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Die Primärkonstruktion des Siebengeschossers im Sommer 2012 © Blumer-Lehmann

Skelettbau mal ganz anders

Ein Artikel von Hannes Plackner | 23.08.2013 - 14:08
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Die Primärkonstruktion des Siebengeschossers im Sommer 2012 © Blumer-Lehmann

Allen Holzbaufans, die in nächster Zeit Zürich besuchen, ist ein Abstecher ins Werdareal empfohlen. Dort realisierte der Schweizer Holzbaubetrieb Blumer-Lehmann, Gossau, die neue Unternehmenszentrale des Verlages Tamedia. Architekt war der Japaner Shigeru Ban. Ein Name, der für außergewöhnliche Entwürfe steht. Das Centre Pompidou in Metz/FR und der Golfclub Nine Bridges in Korea stammen ebenfalls aus seinem Pariser Büro. Gemeinsamkeiten mit diesen Projekten gibt es wenige.
Das siebengeschossige Gebäude in Zürich ist ein eigenständiger Entwurf. Ban sah eine überdimensionale Holzskelettbauweise vor. Die senk- und waagrechten BSH-Träger laufen ohne Unterbrechung durch das Gebäude. Stahlteile in den Verbindungen zwischen den Stützen und Doppelzangen/-trägern gibt es keine. Ausgearbeitet wurde das Tragkonzept von Hermann Blumer. Dessen organisch ausgeformten Knoten beinhalten lediglich komplizierte Buchendübel, kein tragendes Metall. Das Ergebnis ist ein sichtbares Holztragwerk, das sich wie ein Möbelstück durch das Gebäude zieht.

22 m-Ständer, 18 m-Zangen

Der 38 m lange Haupttrakt besitzt acht Achsen mit je vier senkrechten Stützen, zehn waagrechten Zangen und je 24 t Masse. Jede der dreifach blockverleimten Stützen ist 22 m hoch und misst im Querschnitt 44 mal 44 cm. Die 18 m langen Zangen sind 56 cm hoch und in zwei Paaren zu je 24 cm Breite montiert. In den Anschlussbereich der blockverleimten Zangen sind Buchensperrholzplatten eingeleimt. Deren ovale Ausnehmungen passen auf den Buchendübel, der in den Stützen vormontiert ist. Von außen ist nur die Fichtenoberfläche zu sehen.
Die Achsen sind mit ovalen BSH-Koppelstangen verbunden, welche aber nur die Funktion eines Abstandshalters übernehmen. Verarbeitet wurden 2000 m3 BSH von der Pabst Holzindustrie, Obdach. Den Abbund übernahm Blumer-Lehmann selbst.

Plötzlich knackte es in Zürich

Knifflig war vor allem die Montage. Auf nur einer Fahrspur mussten Anlieferungen und Lagerung aller Gewerke abgewickelt werden. Der Generalunternehmer verlangte daher eine Just-in-Time-Baustellenlogistik. Zunächst wurden die Zangen der Achse Nr. 1 an exakt eingemessenen Konsolen platziert, die am Nebengebäude befestigt waren. Dann kamen die ersten Stützen, deren Buchenholzdübel sich passgenau in die Aufnehmungen der Zangen schmiegten. Mit der zweiten Zangenpartie war die erste Achse fertig. Direkt daran wurde der zweite Rahmen montiert. Nach deren Fertigstellung versetzte ein Mobilkran die Konstruktion – mit akustischen Auswirkungen. Als der Kran die Konstruktion anhob, kehrte sich das statische System um. Wo Druck war, herrschte plötzlich Zug. In Folge knackte es vernehmlich, was den erfahrenen Monteuren aber keine Sorgen machte (den vielen Schaulustigen vielleicht schon). Dann wurden die ovalen Koppelstäbe von unten nach oben eingehängt. Denen folgten die ebenfalls vorgefertigten Deckenelemente.

Präzises Arbeiten wichtig

Toleranzen bei der Montage gab es praktisch keine. Die formschlüssigen Verbindungen verlangten extrem präzise Bauteile. Das ging so weit, dass Blumer-Lehmann vor den Abbundarbeiten auf der Krüsi-Lignamatic die Durchbiegung der Leimbinder im Zehntelmillimeterbereich vermaß und berücksichtigte. Diese Akribie zahlte sich aus. Das Gebäude war termingerecht fertig.
Neben der beschriebenen Holzbauweise beherbergt das Tamedia-Gebäude einer Reihe bemerkenswerter Lösungen. Blumer-Lehmann fasste das in einer technischen Beschreibung zusammen (s. Link unten).