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Beide Vortragssäle waren bei den diesjährigen Rosenheimer Fenstertagen brechend voll, die Vorträge hatten interessierte Hörer © Robert Kittel

Weight Watchers fürs Fenster

Ein Artikel von Robert Kittel | 22.10.2013 - 15:05
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Beide Vortragssäle waren bei den diesjährigen Rosenheimer Fenstertagen brechend voll, die Vorträge hatten interessierte Hörer © Robert Kittel

Die ersten Praxiserfahrungen mit der Bauproduktenverordnung, über die Christian Niemöller referierte, zählten, wie die Neufassung mehrere Normen (DIN 18008, 68800, 1090 und 4109), nahezu zum Pflichtprogramm beim Besuch der Fenstertage Rosenheim am 10. und 11. Oktober. Die ersten Prozesse sind gelaufen, nicht ganz unerwartet seien es vor allem praktische Verfahrensfragen, an denen es sich bei der Umsetzung der seit Juli gültigen Bauprodukteverordnung spieße, erläuterte Niemöller. So werde beispielsweise die Frage diskutiert, in welcher Sprache Leistungserklärungen abgegeben werden müssen. Auf jeden Fall eine Sprache, die im jeweiligen Land leicht verstanden wird, so Niemöller, was durchaus seine Tücken bergen könne. Der Rechtsexperte gab den kostenlosen Ratschlag, wirklich jedes Papier aufzuheben, um im Fall der Fälle den umfangreichen Nachweispflichten zu genügen. Eine relevante Änderung habe sich mittlerweile ergeben: Händler, die sogenanntes „Labeling“ betreiben, also unter eigenem Markennamen das Produkt eines anderen Herstellers vertreiben, gelten künftig als Hersteller und sind auch haftbar.

Folie als dritte Scheibe?

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Norbert Sack © Robert Kittel

Norbert Sack sprach über die Resultate eines ift-Forschungsprojektes zu Gewichtsreduktionsmöglichkeiten bei Isolierglas. Als gangbarer Weg hätten sich dünnere Glasstärken erwiesen. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Tests war, dass die meisten Scheibenformate nicht, wie erwartet, vorgespannt werden müssen. Als kaum praktikabel hätte sich Sack zufolge der Ersatz der mittleren Scheibe durch eine Polykarbonatscheibe erwiesen. Die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Glas und PC erfordern eine „schwimmende“ Mittelscheibe, was die Abdichtung des Isolierglases erschwere. Zudem hat sich der Kunststoff bei großen Scheiben als statisch zu instabil erwiesen. Bei den deswegen nötigen Dicken von 8 bis 10 mm würde dann kaum Gewicht gespart. Wesentlich vielversprechender scheint der Einsatz einer Polyethylenfolie anstelle einer Mittelscheibe. Die dehnbare Folie wird durch Schrumpfen gespannt und folgt der Glasausdehnung problemlos. Was noch fehlt, sind Produktionsanlagen – bis jetzt sind die leichten Folienisoliergläser in Handarbeit hergestellte Prototypen.

Gute Langzeiterfahrungen

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Karin Lieb © Robert Kittel

Karin Lieb vom ift berichtete über Langzeituntersuchungen an der mehrschaligen Fassade des ift-Institutsgebäudes. Der Bau wurde zwischen 1986 und 1991 ständig untersucht, da die Baubehörden bei dem damals unbekannten Verfahren Personenschäden durch herabstürzende Fassadenteile fürchteten. Im Juni 2012 wurden zwei Elemente demontiert und für einen endgültigen Bericht im Scherversuch belastet. Resultat: Auch bei lastabtragenden Anwendungen sind die Verklebungen langzeitstabil.

Fassade mit Algen als Energieerzeuger

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Jan Wurm © Robert Kittel

Über die ersten Erfahrungen mit einem jüngst in Hamburg gebauten Wohnhaus, bei dem die Glaselemente der Außenschale als Bioreaktoren dienen, berichtete Jan Wurm von Arup. Einzellige Algen erzeugen dabei aus CO2 und Sonnenlicht Wärmeenergie. Ihre Biomasse könne später zudem als hochwertiger Brennstoff verwertet werden. Die bei Sonneneinstrahlung zunehmende Grünfärbung der Organismen ermögliche die Nutzung der ähnlich wie Isolierglas aufgebauten Elemente als Sonnenschutz, erläuterte Wurm.

Heiße Eisen im Fensterbau

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Hausherr Prof. Ulrich Sieberath betonte, wie dringlich man nach Lösungen für Fenstereinbau, Gewicht und Nutzerfreundlichkeit suche © Robert Kittel

Gleich mehrere heiße Eisen ortete Ulrich Sieberath in seinen Vorträgen zu Beginn und am Ende der Rosenheimer Fenstertage. Fenster würden immer anspruchsvollere Konstruktionen, was Sieberath anhand der Zunahme von Bauteiltiefe und -gewicht belegte. Gleichzeitig erschweren Markteinflüsse die technisch saubere Umsetzung. Der Fenstervertrieb sei zudem noch stark auf technische Kennzahlen, wie den U-Wert, ausgerichtet. Hier brauche es ein Umdenken, meinte Sieberath: „Sicherheit, Komfort und ein gutes Umweltgewissen gewinnen zunehmend an Bedeutung.“ Es gelte, einerseits technische Probleme, wie den sicheren und praktikablen Fenstereinbau zu lösen, aber auch das Augenmerk auf die Benutzerfreundlichkeit zu richten, resümierte Sieberath.