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Knifflige Fragen wurden am Branchenforum besprochen © Johannes Plackner

Wege aus dem Hamsterrad

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 10.06.2014 - 13:16
Erkenntnis sei der erste Schritt zur Besserung, heißt es. Dass es in Deutschland und Österreich zu viele Sägewerke und zu wenig Rundholz gibt, wurde längst erkannt. Die Konsequenz da-raus zu ziehen, ist aber weniger einfach: Sägewerke müssen schließen.
Um diesen schmerzhaften Prozess zu begleiten – und zu professionalisieren, hat der DeSH am 6. Juni ein Branchenforum in München abgehalten. Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Baker Tilly Roelfs, München, wurden „Wege aus dem Hamsterrad“ gesucht. Der Veranstaltungsname stamme aus einem „sehr persönlichen Gespräch“ mit einem Sägewerksbesitzer, sagte DeSH-Geschäftsführer Lars Schmidt. „Zeig‘ mir einen Weg aus dem Hamsterrad“, habe der Säger gebeten. „Ich will meinen Betrieb auflassen, lieber heute als morgen. Doch ich weiß nicht wie.“

Unbekanntes Wesen „Kostenrechnung“

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Knifflige Fragen wurden am Branchenforum besprochen © Johannes Plackner

Wie kam es zu der schwierigen Lage? Unternehmensberater Dr. Franz-Josef Lückge sprach einige bittere Wahrheiten an:
    Schon seit einer Dekade ist der Rundholzpreis in Deutschland und Österreich deutlich höher als im internationalen Durchschnitt. Da Rundholz 60 % der Kosten ausmacht, ist das ein kaum auszugleichender Nachteil.Zahlreiche Betriebe beherrschen keine brauchbare Kostenrechnung.Sägewerke konzentrierten sich in der Vergangenheit zu sehr auf Produkte und Technologie, anstatt sich mit Dienstleistungen (Lieferservice, Onlinehandel, Zusatznutzen) zu differenzieren.Eine Strategie (Nischenanbieter oder Massenproduzent) ist in Sägewerksbetrieben selten sauber definiert.
Diese Umstände führten dazu, dass 2013 laut einer DeSH-Umfrage nur 30 % der Säger „leicht oder deutlich positive“ Erträge erzielt haben.

Geschäftsmodelle „quer denken“

Andreas Maquet von Baker Tilly Roelfs sah viele Holzverarbeiter in einer „Commodity-Falle“. Die Betriebe hätten es zur Hochkonjunktur verabsäumt, in Innovationen zu investieren. Nun müssen sogar kleinere Betriebe mit ihren Commodities (austauschbare, international gehandelte Produkte im Preiskampf) konkurrieren. Das gilt selbst für Weiterverarbeiter mit KVH oder BSH.
Wer dem entkommen will, muss das Geschäftsmodell tauschen. Das verlangt eine geistige Flexibilität, die in patriarchal geführten Branchen oft nicht sehr ausgeprägt sei. „Änderung beginnt im Kopf“, appellierte Maquet und nannte drei Beispiele, wo die Erneuerung gut funktioniert hat:
    Hamberger hat sich von einem Sägewerk zu einer bekannten Fußbodenmarke entwickelt.Die Holzwerke Gebrüder Schneider haben sich als Systemanbieter für Zimmerer aufgestellt, verfügen aber über eine „vergleichsweise geringe Komplexität“ für einen VollsortimenterPollmeier hat schon früh mit seiner Technologie günstigere Buchenqualitäten einkaufen können und so den Versorgungsengpass aufgelöst. Jetzt wurde mit Baubuche ein innovatives Produkt „mit echtem Zusatznutzen“ entwickelt.

… oder: raus aus dem Betrieb

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Dr. Thomas Gemmeke von Baker Tilly Roelfs sprach am 6. Juni in München beim Branchenforum Holz über Chancen, Risiken und Fallen bei einer Betriebsaufgabe © Johannes Plackner

Die genannten Betriebe demonstrieren aber auch ein Problem: Produktentwicklung kostet Geld. Dafür reichen die aktuellen Cashflows nicht aus. Und trotz Rekordniedrigzinsen sind die Banken bei der Kreditvergabe in der Holzindustrie nach wie vor sehr vorsichtig. Das illustrierte auch die Teilnehmerliste am Branchenforum. Gleich mehrere Banken und Finanzierer entsandten Vertreter, um sich über die Lage der Holzindustrie zu informieren. Sie trafen eine Branche, die sich mitten im Strukturwandel befindet und nun versucht, diesen proaktiv zu beeinflussen.
Damit kam die Veranstaltung an ihren heikelsten Punkt. Wie werde ich mein Unternehmen los, wenn ich keine Perspektive mehr sehe? Dr. Thomas Gemmeke von Baker Tilly Roelfs sah dafür drei Möglichkeiten:
    Der „Königsweg“ sei die Übergabe innerhalb der Familie. Das berge aber genügend Fallstricke, etwa eine 50:50-Pattsituation bei zwei Kindern oder nötige Eheverträge mit etwaigen Partnern. Die Transaktionskosten betragen (vor Erbschafts- oder Schenkungssteuern) rund 1 % vom Unternehmenswert. Dabei gilt: Je weniger Gesellschafter beziehungsweise Erben vorhanden sind, desto günstiger wird die Übergabe.Der Verkauf des Unternehmens ist ebenfalls eine attraktive Option. Allein die Kaufpreisfindung ist aber schon ein problematischer Prozess. Zum „Stand-Alone-Wert“ werden etwa noch Synergien und strategische Prämien addiert. Wettbewerb zwischen Bietern kann den Preis ebenfalls in die Höhe treiben. Demgegenüber stehen Risikoabschläge. Die im Vorfeld sinnvolle „Aufhübschung der Braut“ reicht von gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen bis hin zur Beseitigung von Altlasten. Möglich ist auch der Teilverkauf des Unternehmensvermögens (Asset-Deal). Hier fallen rund 1 bis 3 % vom Wert an Transaktionskosten an. Die anteilsmäßigen Kosten sinken bei größeren Unternehmen.Am unattraktivsten ist laut Einschätzung der Berater die Liquidierung des Betriebs, weil hier nur mehr Zerschlagungswerte realisiert werden können. Am Ende werde „meist weniger übrig bleiben, als wenn Sie den Laden verkauft hätten“, sagte Gemmeke.
Ohne professionelle Hilfe lässt sich keine der genannten Optionen ziehen. Zu kompliziert sind die Deals. Allein für den „idealtypischen Verkauf“ setzen Experten 25 bis 30 Wochen an.

Verband denkt schon an „Abwrackprämie“

Der DeSH verstärkt nun Aktivitäten, welche den Betrieben einen Ausweg aus der Commodity-Falle bieten oder die Betriebsaufgabe begleiten werden. Profundes Benchmarking soll eine bessere Selbsteinschätzung ermöglichen. Zudem wurde bei der Veranstaltung der Ruf nach vermehrter überbetrieblicher Forschung laut. Schwächen sahen die Unternehmensberater bei der Kundenorientierung in der Branche.
Wenn aber alles nichts hilft, soll die Unternehmensaufgabe vereinfacht werden. Der Verband arbeitet an einer – eventuell anonymen – Beratung für Nachfolgesuche oder Liquidation. Denkbar wäre auch eine „Abwrackprämie“, also ein Fonds für Betriebsliquidation.
Als Fazit bleibt: Der Weg aus dem Hamsterrad ist sicher kein einfacher. Wer ihn trotzdem einschlägt, hat professionelle Hilfe verdient.