Substanzverlust in Sägerbilanzen

Ein Artikel von Hannes Plackner | 04.02.2015 - 09:35
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© Holzkurier

Gleich mehrere Krisen trafen Mitteleuropas Sägeindustrie mitten ins Herz – oder schlimmer: mitten in die Bilanzen. Die Subprime Malaise in den USA ging nahtlos in die andauernde Schuldenkrise der EU über. Wichtige Nachfrageländer wechselten zwischen Minimalwachstum und Rezession. Unmittelbar davor wurden – unter dem Eindruck billigen Holzes und zu optimistischer Prognosen – Überkapazitäten aufgebaut. Christoph Kulterer, der Vorsitzende der österreichischen Sägeindustrie, bezifferte sie 2012 mit „über 20 %“. Der Abbau kostet Zeit – und Geld. Das analysierte der Holzkurier im Vorjahr bereits für Deutschland (s. Heft 16/14, S. 2–4). Nun folgt Österreich.
Der Holzkurier hat die Geschäftsberichte der größten sieben Säge- und Holzindustrien von 2007 bis 2013 analysiert. Die Ergebnisse im Überblick:
    Die Umsätze entwickeln sich durchaus positiv. Rein nach den veröffentlichten Zahlen stiegen sie von 2007 bis 2013 um 45 %. Rechnet man jene Unternehmen heraus, deren Konsolidierungskreis erweitert wurde, kommen immerhin noch +17 % – oder 2,7 % jährliches Wachstum heraus.Im gleichen Zeitraum wurde ein Verlust von 137 Mio. € angehäuft.Die Eigenkapitalausstattung ist im Schnitt um rund ein Fünftel geschrumpft.Die größten Verluste fuhr Mayr-Melnhof Holz ein. Kumuliert waren es 126 Mio. €. Österreichs mit Abstand umsatzstärkste Sägeindustrie ist, gemessen am Eigenkapital, auf Rang 6 abgerutscht.

Alle Familienbetriebe

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Untersucht wurden die Konzernbilanzen von Mayr-Melnhof Holz, der Pfeifer Group, Binderholz, Hasslacher Norica Timber, der Maresch Holzindustrie, der Johann Offner Holzindustrie und der Donausäge Rumplmayr. Auswahlkriterium war ein Einschnitt von mindestens 500.000 fm/J und der Sitz in Österreich (deshalb fehlen der skandinavische Konzern Stora Enso und die Schweighofer-Gruppe, welche keine Sägewerke im Inland betreibt). Die Unternehmen eint, dass sie aus der Nadelsägeindustrie kommen und diesen Betriebszweig nach wie vor ausüben. Einzelbetriebliche Ergebnisse werden in einer der kommenden Ausgaben diskutiert. Zunächst gibt schon der Unternehmensdurchschnitt ein deutliches Bild über die Probleme. Die meisten analysierten Unternehmen haben Standorte im In- und Ausland. Die diskutierten Zahlen spiegeln also die Lage in Mitteleuropa wider. Immerhin sind alle Betriebe im österreichischen Familienbesitz (davon abgesehen, dass manche Kredite infolge von Sanierungen in Mezzaninkapital umgewandelt wurden).

Große Verluste

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Dominiert wird Österreichs Sägebranche von drei Umsatzkaisern: Mayr-Melnhof Holz (2013: 563 Mio. €), der Pfeifer Group (472 Mio. €) und Binderholz (369 Mio. €). Hasslacher Norica Timber holte in der vergangenen Dekade auf (227 Mio. €). Zuverlässig die 100 Mio. €-Schwelle überschreitet noch die Holzindustrie Maresch. Alle sieben Betriebe kamen 2013 auf rund 1,91 Mrd. € Umsatz. Zum Vergleich: Der Umsatz der gesamten österreichischen Holzbe- und -verarbeitung wird auf 7,6 Mrd. € hochgerechnet.
Umsatzmäßig stehen die Leitbetriebe gut da. 2013 war das stärkste Jahr im Betrachtungszeitraum (gleichauf mit 2011). Gegenüber 2012 wurden um 3,6 % höhere Einnahmen erzielt. Doch am Ende des Jahres zählt nicht der Umsatz, sondern was davon übrig blieb.
Die Krise schlug brutal zu. 2008 und 2009 sowie 2011 und 2012 waren miserable Jahre. Die Verluste der sieben Unternehmen summierten sich in diesen Perioden auf 190 Mio. €.
2010 (+7,2 Mio. €) und 2013 (+8,9 Mio. €) brachten zwar Atempausen, aber keinerlei Chance, die Verluste aufzuholen.
Den Großteil der Verluste der vergangenen Jahre haben die beiden Umsatzstärksten fast im Alleingang zu verantworten: Mayr-Melnhof Holz und die Pfeifer-Gruppe. Doch könnte die finanzielle Ausstattung kaum unterschiedlicher sein. In Leoben schrumpfte das Eigenkapital im Zuge der finanziellen Krise von 91,2 auf 20,1 Mio. €. Die Pfeifer-Gruppe hat – trotz sechs Verlustjahren hintereinander – Ende 2013 stolze 204 Mio. € an Eigenkapital. Das ist praktisch gleich viel wie die anderen sechs Betriebe zusammen.

Auch in Österreich: Jahre ohne Erträge

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Was ist schuld an der skizzierten Entwicklung? Ein Rückblick:
2008 wurden die exportorientierten Betriebe von der Wirtschaftskrise kalt erwischt – obwohl günstiges Sturmholz verfügbar war. Dass die Schnittholzpreise in Österreich um relativ moderate 15 % sanken, half nichts. Nur drei der sieben Betriebe schafften es in die schwarzen Zahlen. Am Ende blieb ein Verlust von 61,3 Mio. €. Es war ein rabenschwarzes Jahr.
2009 war nicht viel besser: –50,7 Mio. €. Die Märkte verdüsterten sich abermals. Der Einschnitt brach laut Zahlen des Fachverbands der Holzindustrie in diesem Jahr um 30 % ein. Die Holzkurier-Erhebung zeigte denselben Rückgang, aber auf zwei Jahre aufgeteilt. Wie auch immer: Eine ganze Schicht verschwand. Unglücklicherweise nur bei der Produktion, nicht beim Personal. Die Zahl der Arbeiter in den sägedominierten Betrieben sank um 15 bis 20%. Unternehmen mit größerer Wertschöpfung taten sich noch schwerer, den Personalstand anzupassen. Teilweise wurde die Weiterverarbeitung auch markant ausgebaut. 2009 war auch das Jahr, in dem die Rundholzpreise eine mehrjährige Hausse starteten.
Gelegenheit zum Atemholen bot 2010. Der Einschnitt erholte sich leicht. Die Schnittholzpreise zogen dem Rundholz nach. Mit Ausnahme der Pfeifer-Gruppe wiesen die Leitbetriebe leichte Profite aus. Unterm Strich blieben bei den großen Sieben aber gerade mal 7,17 Mio. €. Wer das als Zeichen der Erholung deutete, lag falsch.
Spätestens seit 2011 haben mitteleuropäische Sägewerke die weltweit höchsten Rundholzpreise. Das mindert die Exporterträge. Gleichzeitig tat sich eine Schere zwischen Rundholz- und Schnittholzpreisen auf. Die Branche rutschte wieder ins Minus: –43,1 Mio. €.
2012 zeigten die Bilanzen zwar eine leichte Erholung auf „nur mehr“ –34,9 Mio. €. Doch das täuscht. Das Ergebnis wird von einem 29,2 Mio. € schweren Sale-and-Lease-Back-Deal von Binderholz verfälscht, der als Ertrag aus dem Abgang von Anlagevermögen verbucht wurde. Berücksichtigt man diese Abweichung, war 2012 mit in Summe 64 Mio. € Verlust das schlimmste Jahr für die österreichische Sägeindustrie.
Ein tatsächlicher Lichtblick könnte 2013 gewesen sein. Die meisten Betriebe waren wieder profitabel (oder zumindest nicht negativ). Es blieb ein Plus von 8,9 Mio. €. Die Schnittholzproduktion war zwar unter dem Eindruck der anhaltenden Krise in Südeuropa und hoher Rundholzpreise weiter gesunken, aber es gelang, die Preisschere wieder etwas zu schließen. Eine Rückkehr zum Dreischichtbetrieb blieb die Ausnahme.

Epizentrum Oberösterreich

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Die Betriebsergebnisse beeinflussten in den Vorjahren ganz wesentlich die Faktoren Rundholzverfügbarkeit (und damit Preis) und Einschnittskapazität. Allgemein wird von deutlich über einem Fünftel zu viel Einschnittkapazität in Österreich ausgegangen. Oberösterreich wurde diesbezüglich in den Vorjahren zum Brennpunkt des Geschehens – hier dürfte das Missverhältnis noch ausgeprägter sein. In der Holzkurier-Aufstellung wurde nur die Holzindustrie Rumplmayr als oberösterreichisches Großsägewerk berücksichtigt. Die anderen Großsägewerke haben ihren Sitz entweder nicht in Österreich (UPM Steyrermühl), sind Teil einer anderen Großindustrie (Mayr-Melnhof Holz Frankenmarkt) oder schneiden deutlich weniger als die berücksichtigten 500.000 fm/J (VM Holz, Vöcklamarkt). In Oberösterreich gab es zuletzt eher ein sinkendes Binnenaufkommen und einen markanten, früher nicht vorhandenen Rundholzabfluss in Richtung Bayern. Die angespannte Lage in Nordösterreich illustrierte der Holzkurier schon vor drei Jahren (s. Landkarte aus Heft 35/12). Vor diesem Hintergrund sei die Leistung des angeführten Unternehmens zu bewerten.

Parallelen und Abweichungen

Verglichen mit der Analyse der deutschen Bilanzen, stechen die Ergebnisse der Großbetriebe ins Auge. Zur Erinnerung: Rettenmeier verlor 156 Mio. € binnen drei Jahren, Klausner Holz 175 Mio. € in zwei Jahren. Klenk setzte in nur einem Jahr 117 Mio. € in den Sand. Mayr-Melnhof Holz kam finanziell in ähnliche Problemzonen. Dort folgte ebenfalls ein Managementkarussell.
Hier enden die Parallelen aber. Eigenkapitalmäßig ist Österreichs Holzindustrie wesentlich besser aufgestellt. Alle Betriebe befinden sich nach wie vor in Familienhand. Mit Ausnahme von Mayr-Melnhof üben die Familienmitglieder auch operatives Management aus. Zudem ist die Wertschöpfungstiefe in Österreich typischerweise höher. Man denke nur an Brettsperrholz.

Nur einer blieb stets über Wasser

Stichwort Wertschöpfung: Von allen analysierten Betrieben schaffte es nur einer gänzlich ohne Weiterverarbeitung die Krisenjahre ohne Verlust zu überstehen: die Holzindustrie Maresch, Retz. Viel Geld wurde zwar auch nicht verdient, aber 1,8 % Umsatzrendite von 2007 bis 2013 summieren sich immerhin auf 12,1 Mio. € Gewinn.

Nicht auf eine Zahl versteifen

Abschließend muss die Frage gestellt werden, wie aussagekräftig die hier präsentierten Zahlen sind. Das Jahresergebnis wird unter anderem durch kalkulatorische Kosten, vor allem Abschreibungen, verfälscht. Die Pfeifer-Gruppe (die wie jedes analysierte Unternehmen den Bericht vorab zugeschickt bekam) merkt zurecht an: „Die Jahresergebnisse von unserem Unternehmen wurden durch eine Firmenwertabschreibung (2010 bis 2013 jeweils über 10 Mio. €/, insgesamt über 40 Mio. € negativ beeinflusst. In diesem Fall kann man sicherlich nicht von operativen Verlusten sprechen. Weiters wird es kein Unternehmen in der Branche geben, welches neben den höchsten Abschreibungsraten für Anlagegüter, derart hohe Aufwendungen für Mieten und Leasing (bis 2011 rund 18 Mio. €/J , ab 2012 rund 14 Mio. € an eigene Gesellschaften bezahlt.“