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Erbebenwiederaufbau bringt Holzbauboom in Italien
Beispielhafte Projekte mit österreichischem Know-how
Ein Artikel von Robert Kittel | 05.10.2012 - 00:53
In der im Frühjahr von einem Erdbeben betroffenen Region Emilia Romagna wird wieder aufgebaut. Vor allem die öffentliche Hand und die Industrie setzen dabei verstärkt auf Holzbau mit Know-how und Brettsperrholz aus Österreich. ProHolz Austria präsentierte dazu bei einer Pressereise beispielhafte Projekte wie den in nur 80 Tagen errichteten Schulkomplex von Corporeno. Und in Mailand entsteht ebenfalls mit österreichischer Technologie der zur Zeit höchste Holzbau Europas.
Man habe nach dem Beben, das 80 % der öffentlichen Bauten von Cento, Ferrara, vernichtete, zwei Möglichkeiten gehabt, berichtet der Bürgermeister, Piero Lodi. Ein Containerprovisorium oder den Neubau in einer alternativen Bauweise aus Holz. Für die Entscheidung zugunsten der Holzbauweise wäre nicht zuletzt die Bauzeit ausschlaggebend gewesen. Denn die Schüler müssen derzeit in Schulen der Umgebung in einer zweiten Schicht unterrichtet werden – eine unhaltbare Situation. Der Komplex mit 6200 m2 verbauter Fläche und 15.000 m2 Nutzfläche besteht aus zwei Gebäuden für Grund- und Hauptschule und einer Turnhalle. Für die beiden Schulgebäude beträgt die schlüsselfertige Bauzeit 80 Tage, die Vorfertigung der Brettsperrholzwände inklusive. Die Sporthalle soll nach 100 Tagen fertiggestellt sein.
Italien muss sich erst an die neue Bauweise gewöhnen
Auffallend ist die Bauweise des Schulkomplexes: Die moderne BSP-Bauweise wird durch den Einsatz traditioneller Bauverfahren konterkariert. Träger werden statt als Leimbinder in Stahl ausgeführt, weil man es so gewohnt sei, berichtet Bauleiter Oscar Galassi. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für die Ausführung der Fenster in Aluminium und das vollständige Verstecken der Holzbauweise unter Verputz und Gipskarton. Die von Österreich gewohnten Vorteile in punkto Wärmedämmung, Bauzeit oder Kosten, seien nicht 1:1 auf Italien übertragbar, meint Galassi. Wegen der viel geringeren Anforderungen an Betonbauten als bei uns, sind Kosten und Bauzeit in etwa gleich.
Betonbauweise wurde zum Fluch
Die Art, wie in der Emilia Romagna – eines der wichtigsten Industriezentren Italiens rund um Mailand – gebaut wird, wurde am Tag des Bebens zum Fluch. Jahrhundertelang kämpfte man dort gegen Hochwasser und ist darauf eingerichtet. Auf ein Beben war man es nicht. Deswegen konnte das vergleichsweise mittlere Beben der Stärke 6 überhaupt so große Schäden an öffentlichen Bauten und Industriehallen hervorrufen. Privathäuser waren kaum betroffen. Bei uns selbstverständliche Bauverfahren – zum Beispiel die Verankerung von Dachstühlen am Baukörper und andere statische Sicherungen – waren nicht üblich, weil man sie nicht zu brauchen schien. Deswegen waren zahlreiche Tote in den Trümmern der eingestürzten Industrieanlagen zu beklagen.
Großküche in Mischbauweise
Ein exemplarisches Beispiel ist Italiens größter Fertiggerichtehersteller Menu. Das Familienunternehmen beliefert Kunden in den USA, Asien und Europa. 30.000 m2 Hallenfläche wurden durch das Beben zerstört – das Unternehmen muss aber Lieferverträge erfüllen. Auf die von Rom versprochenen Wiederaufbaugelder wird man noch lange warten, meint Inhaber Rodolfo Barbieri. Sein Unternehmen wäre zum Glück liquide genug gewesen, den sofortigen Wiederaufbau zu finanzieren. Zahlreiche Unternehmen rundum sind auch heute, ein dreiviertel Jahr nach dem Beben gesperrt. Im August wurde mit dem Wiederaufbau der Hallen begonnen, bis dato sind 9000 m2 fertigestellt, Ende des Monates sollen es 12.000 m2 sein. Die Hallen werden, um Zeit zu sparen, über den bestehenden Kücheneinrichtungen wiedererrichtet. Auch die vorhandenen Fundamentierungen werden zur Verankerung neuer Betonträger wieder verwendet. Die Dachkonstruktion wird mit Leimbindern von Binderholz, Fügen, hergestellt. Bedenken des Bauherren wegen der extremen Klimabedingungen in den Großküchen – 90% Luftfeuchte bei bis zu 50°C Raumtemperatur – konnte Binderholz zerstreuen.
Höchster Holzbau Europas steht bald in Mailand
Im Rennen um den höchsten Holzbau Europas dürfte bald Mailand den Spitzenplatz einnehmen – dort entsteht derzeit in der Via Cenni im Rahmen eines Social-Housing-Projektes eine Wohnhausanlage mit vier neungeschossigen Türmen von 30 m Höhe. Die beiden ersten Türme sind beim dritten und vierten Stock angelangt. Gebaut wird mit österreichischer X-Lam-Technologie von Stora Enso Österreich in Ybbs. Neben den schieren Dimensionen der Anlage mit 124 Wohnungen ist vor allem die Tatsache, das auch Liftschächte und Treppen in BSP ausgeführt werden, bemerkenswert. Seitens der italienischen Regierung hat das Projekt Vorzeigecharakter.
Italien ist am Lernen, und es lernt schnell
Fazit: Nach der Zeit des Stein- und Betonbaus scheint Italien jetzt vom Holzbau erfasst worden zu sein. Noch fehle es an Erfahrungen, wie die ausführenden Techniker freimütig zugeben. Man verlässt sich dann eben auf bekannte Bauweisen, die man nach Bedarf mit der neuen kombiniert – oft sind die ausführenden Unternehmen keine Holzbauspezialisten, sondern Baufirmen, die soeben eine neue Wachstumschance entdecken. Noch ist der Umgang mit dem neuen Werkstoff mitunter ungewohnt, noch gibt es Fehlinformationen und Vorurteile. Hier versucht promo_legno für den Wissenstransfer zu sorgen. Doch wenn italienische Auftraggeber ihren ersten Holzkontakt hatten, scheinen sie begeistert. Für österreichische Unternehmen bedeutet das neue Möglichkeiten im wichtigsten Exportmarkt Österreichs.
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