtschaftlich? Diese Vorgaben schießen für mich übers Ziel hinaus und entziehen jedem Ausführenden die Eigenverantwortung.“ Für Kaufmann sind Önormen „rein von der Industrie gemacht, um gewisse Produkte zu forcieren.“ Der holzbauaffine Vorarlberger konnte auf zahlreiche Referenzprojekte verweisen, die im Sinne einer Eigenverantwortung erfolgreich umgesetzt wurden.

Abschätzung von Gefahr und Risiko

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Holzschutzentwickler Dr. Albert Rössler warnte vor einer Einschränkung der Innovationskraft © Birgit Koller

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Dr. Albert Rössler, Leitung Forschung und Entwicklung bei der Adler-Werk Lackfabrik, Schwaz. Er gab einen Einblick in die Auswirkungen der Chemikaliengesetzgebung auf die Entwicklung von Holzschutzmitteln und Holzlacken und plädierte unter den Teilnehmern der Holzschutztage für eine Abschätzung zwischen Gefahr und Risiko.
„Mit der Einführung des Begriffs ‚Risiko‘ verfolgt man heute das Ziel, Gefahren berechenbar zu machen. Diese Entwicklung hat in der Chemikalienpolitik zur Folge, dass Gesetze immer kleinteiliger werden. Für die Industrie bedeutet dies einen enormen Aufwand bei Administration und Kosten. Innovationen und neue Stoffe müssen zahlreiche Hürden nehmen, um einer Einführung am Markt gerecht zu werden“, weiß Rössler. In Verordnungen wie der REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) oder der BPD (regelt die Bereitstellung von Biozidprodukten) sieht der Chemiker nicht nur Chancen für die Umwelt, sondern befürchtet auch Verwirrung beim Endkunden: „Laufende Änderungen bei der Kennzeichnungspflicht setzten schon ein enormes Detailwissen voraus.“
In Summe gesehen dürfe man laut Rössler bei aller Bedeutung der Umweltgefahr durch Schadstoffe nie die Gefahr einer Einschränkung der Innovationskraft und die Bedeutung der Wertschöpfung der Industrie und des Gewerbes vergessen. „Sinkt diese nämlich, weil der Industrie im Netz der Überregulierung die Luft zum Atmen ausgeht, wird letztendlich der Spielraum für die Untersuchung derartiger Aspekte immer kleiner“, warnt Rössler.

Umstrittene DIN 68800

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Warten auf Beuth: Selbst der Kommentar zur DIN?68800 umfasst 350 Seiten, informierte Tscherne © Birgit Koller

Betreffend der Holzschutznormen Önorm B 3801, B 3802 Teil 1-3 sowie der B 3804 wird es wohl erst im Frühjahr 2014 zu einer Einführung der überarbeiteten Version kommen. Das österreichische Normenkomitee wollte zunächst die Herausgabe der neuen DIN 6880 abwarten, um Doppelgleisigkeiten zu einer im Grunde gleichen Thematik zu vermeiden. „Die deutsche Endversion ist jedoch nicht unumstritten“, informierte Holzschutzexperte Florian Tscherne von der Holzforschung Austria.Fachleute, Sachverständige und Anwender dieser Norm sind sich zum Teil nicht einig, ob die Forderungen und Formulierungen dem heutigen Stand der Technik entsprechen.
Die Wiener Holzschutztage informierten aber nicht nur über aktuelle Entwicklungen in den relevanten Normen und Gesetzen. Sie präsentierten neueste Forschungsergebnisse zur Vorhersage der Gebrauchsdauer und Dauerhaftigkeit von Holzbauwerken und gaben detaillierte Einblicke in verschiedene Anwendungsbereiche von Holz, wie Fassaden, Terrassen, Fenster und Flachdächer mit praxisorientierten Lösungsansätzen für die moderne Architektur.