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Anforderungen an die Jäger: Die Top-3-Antworten sind "Sicherheit im Waffengebrauch", ?ehrliche Angaben über die Abschüsse? und ?Verbesserung des Wild-Lebensraumes? © market Institut

Was kann der Jäger?

Ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Werner Beutelmeyer, Market Institut | 13.05.2014 - 08:52
Vieles ändert sich derzeit in unserer Gesellschaft. Besonders betroffen von diesen Umbrüchen sind vor allem auch Jagd und Jäger. Dass die gesellschaftlichen Veränderungen keineswegs Erleichterungen darstellen, liegt auf der Hand. Für Waidmänner wird es in unserer modernen, urbanisierten Gesellschaft immer schwieriger. So ist es nicht erstaunlich, dass eine breite Mehrheit von 61 % der befragten österreichischen Jäger derzeit nennenswerte Veränderungen wahrnimmt. Ihre Diagnose fällt eindeutig aus: Das Verständnis und die Akzeptanz der breiten Bevölkerung gegenüber der Jagd und den Jägern nehmen ab.

(Zu) hohe Ziele?

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Symbolbild Jagd © Helmut Ctverak

Mit den veränderten Bedingungen steigen die Anforderungen an Jäger. Misstrauen nimmt zu und der kritische Umgang mit der Jagd wird zum Grundton. Doch wie gut halten die Jäger diesen veränderten Gegebenheiten stand? Sehen sie neue und veränderte Anforderungen? Und wie gut kann der Jäger diesen Anforderungen gerecht werden?
Die Anforderungen, welche die österreichischen Jäger an sich selber stellen, sind hoch und damit in der Praxis zum Teil schwer erreichbare Idealbilder. Ganz oben in der Hierarchie des selbst gestellten Anforderungsprofils steht der sichere Umgang mit der Waffe (84 %). Diese zentrale Wertigkeit des sicheren Waffengebrauchs signalisiert ein äußerst hohes Risikobewusstsein. An zentraler zweiter Stelle rangiert die Forderung nach ehrlichen Angaben beim Abschuss (64 %). Wie sich noch in der Ergebnisanalyse zeigen wird, gibt es offenkundig teilweise „systembedingt nötige“, jedoch nicht immer ganz ehrliche Angaben, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Abschuss. Dies missfällt den österreichischen Jägern offenkundig.
Weitere Kernaufgaben des Jägers sind – aus eigener Sicht – eindeutig Wildlebensraum-He­rausforderungen (61 %). Einerseits geht es um die ständige Arbeit an der Verbesserung des Wildlebensraumes und andererseits gilt es, gefährdete Wildarten besonders zu betreuen. Reviereinrichtungen zu erhalten, zählt gemäß dieser Studie ebenfalls zum zentralen Tagwerk des österreichischen Jägers. Im Wichtigkeitsmittelfeld der von Jägern an sich selbst gestellten Anforderungen befinden sich das richtige Ansprechen der Wildtiere nach Geschlecht und Alter (52 %), das Hintanstellen von Beunruhigung im eigenen Revier (50 %), die eigene jagdhandwerkliche Weiterentwicklung (45 %) sowie die Leistung als Schütze. Die Erfüllung des Abschussplans wurde nur von 42 % der befragen Jäger als wichtige Aufgabe und Anforderung genannt und befindet sich damit eher im unteren Mittelfeld der Anforderungshierarchie. Die Behörde sieht diesen Punkt vermutlich wesentlich prioritärer.
Weitere an sich selbst gestellte Anforderungen der befragten Jäger: zunehmend aktive Ausei­nandersetzung mit Kritikern (37 %), mehr Zeit für die Jagd (37 %) sowie ständige jagdliche Weiterbildung (35 %). Die Brauchtums- und Traditionspflege wird von einem guten Drittel als Selbstanforderung genannt und rangiert damit im unteren Mittelfeld. Die Anforderungen in Sachen eigenständiger Wildbeschau, Selbstvermarktung und Zubereitung von Wildbret sowie Trophäenorientierung sind am Ende der Anforderungsliste zu finden.

Zwei Seiten der Wahrheit

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Anforderungen an die Jäger: Die Top-3-Antworten sind "Sicherheit im Waffengebrauch", ?ehrliche Angaben über die Abschüsse? und ?Verbesserung des Wild-Lebensraumes? © market Institut

Es gibt eine große Diskrepanz bei der Ehrlichkeit hinsichtlich der Abschussangaben. Hier klaffen minus 39 % zwischen Soll und Ist. Betrachtet man diese Thematik gesondert mit einer eigenen Frage, so bestätigt sich das Ehrlichkeits-Dilemma. Nur äußerst magere 16 % aller aktiven österreichischen Jäger gaben zu Protokoll, dass die Abschussangaben, die von den Jägern an die Behörden übermittelt werden, absolut ehrlich und völlig korrekt sind. Dieses Ergebnis sollte nachdenklich stimmen, denn gleichzeitig wünschen sich die Jäger mehr Ehrlichkeit im „System“. Offenkundig werden Systemanforderungen an sie gestellt, die sehr schwer wirklich korrekt erfüllbar sind. Papier ist geduldig und die Realität sieht häufig etwas anders aus. Damit sollte man auf die Spurensuche nach der „Überforderung“ der Jäger gehen.

Jagdliche Erfahrung versus Wissen

Um diese Vermutung überprüfen zu können, wurden zunächst die persönliche jagdliche Erfahrung und die Einschätzung des eigenen Wissens bei den Wildarten verglichen. Die jagdliche Erfahrung des österreichischen Jägers ist erstaunlich breit gestreut. Nahezu jeder Jäger hat in unserem Land Rehwilderfahrung. Es folgen dahinter Fuchs, Feldhase, Rotwild, Fasan und Schwarzwild. Dieser breiten jagdlichen Erfahrung steht allerdings ein deutlich geringer ausgeprägtes jagdliches Wissen gegenüber. Beim Gamswild gab knapp jeder zweite österreichische Jäger (49 %) jagdliche Erfahrung zu Protokoll, der Gamswildwissensstand ist aber mit 21 % erheblich niedriger.

Wissen oder schätzen?

Doch nun zurück zur Ansprache vor dem Schuss. 62 %, und damit eine breite Mehrheit der österreichischen Jäger, halten diese auch mit ein wenig Übung für gut machbar.
Die Frage der Zukunft lautet: „Was kann der Jäger.“ Beim richtigen Ansprechen herrscht offenkundig ein massiver Mythos, der in der Realität weitgehend nicht erfüllt werden kann.
Weniger „Jägerlatein“ wird für die Zukunft sehr ratsam sein, sonst sind wir möglicherweise mit unserem Latein recht schnell am Ende.