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pro Holz-Kämpfer: Architekt und Laibachs Vizebürgermeister Janez Kozelj © proHolz Austria

Stadtguerilla im Rathaus

Ein Artikel von Georg Binder, proHolz Austria | 19.05.2014 - 09:59
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pro Holz-Kämpfer: Architekt und Laibachs Vizebürgermeister Janez Kozelj © proHolz Austria

Die Stadtguerilla ist eine militärische Einheit, die im städtischen Umfeld operiert. Kennzeichnend für die Stadtguerilla ist, dass sie aus dem Untergrund heraus oft mit militanten Mitteln gegen bestimmte politische Entscheidungen, vielfach auch gegen ein politisches System, Widerstand leistet und die eigenen Konzepte durchsetzt, wo die legale Opposition zu schwach ist.“ (Quelle: Wikipedia).

Den Architekten und Künstler sieht man ihm von Weitem an: Jeanshemd, darüber ein legeres Sakko, listige, ein wenig überanstrengte Augen und krauses, dunkles Haar. Janez Kozelj ist Vizebürgermeister, Stadtbauarchitekt, Architekturprofessor an der Universität in Laibach und Freund des Holzes. „Holz ist eine strategische Ressource Sloweniens, vom Staat gibt es dafür aber keine politische Unterstützung“, erklärte der Politiker beim Fachdialog Holzbau im mit Holz verkleideten historischen Rathaussaal. Eine Holzstrategie werde daher nur von einzelnen Vordenkern verfolgt. Diese befänden sich im „Kleinkrieg“ mit dem offiziellen Slowenien. „Die einzige Möglichkeit, Holz voranzubringen ist die Guerillataktik – also mit kleinen Schritten immer wieder aus dem Untergrund zu agieren“, bekräftigte Kozelj in Laibach.

woodbox vor dem Rathaus

Vorbildhaft nannte er die proHolz Austria-Initiativen in Österreich, mit denen man schon lange zusammenarbeitet. Er habe daher auch keinen Moment gezögert, die mobile Ausstellung woodbox direkt am Marktplatz vor dem Rathaus aufzustellen. „Die Politik muss sich mehr für Holz engagieren, für Schulen, Kindergärten und Wohnungen in ökologischer Passivhausqualität.“ Diese Frage ist für ihn wesentlich wichtiger als jene der gerade anstehenden Neuwahlen.

Nachhaltiges Mosaik

Als Stadtarchitekt hat er für Laibach die Vision der urbanen Entwicklung entlang der sternförmigen Einfallsstraßen und der zwei Flüsse vorangetrieben. „Nachhaltiges Mosaik“ nennt er diese Vision. Der Individualverkehr mit Pkw wurde in den vergangenen zehn Jahren um 20% reduziert, die Fußgängerzonen versechsfacht und 16% der Bürger sind im Mietsystem der Stadtfahrräder registriert.

Stadterneuerung im Vordergrund

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Mutig voran: proHolz Austria-Obmann Hans Michael Offner wünscht sich mehr Stadtguerillas, die sich für den Holzbau einsetzen © proHolz Austria

Nach der Revitalisierung des Zentrums steht die Erneuerung alter Industrieanlagen im Inneren des Autobahnrings an. Mit Abschluss des Umbaus der alten Stadtkaserne in ein Museumsquartier werden nun die Sanierung des ehemaligen Schlachthofs, die Errichtung des neuen Bahnhofs und eines Sportzentrums an einer ehemaligen Kiesgrube geplant. Zwei laufende Wettbewerbe der Stadt für 2015 – ein Kindergarten und die Feuerwehrzentrale – könnten auch für Holz genutzt werden, hofft Kozelj.

„Holz ist gut“ = leere Worte

„Wir konnten die Regierung noch nicht dazu bringen, die österreichischen proHolz-Erfahrungen für mehr Holzanwendung in Slowenien umzusetzen“, zeigte sich Igor Milavic, Direktor des slowenischen Holzverbandes, von der Politik enttäuscht. Der nationale Aktionsplan „Holz ist gut“ besteht trotz gesetzlicher Verankerung im öffentlichen Beschaffungswesen bisher nur aus leeren Worten. Das selbst gesteckte Lobbyingziel des Verbandes liegt in der Umsetzung von 30 öffentlichen Holzbauten bis 2020.

10 % der Einfamilienhäuser in Holz

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Siegerbeispiel des ersten Slowenischen Holzbaupreises:  Das zwei-geschossige Studentenheim Hostel Punkl in Ravne na Koro?kem © Punk Hostel

Eine positive Entwicklung erfuhr der Holzbau in den vergangenen zehn Jahren im Einfamilienhaus, wie man an den prämierten Beispielen des slowenischen Holzbaupreises 2013 sehen kann. Junge Architekten fanden mit Holz eine neue Formsprache. Sloweniens Holzbauunternehmen entwickelten sich mit der Aufgabe und wurden auch international aktiv. Der Holzbau hat seit 2004 im Einfamilienhaussektor einen Anteil von 10% erobert. 2012 wurden 694 vorgefertigte Häuser aus Holz in Slowenien hergestellt. Davon wurde ein Drittel auf dem Inlandsmarkt abgesetzt.

Erwachen statt bewachen

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Holz, wohin das Auge reicht: Im vergangenen Jahr wurden in Slowenien zum ersten Mal die besten Holzbauten des Landes gekürt - das Siegerprojekt, Hostel Punkl, besticht mit seiner Holzfülle im Inneren © Punk Hostel

„So einen Bürgermeister in jeder europäischen Hauptstadt und der Holzbau wäre voran“, ermutigte proHolz Austria-Obmann Hans Michael Offner den Stadtpolitiker zur weiteren Untergrundarbeit. Österreich habe früh erkannt, dass sich gemeinsame Imagewerbung und Aufbereitung des Marktes für die Holzanwendung lohnen. Zwei Drittel der Ressource Holz gehen in die Bauwirtschaft. Dort findet gerade eine Renaissance des Holzbaus statt. Neue Technologien und Erkenntnisse bringen neue Möglichkeiten für den Holzeinsatz. „Schreibtischbewacher, die sich Beamte nennen, verhindern eine raschere Aktualisierung der Gesetze“, sprach Offner den in Europa für Holz unterschiedlich geregelten Brandschutz an.

Holz verschafft Atempause

„Warum soll Holz überhaupt in die Stadt kommen?“, fragte Hermann Kaufmann, selbst 2001 Gastprofessor an der Universität in Laibach. Die Zukunft des Bauens werde sich sehr stark in den Städten abspielen. Daher versuche man, den Baustoff wieder dorthin zu bekommen, wo er schon einmal war. Im Bauwesen werden 40 % aller weltweit vorhandenen Ressourcen eingesetzt. Holz als nachwachsendes Material sei eine Antwort auf die Ressourcenfrage der Zukunft.
„Bringen wir einen zweiten Wald aus Holz in unsere Städte. Verschaffen wir uns so eine Atempause im Klimaschutz“, forderte Kaufmann den notwendigen politischen Willen zur Wende ein.

Holz am Weg nach oben

Bruno Djuic, Tragwerksplaner aus Marburg, bekräftigte die Sinnhaftigkeit der „Guerillataktik“ für den Holzbau, der sich von Projekt zu Projekt entwickle. Langsam kommt es so zu einer Werteumkehr ohne Wahrnehmung eines Verzichts.
Vom Einfamilienhaus springt der Holzbau in zwei Geschosse, in massiver Holzbauweise, erdbebensicher. Beim Brandschutz ist Slowenien grundsätzlich offen. Es können auch Bestimmungen aus anderen Ländern den Behörden als Nachweise vorgelegt werden. Bei der Genehmigung selbst sind die Beamten aber noch sehr restriktiv.

Bauleistung liegt bei –12 %

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© proHolz Austria

Slowenien galt lange Zeit als Musterschüler unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Getragen wurde das Wirtschaftswachstum vom Export und der Bauwirtschaft. Die Wirtschaftskrise traf den Baubereich besonders hart. Der Wert der Bauleistung ging zweistellig zurück, zuletzt um 12% gegenüber 2012. Die Arbeitslosenrate klettert heuer von 8% auf 11%. Erstmals nach acht negativen Werten verzeichnete das BIP im IV. Quartal 2013 ein Wachstum von 2,1%.

Bankenrettung

Die drei großen im Staatsbesitz stehenden Banken NLB, NKBM und Abanka leiden unter zahlreichen notleidenden Krediten. Der Bankenstresstest im vergangenen Oktober, durchgeführt an zehn Banken oder bei 70% des Bankensektors, ergab eine Kapitalunterdeckung von 4,7 Mrd. €. Nach Umsetzung der notwendigen „Rettungsmaßnahmen“ soll die Gesamtverschuldung des Staates von derzeit 54% auf 76% des BIP steigen.

Österreich wichtigster Investor

Österreich ist mit einem Anteil von 48% (6 Mrd. €) an den Auslandsinvestitionen wichtigster Investor in Slowenien. Österreichische Unternehmen haben rund 700 Niederlassungen vor Ort. Mit 174 Mio. € (+8,8% 2013/2012) liegen die Holzexporte aus Österreich wertmäßig hinter Brennstoffen, elektronischen Maschinen und Waren an dritter Stelle der Exportgüter. Die Holzimporte nach Österreich befinden sich mit einem Wert von 114 Mio. € (+6,5%) ebenfalls an dritter Stelle der Einfuhren aus Slowenien.